Hallo Fußball-Freunde,
Das können sich die DFB-Spieler sparen
erstmal bitte tief durchatmen... so... okay. Dann beginne ich mit dem Positiven, bevor ich euch mitteile, wo ich nach dem 1:1 gegen die Schweiz noch Verbesserungspotenzial bei der deutschen Nationalmannschaft sehe.
Wir sind Gruppenerster! Unbesiegt! Vor dem Turnier hätte das jeder unterschrieben. Jubeln und Träumen bleibt ausdrücklich erlaubt. Das Gefühl ist weiterhin positiv. Die deutsche Mannschaft hat bewiesen, dass sie Tore schießen kann, schwierige Phasen übersteht und auch einen Rückstand verkraften kann. Wir wissen, dass die Bank funktioniert und die Euphorie der Fans auf das DFB-Team abstrahlt. Jedes Spiel hat wichtige Lerneffekte erbracht und das Team als solches weitergebracht.
Schweiz ist neue Messlatte fürs DFB-Team
Aber wir dürfen uns auch nichts vormachen: Vor dem Achtelfinale muss die Mannschaft dieses Spiel gegen die Schweiz genauestens analysieren. Der späte Ausgleich von Füllkrug war zwar verdient und hart erkämpft, doch die Schweiz hat auch eine große Gefahr offengelegt. Sie haben unser Spiel studiert und sich exzellent darauf eingestellt. Das Zentrum war zu, die Zweikämpfe zünftig - zudem gab es durchaus genug Chancen, das 2:0 zu erzielen. Das war stabile Qualität. Ab der K.o.-Phase hat diese jede Mannschaft. Die Stärke der Schweiz ist die neue Messlatte.
Deshalb sehe ich auch: Deutschland ist noch nicht gefestigt genug. Das Gegentor resultierte aus einer Fehlerkette, an deren Ende Jonathan Tah nicht eng genug an Dan Ndoye dran war. Die ganze Situation hätte speziell der Abwehrverbund besser verteidigen können.
Insgesamt ist die DFB-Elf nicht da, wo ich sie gerne schon gesehen hätte. Was mir nicht gefiel, war die Theatralik, die einige deutsche Spieler zu oft an den Tag legten. Da wurde zu leicht abgehoben nach kleinsten Berührungen, zu viele Fouls geschunden, der Spielfluss unnötig unterbrochen. Ich mag diese Art nicht. Das kann man sich sparen.
Füllkrugs Präsenz ist unverzichtbar
Und einmal mehr ging die Partie an Havertz in vorderster Spitze vorbei. Er kommt kaum zum Abschluss und findet auf dieser Position schwer seine Abläufe. Füllkrug kommt rein und macht das Tor - das sagte viel aus. Seine Einwechslung war ebenso sinnvoll wie die von Raum, der die Flanken forciert und direkt reinbringt.
Auch der nächste Gegner wird das Zentrum blockieren, enge Abstände haben und dadurch Kombinationen verhindern wollen. Wir werden wieder verstärkt über die Außen kommen müssen. Füllkrug ist dabei mehr als ein Joker, seine Präsenz im Strafraum mit der Kopfball- und Abschlussstärke ist unverzichtbar.
Tah wird dagegen gelbgesperrt im Achtelfinale fehlen. Ihn hat es erwischt. Als Ersatz steht dann Schlotterbeck parat. Wenn es bei einer Änderung in der Innenverteidigung bleibt, sehe ich die Qualität nicht gemindert.
Es bleiben sechs Tage bis zum nächsten Duell. Das ist ausreichend Zeit, um sich zu regenerieren, sich abzustimmen und die Spannung wieder hochzufahren.
Deutschland muss sich nochmal steigern
Von der letzten Reihe hängt viel ab, konsequente Verteidigung und Kommunikation untereinander sind der Schlüssel zum Erfolg. Wichtig für einen weiteren positiven Verlauf wird sein, dass eine Mannschaft auf dem Rasen steht, die weiß, wie die Abläufe funktionieren, die Geduld hat und auf ihre Stärken vertraut.
Fehleranfälligkeit und Unkonzentriertheiten treten immer noch auf. Jetzt, wo die Besten der Besten kommen, braucht das deutsche Team noch ein paar Prozentpunkte mehr als gegen die Schweiz.
Nur wenn jeder wirklich 100 Prozent erreicht, kann das Sommermärchen wahr werden. Wir stehen vor einer großen Herausforderung, aber auch vor einer großen Chance.
Euer Holger Badstuber
Holger Badstuber absolvierte in seiner aktiven Karriere 166 Bundesliga-Partien für den FC Bayern, Stuttgart und Schalke sowie 31 A-Länderspiele für Deutschland. Mit Bayern gewann er 2013 die Champions League, sechsmal die deutsche Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal. Mit Deutschland wurde er 2010 in Südafrika WM-Dritter. Für SPORT1 beleuchtet er in seiner exklusiven Kolumne die Brennpunkte der Heim-EM 2024.