Hallo Fußball-Fans,
Sehe nicht, dass sich Havertz wohlfühlt
habt ihr gut gefeiert? Ich hoffe doch! Denn diese Gewissheit nach dem zweiten EM-Spiel, dem 2:0 gegen Ungarn, die tut doch sehr gut. Das Achtelfinale ist sicher - der Traum vom Titel lebt zu Recht weiter. Auch bei mir.
Doch wie ihr auch wisst, braucht es noch etwas mehr, bevor ich zum „Feierbiest“ werde - wie mein einstiger Förderer Louis van Gaal beim FC Bayern. In der K.o.-Phase wird es krachen, da kommen die richtig großen Gegner. Ungarn hat der Mannschaft mehr abverlangt als zuletzt Schottland.
Ungarn hat uns wehgetan
Der Mittwochabend hat gezeigt, wie Deutschland unter Druck gesetzt werden kann: Mit Selbstvertrauen, mit frechen Aktionen, hohem Pressing, durchdachten Standards und punktuell eingesetzter individueller Qualität wie der von Szoboszlai. Sie haben uns des Öfteren wehgetan. Wenn Ungarn das schafft, werden es auch stabilere und gefährlichere Teams tun.
Andererseits: Ich habe auch noch keine Mannschaft gesehen, die viel besser agiert als wir. Was der Bundestrainer und sein Trainerteam in kurzer Zeit geschafft haben, wird mit jedem Spiel deutlicher. Es herrscht eine klare Hierarchie. Es gibt keine Experimente mehr. Die Achse, bestehend aus Neuer im Tor, Tah und Rüdiger in der Verteidigung, Kroos und Andrich im Mittelfeld und Gündogan als Bindeglied zur Offensive, wurde konsequent gestärkt. Entscheidungen wurden zu Gunsten der Mannschaft, einer EINHEIT, getroffen. Das Resultat sind eine gute Struktur und gegenseitiges Vertrauen.
Diese Eigenschaften waren auch ausschlaggebend dafür, dass Deutschland sich die Kontrolle erarbeitet hat. Das Mittelfeld hat das Spiel in der zweiten Halbzeit an sich gerissen, das Tor von Gündogan kam zur richtigen Zeit.
Was Manuel Neuer leistet, ist grandios
Spieler des Spiels war für mich allerdings Manuel Neuer. Ihm gebührt GANZ GROSSER RESPEKT! Was dieser Mann leistet, nach diesen schweren Rückschlägen, ist einfach nur grandios.
Er ist einer der größten Torhüter, die es je gegeben hat. Sämtliche Zweifel und Diskussionen, die immer wieder fallen, sind Nonsens. Die Null stand - das war zu einem großen Teil ihm zu verdanken.
Havertz? „Würde mich nicht überraschen, wenn Nagelsmann nachjustiert“
Welche Position mir nicht optimal gefällt, ist dagegen die von Kai Havertz. Ich sehe nicht, dass er sich wohlfühlt und seine Qualität ausspielen kann. Einsatz für das Team bringt er, dennoch glaube ich nicht, dass er als vorderster Mann großen Einfluss auf das Spiel nimmt, wenn ab dem Achtelfinale die „Brocken“ auf ihn zukommen und verteidigen.
Es würde mich nicht überraschen, wenn Nagelsmann da nachjustiert. Nicht zu unterschätzen ist dabei übrigens auch die Meinung von Sandro Wagner. Im Gesamtkonstrukt nimmt er als Trainer-Assistent eine wichtige Rolle ein. Gerade im TV war immer wieder zu beobachten, wie sich Nagelsmann mit ihm aktiv austauscht. Sandro kenne ich. Er hat ein gutes Gespür dafür, welche Charaktere zusammenpassen, kann seine Meinung klar vertreten, ohne dabei überheblich zu sein. Als Bindeglied zur Mannschaft ist er absolut wertvoll.
Auch ihm wird sicher nicht entgangen sein, welche Lehren die DFB-Elf aus dem Ungarn-Spiel ziehen muss. Gegnerische Standards müssen besser verteidigt werden, aber auch die eigenen mit noch mehr Konzentration angegangen werden. Gut war, dass sich die Mannschaft aus Schwächephasen herausgekämpft hat. Daraus wurde ein Moment der Stärke. Auch diese Erkenntnis bringt das Team weiter.
Ob es bis ins Finale gehen kann? Schaut euch unsere Spieler an, die spielen größtenteils bei den besten Vereinen der Welt, natürlich denkt da jeder an den Titel! Auch der Schwung, der durch die Fans entstanden ist, kann unheimlich beflügeln. Die Euphorie gilt es mitzunehmen und gleichzeitig den Fokus nicht zu verlieren. Also, weiter arbeiten!
Euer Holger Badstuber
Holger Badstuber absolvierte in seiner aktiven Karriere 166 Bundesliga-Partien für den FC Bayern, Stuttgart und Schalke sowie 31 A-Länderspiele für Deutschland. Mit Bayern gewann er 2013 die Champions League, sechsmal die deutsche Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal. Mit Deutschland wurde er 2010 in Südafrika WM-Dritter. Für SPORT1 beleuchtet er in seiner exklusiven Kolumne die Brennpunkte der Heim-EM 2024.