Home>Fußball>DFB-Team>

DFB: Wut auf Nagelsmann? Das sagt der Ortega-Berater

DFB-Team>

DFB: Wut auf Nagelsmann? Das sagt der Ortega-Berater

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Nagelsmann? Das sagt Ortegas Berater

ManCitys Keeper Stefan Ortega wird von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht für die Länderspiele in der Nations League nominiert. Im Gespräch mit SPORT1 zeigt sich dessen Berater Jörg Neblung verwundert.
Jörg Neblung, der Spielerberater von Stefan Ortega, spricht über die Nicht-Nominierung seines Schützlings und die Torhüterposition im DFB-Team.
Reinhard Franke
Reinhard Franke
ManCitys Keeper Stefan Ortega wird von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht für die Länderspiele in der Nations League nominiert. Im Gespräch mit SPORT1 zeigt sich dessen Berater Jörg Neblung verwundert.

Jörg Neblung empfängt SPORT1 gut gelaunt zu einem Exklusiv-Termin in seiner Agentur. Es gibt einiges zu besprechen mit dem langjährigen Spielerberater, der sich auf Torhüter und Torhüterinnnen spezialisiert hat. Einer seiner Klienten ist Stefan Ortega, der kürzlich seinen Vertrag bei Manchester City bis 2026 verlängert hat.

{ "placeholderType": "MREC" }

Neblung zeigt sich verwundert darüber, dass Ortega nicht für die beiden Nations-League-Spiele gegen Bosnien-Herzegowina und die Niederlande nominiert wurde.

SPORT1: Herr Neblung, was sagen Sie dazu, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann Janis Blaswich und nicht Stefan Ortega nominiert hat?

Jörg Neblung: Die Nominierung von Janis war schon überraschend, das gebe ich zu. Ich kenne Janis ganz gut und mag ihn sehr. Aber es ist tatsächlich so, dass ich als Berater von Stefan Ortega einen Erklärungsdruck bemerke und viele Fragen bekomme: „Warum nicht Ortega?“ Vorher konnten wir uns das noch mit der Anzahl der Spiele erklären, aber jetzt hat sich etwas geändert.

{ "placeholderType": "MREC" }

„Müssen über Ortega reden“

SPORT1: Was meinen Sie?

Neblung: Wenn wir diskutieren, sollten wir schauen, wer tatsächlich von der Qualität ein deutscher Nationalspieler sein könnte. Wir reden immer über Potenziale, über Jonas Urbig und Noah Atubolu, und wenn wir versuchen, einen Blick auf die kommenden drei bis fünf Jahre zu werfen, ist das in Ordnung. Aber wenn wir einen Ist-Zustand für den DFB im Jahr 2024 vornehmen, haben wir eindeutig andere Namen. Dann sollte die Entwicklungsfähigkeit keine Rolle spielen, sondern nur die Leistungsfähigkeit. Und wenn wir über Leistungsfähigkeit sprechen, müssen wir über Stefan Ortega reden. Natürlich, ich bin sein Interessenvertreter und ich sehe ihn häufig. Aber es ist auch Fakt, dass Stefan bei den meisten Datenanbietern im Hinblick auf die vergangenen zwölf Monate der beste Torhüter in Deutschland ist - und das bereits vor der Verletzung von Marc-André ter Stegen.

SPORT1: Auch sein Coach Pep Guardiola hat noch einmal gesagt, dass Ortega vor allem im Eins-gegen-Eins der Beste ist.

Neblung: Pep Guardiola schätzt Stefan sehr und gibt ihm seine Einsatzzeiten. Vergangene Woche spielte er in der Champions League bei Bratislava. Die Pokalwettbewerbe sind ohnehin seins. In der vergangenen Saison kam Stefan auf 20 Spiele, insgesamt stand er 37-mal für die City auf dem Feld. Ab wann ist ein Spieler denn ein Kandidat für die Nationalmannschaft und wo steht das? Aufgrund seiner Leistung müsste Stefan das schon lange sein.

