Dauer-Belastung ohne Ende! 53 Pflichtspiele stand Robert Andrich in dieser Saison für Bayer 04 Leverkusen auf dem Platz. Dazu kommen die bisherigen drei EM-Spiele.
Der Hilfeschrei der Fußballprofis
Macht insgesamt 56 (!) Partien in einer Spielzeit - Testspiele, unter anderem des DFB gegen Österreich, Griechenland, Ukraine, Türkei oder auch die USA-Reise, noch nicht einmal mit einberechnet.
Laut Andrich ist es „brutal viel, wenn man die Zahl hört. […] Es ist schon so, dass man das merkt“, erklärte er auf der DFB-Pressekonferenz am Freitag: „Aber wenn man so eine Europameisterschaft spielt und vor allem wie wir in der K.O.-Phase sind, existiert so etwas wie Erschöpfung eigentlich nicht. Da mache ich mir bei uns überhaupt keine Sorgen.“
Real-Star Bellingham: „Ich war komplett tot“
So locker nimmt es aber nicht jeder. Andrichs Mannschaftskollege Jonathan Tah sprach im SPORT1-Interview von einer „kraftraubenden“ Saison. Eine Spielzeit, die mit dem Erfolg von Leverkusen verknüpft war.
Denn die Rheinländer waren in allen Wettbewerben, in der Europa League und auch im Pokal, bis zum Ende vertreten, schafften es jeweils bis ins Endspiel. Eine Möglichkeit zum Durchatmen gab es nicht.
Real-Star Jude Bellingham, der am 1. Juni noch das Champions-League-Finale gegen den BVB bestritten hatte, formulierte es noch dramatischer.
Der 20-Jährige sprach nach dem 0:0 gegen Slowenien davon, auf dem Platz „komplett tot“ gewesen zu sein. Im Vergleich zu Andrich stand Bellingham in dieser Saison sogar elf Spiele weniger auf dem Rasen.
Fußballprofis im Dauereinsatz - „Kopf ist mehr Belastung“
Doch es ist nicht nur das Körperliche, das schlaucht. „Der Kopf ist manchmal sogar mehr Belastung als das Körperliche“, erklärte Andrich. Ausbleibender Erfolg oder Rückschläge verschlimmern häufig die Situation.
BVB-Mittelfeldmotor Marcel Sabitzer gab vor dem EM-Start und nach dem verlorenen Endspiel in Wembley zu: „Ich habe mich da schon sehr down gefühlt. Das hat man auch gesehen, denke ich. Ich habe mir ein bisschen Zeit genommen. Jetzt habe ich wieder Kraft und Bock, hier richtig anzugreifen.“
Wie gut eine Pause guttun kann, bekräftigte auch DFB-Nachrücker Emre Can. „Ich habe einfach nur abgeschaltet und überhaupt nicht an Fußball gedacht.“ Doch im Normalfall hätte er diese Pause nicht einlegen können.
Denn die deutsche Mannschaft ist nun schon seit dem 26. Mai zusammen - erst in Blankenhain im Trainingslager und dann in ihrem Mannschaftsquartier, in Herzogenaurach.
Dauerbelastung auf Kosten der Profis
Da das Pokalfinale erst einen Tag zuvor stattfand, reisten die Leverkusen-Profis erst zwei Tage später nach. Genauso wie die BVB- und Real-Spieler, die nach dem Königsklassen-Finale einen ähnlichen Puffer hatten.
Die Dauer-Belastung betrifft allerdings nicht nur die europäischen Spieler, die mit ihren Nationen bei der EM im Einsatz sind, sondern auch die Südamerikaner bei der Copa América. Nach dem Turnier mit dem Heimatland ist vor der neuen Klubsaison - ein Hamsterrad.
Und die Fußballbosse? Sie schweigen dazu und - viel schlimmer - blasen das Business immer größer auf. In der kommenden Saison werden die Champions-League-Vertreter allein durch die neue Reform in der Vorrunde zwei Spiele mehr absolvieren.
Wegen des „Schweizer Modells“ mit einer großen Liga, die die Teilnehmer der K.O.-Phase ausspielen, werden die Vereine in der der Königsklasse in der Vorrunde statt bislang sechs in Zukunft acht Partien absolvieren.
Eine EM oder WM wird es zwar nächstes Jahr nicht geben. Doch auch hierfür steht schon ein Ersatz bereit: Die neu gegründete und im nächsten Jahr erstmals unter den veränderten Rahmenbedingungen stattfindende Klub-WM in den USA (unter anderem mit dem FC Bayern und dem BVB) geht über den ähnlichen Zeitraum wie die diesjährige EM.
Feststeht: Der eng getaktete Kalender geht auf Kosten der Fußballprofis, die sich physischem wie psychischem Stress ausgesetzt sehen. Ob die weiter steigenden Gehälter dafür eine Entschädigung sind, bleibt fraglich.