Sie sind beide Weltmeister, beide im Spätherbst ihrer Karriere angelangt - doch während Mats Hummels zuletzt auf höchstem Niveau performte, füllte Thomas Müller eher die Rolle des Reservisten aus.
Was Müller Hummels voraushat
Und dennoch: Müller fährt mit zur EM - und Hummels nicht.
Bundestrainer Julian Nagelsmann wollte während der DFB-Pressekonferenz im Zuge der Nominierungen nicht explizit den Grund für die Ausbootung des BVB-Stars erläutern. „Die Informationen, die ich den Spielern (Leon Goretzka und Hummels, d. R.) mitteile, bleiben zwischen mir und den betreffenden Spielern“, antwortete der 36-Jährige auf die Frage eines Journalisten.
Nagelsmann über Müller bei EM 2024: „Keiner für Startelf“
Redselig wurde der Bundestrainer dann aber beim Thema Müller. „Er kann mit den Rappern in der Mannschaft, aber auch mit denen, die jodeln“ erklärte der frühere Bayern-Coach - und sorgte mit der Wortwahl wohl bei einigen Zuschauern für Stirnrunzeln.
Was er damit meint: „Er kommt mit allen gut klar. Er hat zu allen einen guten Draht“. Und das kann mitunter wichtiger sein, als eine rein nach dem Leistungsprinzip aufgestellte Mannschaft. Mehrfach betonte Nagelsmann, dass es ihm nicht darum ginge, die „besten Spieler“ zu nominieren, sondern das „beste Team“. Und in diesem Team darf ein Thomas Müller eben nicht fehlen, auch nicht im Alter von 34 Jahren.
Man könne den 128-maligen Nationalspieler (45 Tore) allerdings nicht nur als den „Gute-Laune-Onkel“ beschreiben. „Er hat auch fußballerische Qualitäten“, betonte der Bundestrainer. Zwar sei der Ur-Bayer keiner für die Startelf, sehr wohl aber ein wertvoller Joker.
Müller nach Einwechslungen sofort „on fire“
„Es gibt Spieler, die kann man gut einwechseln und es gibt Spieler, die kann man nicht gut einwechseln - und Thomas ist einer, der gut von der Bank funktioniert“, erklärte Nagelsmann. Denn während andere Spieler Anlaufzeit brauchen, ist Müller sofort „on fire“ - ein großer Vorteil, wenn nicht mehr viel Zeit auf der Uhr ist.
Auch Müller mache zwar in 20 Minuten nicht immer alles hundertprozentig richtig, habe jedoch immer besondere wie unberechenbare Momente, was ihn von anderen abhebe. Und außerdem: „Der Begriff ‚typisches Müller-Tor‘ kommt ja nicht von ungefähr“, erklärte Nagelsmann.
„Schmiermittel und Bindeglied“ spricht für Müller
Trotzdem scheint Müllers Rolle auf dem Platz verglichen mit seiner Rolle abseits des Platzes die kleinere zu sein. Für Nagelsmann ist er nämlich zudem „ein verlängerter Arm des Trainer-Teams“ sowie jemand, „der aus der Mannschaft heraus spricht“ und den „Blick fürs große Ganze“ habe.
Dazu sei er nicht auf den Mund gefallen und habe für die Fans eine enorme Bedeutung, sei jedoch nicht nur zu ihnen ein „Connector“ (Verbinder), sondern auch zu den Medien. Müller agiere als ein „Schmiermittel und Bindeglied“, fasste Nagelsmann seine Schwärmerei über Müllers Rolle neben dem Platz zusammen.
Es war ein Monolog, durch den klar wurde, dass Müllers fußballerische Qualitäten nur ein Nebengrund für seine Nominierung waren. Angesichts der mit Stars gespickten Offensive (Florian Wirtz, Jamal Musiala, Leroy Sané, Ilkay Gündogan, Kai Havertz) braucht es eben nicht den nächsten Top-Star im besten Fußballeralter - sondern einen Thomas Müller, der um seine Rolle weiß, neben dem Platz vorangeht und seine Mitspieler zu Höchstleistungen pusht.
Hummels ist der Anti-Müller
Rein leistungstechnisch bewegte sich der Dortmunder in den vergangenen Wochen auf einem deutlich höheren Niveau als Müller.
Zugegeben: Im Frühjahr hatte Hummels einen deutlichen Durchhänger, wurde von BVB-Coach Edin Terzic zwischenzeitlich sogar aus dem Kader sortiert - wie übrigens auch Julian Brandt, Niklas Süle, Emre Can und Schlotterbeck.
Allen voran Hummels avancierte dann aber in der entscheidenden Saisonphase zum Helden mit teils Weltklasse-Format, er war Hauptgarant dafür, dass es die Westfalen nun - anders als Müllers Bayern - es bis ins Endspiel der Champions League schafften, wo nun der München-Besieger Real Madrid wartet.
Mbappé neutralisiert - und nun CL-Finale
Wie er in der Königsklasse zuletzt PSG-Superstar Kylian Mbappé an die Kette gelegt hat und obendrein noch als Torschütze glänzte, brachte Dortmunds Routinier verdientermaßen überschwängliche Lobeshymnen ein.
Soll heißen: Das gerade von Nagelsmann bei dessen Personalauswahl für das DFB-Team vielzitierte Momentum hat Hummels demnach pünktlich zur EM klar auf seiner Seite.
Und dennoch: Gesetzt gewesen wäre Hummels selbst bei einer Nominierung unter dem Bundestrainer wohl mitnichten. Mehr noch: Den Faktor der Müller-Rolle abseits des Platzes wird dem wortgewaltigen Abwehr-Chef offenbar nicht zugetraut - und Hummels deshalb verschmäht.
Womöglich ist es sogar insbesondere Hummels‘ besondere Aura und Fähigkeit als Rädelsführer, die ihm nun auf die Füße fällt - nämlich den Finger innerhalb des Teams auch mal in die Wunde zu legen, nicht nur, wenn es weniger gut läuft.
Klartext-Qualitäten unerwünscht?
Klartext-Qualitäten, die für die EM nicht aus Hummels‘ Munde erwünscht wirken -womöglich werden sie während des Turniers allerdings noch enorm wichtig.