Nagelsmann? „Gibt bei mir keine Wut“

SPORT1: Wie groß ist Ihre Wut auf den Bundestrainer?

{ "placeholderType": "MREC" }

Neblung: Es gibt bei mir keine Wut, dafür bin ich zu lange im Geschäft. Die Diskussion ist heterogen, einige fordern Stefan, andere sagen: „Was wollen wir mit einer Nummer 2?“ Stefan hat sich immer gegen Widerstände durchgesetzt und hat sich peu à peu in den Vordergrund gespielt. Irgendwann wird man nicht mehr um ihn herumkommen. Während seiner Bielefelder Zeit in der Bundesliga hörte ich öfter: „Ich muss Abbitte leisten, ich habe ihn vorher nicht so gut gesehen.“ Dasselbe passiert jetzt: Stefan wird nicht gesehen. Es gab noch keinen Besuch von einem DFB-Abgesandten in Manchester oder zumindest mal einen Anruf bei seinen Trainern. Das finde ich schade. Aber ich bin da niemandem böse.

SPORT1: Aktuell spielt Stefan Ortega nicht. Warum hätte Julian Nagelsmann ihn trotzdem nominieren müssen?

Neblung: Stefan spielt immer wieder und hat eine gute Anzahl von Einsätzen bei einem der beiden besten Klubs der Welt. Ederson ist laut den Daten von „Plaier“ aktuell die Nummer drei der Welt. Stefan ist laut deren Analyse die Nummer acht der Welt, einen Rang vor Marc-André ter Stegen. Wenn „Plaier“ die Leistungen von Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen und Stefan in den vergangenen zwölf Monaten vergleicht, dann steht Stefan tatsächlich über den beiden anderen. Mag einige erstaunen, aber das sagen die Daten und die sind 100 Prozent objektiv. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Plattform „Impect“. Ich denke wir müssen dementsprechend auch gar nicht mehr über einen Vergleich von Leno, Blaswich und Ortega sprechen.

Anruf bei Nagelsmann? „Wäre unangemessen“

SPORT1: Haben Sie den Bundestrainer angerufen oder ihm eine WhatsApp geschickt?

Neblung: Nein. Nur weil ich jetzt hier spreche, muss ich Julian Nagelsmann nicht anrufen oder ihm schreiben. Das wäre unangemessen. Ich würde aber gerne die Diskussion eröffnen, wer die Chance bekommt und warum er diese Chance bekommt. Wenn ich lese, dass Janis ein guter Typ für die Kabine ist, kann ich dieser Argumentation folgen und sie stimmt, wenn wir eine EM oder eine WM spielen und ich ein Kollektiv über mehrere Wochen bilden möchte, das gut funktionieren muss. Oliver Baumann hat das hervorragend gemacht, was ich gesehen habe. Jetzt wären aber vielleicht auch mal andere dran gewesen. Ich kenne noch andere „gute Typen“ (sagte Nagelsmann über Blaswich; Anm. d. Red.) mit einer „guten Mentalität“ (Nagelsmann über Blaswich; Anm. d. Red.), die die Aufgabe als Back-Up verstehen.

SPORT1: Wie wäre Ihre Traum-Konstellation?

Neblung: Ich will gar nicht über die anderen Torhüter reden, auch wenn es hier schwerfällt, aber Stefan gehört jetzt, vor allem mit den neuen Vorzeichen, ganz klar in dieses Dreier-Set hinein. Einfach schon, um sich mal beim Bundestrainer und allen Beteiligten des DFB zu zeigen. Nach dem Motto: „Guckt euch an, was ich zu bieten habe.“ Es geht hier um die Chance zu zeigen, was man kann.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Wie hat Stefan reagiert, als er erfuhr, dass Blaswich und nicht er dabei ist?

