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Angst vorm nächsten Aufreger bei der deutschen Nationalmannschaft

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Angst vorm nächsten Aufreger bei der deutschen Nationalmannschaft

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Angst vorm nächsten Aufreger

Eine aktuelle Umfrage des WDR schreckt Fußball-Deutschland auf. Bei der Nationalmannschaft will man sich keinesfalls ablenken lassen. Kann das gelingen?
Eine ARD-Umfrage, in der sich jeder Fünfte eine "weißere" Nationalmannschaft wünsche, sorgt für Wirbel. Bundestrainer Julian Nagelsmann reagiert entsetzt.
Stefan Kumberger
Stefan Kumberger
Eine aktuelle Umfrage des WDR schreckt Fußball-Deutschland auf. Bei der Nationalmannschaft will man sich keinesfalls ablenken lassen. Kann das gelingen?

Das Medienzentrum des DFB in Herzogenaurach ist riesig, trotzdem war Julian Nagelsmanns Unmut bis in die letzten Winkel des Saals zu spüren.

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„Ich hoffe, nie wieder von solchen Scheiß-Umfragen lesen zu müssen“, erklärte er und schloss damit sein über zweiminütiges Statement zur aktuellen Umfrage der WDR-Sendung „Sport Inside“. Diese hatte ergeben, dass sich jeder Fünfte in Deutschland eine „weißere“ Nationalmannschaft wünsche – unter AfD-Anhängern sogar jeder Zweite.

Nagelsmann setzte zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Vielfalt und Menschlichkeit an. Mit Blick auf Geflüchtete erklärte der Bundestrainer: „Uns in Deutschland geht es sehr, sehr gut und wenn wir so etwas äußern, finde ich das einen Wahnsinn, wie verblendet wir da sind und solche Dinge ausblenden.“

Joshua Kimmich hatte sich am Samstag ähnlich geäußert, aber auch die Umfrage als solche infrage gestellt. „Wenn man sich überlegt, dass wir vor einer Heim-EM stehen, ist es schon absurd, so eine Frage zu stellen, wenn es darum geht, das Land zu vereinen“, erklärte der Rechtsverteidiger. Nagelsmann lobte seinen Schützling explizit für dessen Worte.

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Bloß keine miese Stimmung

Beim DFB will man sich keinesfalls die langsam anwachsende EM-Euphorie vermiesen lassen. „Bloß nicht zu viel Politik“, könnte das Motto lauten. Verständlich und vermutlich zu Recht, denn die Erfahrungen, die der Verband rund um die vergangenen Turniere mit politischen Themen machte, sind nicht allzu gut.

Im Vorfeld der WM 2018 hatte vor allem die Diskussion um Ilkay Gündogan und Mesut Özil die Schlagzeilen bestimmt. Beide hatten sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten lassen. Dieser nutzte die Fotos genüsslich für seine politischen Zwecke.

Es folgten ein Gespräch der beiden Spieler mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, das klägliche Turnier-Aus in Russland und schließlich der öffentlichkeitswirksame Rücktritt von Özil aus der Nationalmannschaft inklusive Rassismus-Vorwurf in Richtung damaliger DFB-Spitze.

2021 folgte die Diskussion darüber, ob man während der EM die Münchner Arena in Regenbogenfarben beleuchten dürfe oder nicht.

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Und das Theater rund um die One-Love-Kapitänsbinde bei der WM 2022 in Katar ist ohnehin noch gut im Gedächtnis. Der damalige Bundestrainer Hansi Flick hatte auch die damalige Aufregung für das frühe Ausscheiden verantwortlich gemacht.

DFB hat gelernt

Der DFB hat aus diesen Fällen gelernt. Bei der Heim-EM soll nichts mehr vom Sport ablenken. Lieber beschwört man ein zweites Sommermärchen – vieles soll wieder so werden wie bei der WM 2006 im eigenen Land. Doch das ist angesichts von Kriegen in Gaza und in der Ukraine, sowie dem spürbaren Rechtsruck in der Gesellschaft gar nicht so einfach.

Der Anspruch der Öffentlichkeit besteht unverändert: Nationalspieler sollen nicht nur Fußballer sein, sondern auch Botschafter einer besseren Welt. Nicht umsonst lautet das von der UEFA gewählte Motto der EM „United by Football“. Oder wie es der mittlerweile verstorbene DFB-Präsident Egidius Braun einst sagte: „Fußball ist mehr als nur 1:0″.

Schwieriger Spagat

Ein schwieriger Spagat also. Zumal sich der Verband auch ein wenig gegen den Profilierungswunsch von Politikern erwehren muss. Wohlfühl-Termine wie der Besuch von Bundespräsident Steinmeier am vergangenen Mittwoch im thüringischen Blankenhain sind willkommen, schließlich hat man der Politik auch einiges zu verdanken. Auch den Symbolwert des Spiels gegen die kriegsgebeutelte Ukraine am Montag in Nürnberg kann man nicht wegdiskutieren.

Aussagen wie die von Olaf Scholz dürfte man beim DFB dagegen eher weniger gerne hören. Im Podcast „Spielmacher“ hatte der Bundeskanzler verkündet, er erhoffe sich von der EM einen Stimmungswandel – und zwar „bei uns im Land, aber auch bei all den anderen Ländern, die an der Europameisterschaft teilnehmen“.

Turnierdirektor Philipp Lahm äußerte sogar die Hoffnung auf eine „Zeitenwende im deutschen Fußball und in der Gesellschaft“. Wieder soll es der Fußball da richten, wo Politik und Gesellschaft Probleme haben.

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DFB hält sich zurück

Beim DFB ist man deutlich zurückhaltender. Nagelsmann äußerte bereits vor einigen Monaten den Wunsch, „dass man das Team aus allen Debatten heraushält“. Sportdirektor Rudi Völler hatte schon vor über einem Jahr das Ende der One-Love-Binde eingeläutet und Innenministerin Nancy Faeser kritisiert. Diese hatte bei ihrem Stadionbesuch in Katar die farbenfrohe Binde angelegt.

Völler im März 2023 im Sportausschuss des Bundestags: „Ich will nicht, dass meine Innenministerin mit so einer Binde dasitzt“. Die Idee „war ja trotzdem gut“, aber sein Bauchgefühl habe ihm gesagt, dass die Situation nicht positiv ende.

Jetzt also die umstrittene WDR-Umfrage, die auch deutlich macht, wie schwer sich Deutschland jedes Mal mit Diskussionen dieser Art tut. Als die FIFA bei der WM in Katar wegen der One-Love-Binde mit Strafen drohte, knickten die anderen europäischen Fußballverbände klaglos ein. Nur die DFB-Elf sah sich zu einem öffentlichen Statement gezwungen: das weltberühmte „Maulkorb-Mannschaftsfoto“, das vor der Partie gegen Japan entstand.

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Es brachte Deutschland vor allem im Gastgeberland und in der restlichen arabischen Welt Hohn und Spott ein. Katarische Fans feierten Deutschlands Ausscheiden schließlich mit der „Mund-zu-Geste“.

Welchen Einfluss hat die Europawahl?

Diesmal will man keine Angriffsfläche bieten. Der Sport soll im Mittelpunkt stehen. Doch die nächste Gefahr für die heile Fußballwelt ist bereits am Horizont zu erkennen: Nur fünf Tage vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland findet die Europawahl statt.

Auf dem ganzen Kontinent wird eine deutliche Stärkung des rechten politischen Randes erwartet. Die anschließenden Diskussionen könnten auch den Fußball erreichen. Die Angst vor dem nächsten großen Aufreger ist also nicht umsonst so ausgeprägt.