Trainer Willy Sagnol. Superstar Khvicha Kvaratskhelia. Torhüter Giorgi Mamardashvili. Die Elfmeter-Toschützen Giorgi Kochorashvili, Zuriko Davitashvili, Lasha Dvali und Nika Kvekveskiri. Es sind nur ein paar Namen, die in Georgien nach der dramatisch geglückten EM-Qualifikation jetzt zu Nationalhelden aufgestiegen sind. „Es ist der glücklichste Tag“, betonte Premierminister Irakli Kobakhidze noch am Abend bei der riesigen Feier auf dem Platz der Ersten Republik.
Ein ganzes Land in Ausnahmezustand
Der Politiker verkündete den frenetisch feiernden Fans zudem: „Ich persönlich habe als Fan seit 30 Jahren auf diesen Tag gewartet. Diese Jungs sind Helden und Helden müssen geschätzt werden. Das sind die würdigsten Menschen, und deshalb haben wir eine kleine Entscheidung getroffen: Unsere Jungs werden für den Ehrenorden nominiert - jeder von ihnen!“
Georgien-Stars sollen Verdienstorden bekommen
Die Bürger in der Hauptstadt Tiflis reagierten auf diese Aussage mit lauten Jubelschreien. Ohnehin waren die Menschen in Georgien nach dem entscheidenden Schuss des Elfmeterschießens gegen Griechenland (4:2) im Playoff-Spiel, der den Weg zur EM in Deutschland freimachte, nicht mehr zu halten. Die Spieler der Nummer 77 der Weltrangliste wurden am Abend zu Nationalhelden.
Nach der ersten Qualifikation für ein großes Turnier in der Geschichte des Landes brachen alle Dämme. „Auf geht‘s, Georgien, wir haben Geschichte geschrieben“, schrie Kvaratskhelia.
Schon Sekunden nach der Entscheidung war der Rasen des Boris-Paichadze-Stadions in Tiflis nicht mehr zu erkennen, weil so viele Anhänger von ihren Sitzen nach unten gestürmt waren.
Georgien feiert EM-Qualifikation
Und auch außerhalb der Arena verwandelte sich Georgien für die Nacht in ein Tollhaus. Auf den Straßen zündeten Bürger immer wieder Raketen, um zu feiern. Riesige Autokorsos durch die Städte und große Menschenansammlungen sorgten für Gänsehaut.
Vor allem der Platz der Ersten Republik wurde zum Zentrum der Feierlichkeiten, denn dorthin wurde die Mannschaft gefahren und auf der Bühne gefeiert.
„Ich möchte Sie und alle Georgier in Deutschland bitten, Geld zu sparen, damit Sie dabei sein können“, rief Kapitän Guram Kashia den Fans zu.
Sagnol gelingt Coup als Nationaltrainer
Mittendrin bei der Party war auch eine Bayern-Ikone: Willy Sagnol. Der ehemalige Linksverteidiger der Münchner hatte im Februar 2021 das Amt als Trainer angetreten und führte die Nationalmannschaft hinter Spanien, Schottland und Norwegen nur auf den vierten Rang der EM-Qualifikationsgruppe. Lediglich Zypern ließen die Georgier hinter sich.
Sagnol stand schon vor dem Aus, blieb aber und gewann mit seinem Team im Playoff-Halbfinale gegen Luxemburg 2:0. Es folgte das Drama gegen Griechenland.
“Ich würde dafür bezahlen, um das zu fühlen, was ich heute fühle“, bekannte Sagnol. Nichtsdestotrotz wird der georgische Verbandspräsident Levan Kobiashvili, 16 Jahre Bundesliga-Profi in Freiburg, bei Schalke 04 und Hertha BSC, nach der EM einen neuen Trainer suchen müssen: Sagnol hat bereits angekündigt, dass er den Posten nach der EM räumen wird.
Dennoch spürte der Coach sofort, was die Qualifikation dem Land mit rund 3,7 Millionen Einwohnern bedeutet.
Denn es liegen schwere Zeiten hinter Georgien. 1991 erklärte sich das Land nach dem Ende der Sowjetunion unabhängig. Im Jahr 2008 gab es einen fünf Tage langen Krieg mit Russland. Und über die Regionen Südossetien und Abchasien hat die Regierung keine Kontrolle mehr.
Kvaratskhelia und Mamardashvili die großen Stars
In der EU und der NATO ist Georgien kein Mitglied, die Angst vor einem erneuten Konflikt mit Russland ist ein ständiger Begleiter. Da hilft es umso mehr, dass die Bürger seit einigen Jahren wieder echte Stars haben, an denen sie sich aufrichten können.
Khvicha Kvaratskhelia etwa ist bei Neapel in Italien zu einem Superstar gereift und Valencias Keeper Giorgi Mamardashvili ist einer der besten seines Fachs in Spanien. Selbst der FC Bayern soll im vergangenen Winter Interesse gehabt haben.
Aufgefüllt wird das Team von Profis wie Budu Zivzivadze, der als Mittelstürmer des Karlsruher SC mit bislang zehn Saisontoren in der 2. Liga für Furore sorgt - und beim 2:0 im Playoff-Halbfinale gegen Luxemburg beide georgischen Treffer erzielte.
Völlig aus dem Nichts kommt die Qualifikation zur EM also nicht. Und dennoch hatte in Georgien wohl niemand mit so einem Märchen gerechnet.