Neblung: Stefan ist sehr cool. Er gibt keine Interviews und redet schon gar nicht über das Thema DFB. Er hat seine Rolle immer so angenommen. Sein Ziel ist ein ganz anderes: Er will die Nummer eins bei Manchester City werden. Das hätte jetzt auch schon passieren können, aber der Transfer von Ederson ist nicht zustande gekommen. Sonst wären wir wahrscheinlich in einer ganz anderen Situation und hätten mehr Rückenwind. So muss sich Stefan noch etwas gedulden. Aber alles, was er bisher erreicht hat, ist schon außergewöhnlich, auch für mich, der ihn schon seit vielen Jahren begleitet. Das konnte man nicht unbedingt erwarten.

SPORT1: Was ist das Besondere an Stefan Ortega?

Neblung: Erst mal sein Setup als Torwart und dann die Mischung aus seinen Erfahrungen der vergangenen Jahre und seines familiären Ruhepols. Er hat immer an seinen Schwächen, aber auch an seinen Stärken gearbeitet. Außerdem hatte er das Glück, mit exzellenten Torwarttrainern zusammenzuarbeiten, die großen Anteil an seiner Entwicklung hatten: Marco Kostmann in Bielefeld und jetzt Xabier Mancisidor bei ManCity. Stefan ist dadurch noch einmal zwei Stufen besser geworden. Man muss sich auch mal die Mühe machen zu schauen, was die Torhüter, über die wir gerade diskutieren, zu bieten haben. Bernd Leno hat ebenfalls eine Menge zu bieten.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Können Sie nachvollziehen, dass Leno abgesagt hat?

Neblung: Ich kann verstehen, dass er in dem Moment frustriert war. Er spielt eine gute Saison, seine zweite in der Premier League. Da darf man auch schon mal etwas mehr erwarten, nach all den Jahren im Windschatten der beiden großen deutschen Torhüter. Aber ich glaube, dass war kein kluger Schachzug von ihm, eher aus dem Affekt.

„In Bielefeld waren nicht so viele von Stefan überzeugt“

SPORT1: Wie kam es eigentlich zustande, dass Stefan Ortega von Arminia Bielefeld zu ManCity gewechselt ist? Das war schon ein überraschender Move. Hatte Guardiola Sie angerufen?

Neblung: Nein (lacht). Wir haben Stefan schon anderthalb Jahre vorher auf dem Markt angeboten. Wir wollten ihm Feedback geben, wer ihn gut findet und wer nicht so überzeugt ist. In seiner Anfangszeit in Bielefeld waren nicht so viele von Stefan überzeugt. Ich bin sehr viel mit Torwarttrainern im Austausch und nicht nur mit Sportdirektoren. Unser Netzwerk funktioniert deshalb etwas anders. Die Torwarttrainer sind die wahren Fachleute, kennen die Suchprofile und schauen auch mal auf die Daten der angebotenen Torhüter. Es gibt dazu eine witzige Geschichte.

SPORT1: Erzählen Sie mal …

Neblung: Wir waren in Gesprächen mit der PSV Eindhoven. Roger Schmidt, damals Trainer dort, fand Stefan gut. Er hätte ihn auch gerne geholt. Stefan wurde von deren Scoutingabteilung allerdings nicht gesehen, weil er über der Altersgrenze des Suchrasters lag, das sie festgelegt hatten. Als er dann von Roger thematisiert wurde, sagten die Scouts: „Genau so einen wollen wir.“ Zu der Zeit wackelte allerdings schon Rogers Stuhl, der Transfer kam nicht zustande.

SPORT1: Wer ist jetzt der Torwart, der für Deutschland vorangehen kann? Nübel oder Baumann?

Neblung: (schmunzelt) Mein Ranking lautet Ortega vor Baumann, Leno und Nübel - alle auf einer Stufe. Ich finde es auch gut, dass in dieser Länderspiel-Phase jeder ein Spiel bekommt und sich zeigen kann. Das aktuelle Momentum nach Neuer und ter Stegen ist aber schwierig, keine Frage. Da will ich niemandem zu nahe treten. Alexander Nübel ist jünger als Oliver Baumann, aber Letzterer hat ein sehr hohes Niveau und ganz wenige Ausschläge nach unten. Beide sind sehr gute Torhüter.

