Auf dem Trainingsplatz lieferte sich Yann Aurel Bisseck das eine oder andere Scharmützel - natürlich nur im Spaß. Joshua Kimmich testete etwa in einer Trainingspause mit einem Ball die Stabilität von Bissecks Frisur.
Nagelsmann von Neuling beeindruckt
„Wir hatten ein gutes Gespräch, aber es war nicht so, dass wir über super ernsthafte Dinge gesprochen haben“, sagte Bisseck über den Austausch mit dem DFB-Kapitän. Generell sei der einzige Neuling im aktuellen Kader nicht speziell darauf vorbereitet worden, was ihn im Kreis der Nationalmannschaft erwarte.

„Aber ich habe damit auch kein Problem. Ich habe schon in vielen Mannschaften gespielt. Ich war schon oft ‚der neue Spieler‘, deswegen bin ich das gewohnt“, betonte Bisseck. Während seines ersten Interviews nippte der 24-Jährige genüsslich an einem Mango-Shake, hinterließ einen unaufgeregten und aufgeräumten Eindruck. Und hatte den einen oder anderen lockeren Spruch auf den Lippen. „Es gibt auf jeden Fall schlimmere Orte, an denen man sich aufhalten kann“, scherzte er.
Bisseck hinterlässt positiven Eindruck bei den Fans
Bei der Ankunft am Teamhotel in Dortmund nahm sich Bisseck besonders viel Zeit, um die Autogrammwünsche der Fans zu erfüllen. Bei den Anhängern hinterließ er auf Anhieb einen positiven Eindruck. Sein Name erfreute sich bislang hierzulande nicht allzu großer Bekanntheit, bis ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann vergangene Woche erstmals in sein Aufgebot berief.
„Er macht einen guten Eindruck“, stellte Nagelsmann fest. Auch wenn es für ihn schwer sei, sich in den wenigen Einheiten zu beweisen. „Deswegen lege ich jetzt nicht jede Aktion auf dem Feld sofort auf die Goldwaage, sondern gebe ihm auch den Raum, erstmal anzukommen.“
Insgesamt sammelte der Neuling beim Bundestrainer Pluspunkte. „Ich finde, dass er sehr positiv rüberkommt. Er hat eine gute Ausstrahlung. Und was mir wichtig ist: Er hat ein fröhliches Wesen. Er kommt rein und hat Lust auf Fußball, Lust auf die Nationalmannschaft.“
Bisseck? „Er ist ein Genie“
Zwar muss sich Bisseck natürlich in der Rangordnung im Abwehrzentrum hinter dem gesetzten Duo Jonathan Tah und Antonio Rüdiger anstellen, aber auch Letzterer zeigte sich angetan. „Er ist ja ein Genie. Er hat mit 16 sein Abitur gemacht. Also ist er ein schlauer Junge, ein großer Junge“, sagte Rüdiger.
Und er gab Bisseck einen Rat: „Er soll sein eigenes Ich finden, so wie ich es selbst auch gemacht habe. Natürlich habe ich Vorbilder gehabt, aber ich wollte immer die beste Version von mir selbst sein. Das bin ich heute. Und das kann ich ihm mit auf den Weg geben.“
Zusammen mit seinem Idol Rüdiger auf dem Trainingsplatz zu stehen, war schon etwas Besonderes, wie Bisseck auf SPORT1-Nachfrage verriet: „Ich würde jetzt nicht sagen, dass ein Traum in Erfüllung geht, aber es ist auf jeden Fall eine coole Sache. Er ist ein sehr netter Kerl, den man immer alles fragen kann. Ich hatte gute Gespräche mit ihm.“
Bisseck findet im Nationalteam schnell Anschluss
Nicht nur zu Rüdiger hat Bisseck gleich einen guten Draht entwickelt. Am Mittwoch betrat der frühere Kapitän der U21-Nationalmannschaft zusammen mit Leroy Sané und Jonathan Tah den Trainingsplatz in Dortmund - und die Truppe hatte augenscheinlich beste Laune.
Es gehe für ihn in erster Linie darum, sich etwas abzuschauen, sagte Bisseck. „Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber ich glaube, ich kann noch eine Menge lernen. Das ist eine Sache, die man hier gut mitnehmen kann.“
Es ist eine gesunde Mischung aus Demut und Stolz in Verbindung mit Leistungsbereitschaft, mit der Bisseck seine Nominierung rechtfertigen will. Und es ist der vorläufige Höhepunkt nach einem „interessanten Karriereverlauf“, wie Nagelsmann Bissecks Vita bereits beschrieb.
Für den 1. FC Köln debütierte er als 16-Jähriger in der Bundesliga und verewigte sich damit als jüngster Spieler in der Klubhistorie. Doch der Durchbruch bei seinem Jugendklub blieb aus. Über Kiel, Kerkrade, Guimaraes und Aarhus landete Bisseck schließlich 2023 bei Inter Mailand.
Bisseck: „Gab eine Menge Rückschläge“
„Ich denke nie groß darüber nach. Aber wenn man mal darüber nachdenkt, dann ist das schon nicht der geradlinigste Weg“, stellte Bisseck mit einem Schmunzeln fest. Als er in Portugal in die zweite Mannschaft zurückgestuft wurde, dachte er daran, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen und stattdessen Medizin zu studieren. Er entschied sich dagegen. Und bekam für seine starken Leistungen in Italien im Laufe dieser Saison den Spitznamen „Doktor Bisseck“ verpasst.
„Es gab natürlich eine Menge Rückschläge“, räumte Bisseck ein. „Im Nachhinein kann ich sagen, dass mich das zu dem Spieler und vor allem zu dem Mann gemacht hat, der ich heute bin.“
Und womöglich darf er sich bald auch offiziell deutscher Nationalspieler nennen. Ausgerechnet in seinem Wohnzimmer San Siro könnte der Inter-Profi im Nations-League-Kracher gegen Italien (20.45 Uhr im LIVETICKER) sein Debüt feiern.
Debüt in Mailand oder vor der ganzen Familie?
„Ich hoffe nur, dass ich eine Option bin. Es geht erstmal darum, sich auf dem Platz zu zeigen. Mit den neuen Teamkollegen hier ist es ein extrem hohes Level“, sagte Bisseck. Der Ausblick auf eine mögliche DFB-Premiere im Giuseppe-Meazza-Stadion mache „das Ganze noch mal einen Tick spezieller“, hatte Bisseck vergangene Woche schon zu SPORT1 gesagt.
Sollte es in Mailand noch nicht mit seinem ersten DFB-Einsatz klappen, besteht beim Rückspiel am Sonntag in Dortmund (20.45 Uhr im LIVETICKER) die nächste Chance. Und weil seine Heimat Köln nicht weit weg ist, wurde er mit einer Menge Ticketanfragen bombardiert. „Ich glaube, ich muss noch ein paar Absagen erteilen“, sagte Bisseck schmunzelnd auf SPORT1-Nachfrage.
Es sei ein extrem gutes Gefühl, vor Freunden und Familie im Stadion zu spielen, ergänzte er. „Das hatte ich schon, als wir in der Champions League gegen Leverkusen gespielt haben. Das ist eines der cooleren Dinge, wenn man Fußball spielt.“ Klingt nach einer passenden Bühne für einen potenziellen Publikumsliebling.