Torwart-Situation: „Da tragen alle eine Mitschuld“

SPORT1: Wie sehen Sie generell die Torwart-Situation in Deutschland? Man hat das Gefühl, dass irgendetwas fehlt.

Neblung: Das stimmt. Das hat sich bereits seit einigen Jahren angedeutet. Wir haben ein Nachwuchsausbildungsproblem. Hinter ter Stegen und Neuer klafft eine große Lücke. Die entstand mit einem sehr langen Anlauf. Da tragen alle eine Mitschuld: Verband, Vereine, Spieler und ihre Berater. Einige Vereine melden einfach ohne Not die zweite Mannschaft ab. Doch auf dieser Ebene haben sich die Neuers, Lenos und ter Stegens - zumindest kurz - entwickelt. Jetzt müssen die jungen Torhüter als Leihspieler irgendwo in der Provinz heranwachsen, sobald sie die U19-Ebene verlassen. RB Salzburg gelingt das im Gegensatz sehr gut, weil die Ausbildung im RB Kosmos und im Zusammenspiel mit Liefering einfach besser klappt. Bei uns wurde es verpasst, die Zwischen-Ausbildungsstufe für Defensivspieler inklusive der Torhüter zu bewahren.

SPORT1: Sie sagten im Vorgespräch, Sie hätten gerne BVB-Torwart Gregor Kobel. Warum?

Neblung: Weil er ein sehr kompletter Torhüter ist. Im Augenblick ist er für mich der beste Keeper in der Bundesliga. Wir kennen ihn schon lange, seit seiner Zeit in Hoffenheim. Kobel hat diese gesunde Portion Arroganz, die Körpergröße, den Druck und ein gutes Eins-gegen-Eins-Spiel; da steckt sehr viel drin. So einen Torwart hätte jeder Berater gerne.

SPORT1: Wie kam das damals mit Ortega zustande?

Neblung: Es war ein Tipp: „Da steht ein junger Stier in Bielefeld im Tor, schau dir den mal an.“ Dann bin ich hingefahren und habe gesehen, dass er schon etwas kann. Ich war mir zuerst bei seiner Größe nicht sicher. Stefan wirkte damals aber schon sehr kompakt. Es gab dann ein Gespräch und wir haben es schließlich zusammen versucht. Ich bin ihm sehr dankbar für seine Loyalität in all den Jahren, weil ich ihn auch mal härter angefasst habe.

Ortega? „Inspirierend für andere Spieler“

SPORT1: Was hat sich für Sie als Torwart-Berater im Vergleich zu früher verändert?

Neblung: Die Spieler haben sich nicht verändert, ich habe mich verändert. Ich bin ruhiger geworden. Ich hätte früher in einer Situation wie jetzt mit Stefan ganz anders reagiert. Ich hätte alles in Bewegung gesetzt, um jemanden zu überzeugen. Aber die Überzeugung muss von anderer Stelle kommen. Ich gebe meinen Klienten heute mehr Ruhe mit. Fehler passieren, das Mindset regelt am Ende alles.

SPORT1: Hätten Sie Stefan Ortega diese Entwicklung zugetraut?

Neblung: Zu seiner Zeit bei 1860 eher nicht, am Anfang in Bielefeld auch nicht. In der Bundesliga mit Arminia hatte das dann schon viel Fantasie. Das, was er bis hierher erreicht hat, ist schon beeindruckend - und auch inspirierend für viele andere Spieler.

„Nummer eins im Tor von Manchester City“

SPORT1: Nach dem Tod von Robert Enke 2009 wurde viel darüber geredet, dass sich der Fußball verändern muss. Hat sich etwas verändert?

Neblung: Ja, es hat sich sehr viel verändert, aber man muss schon genau hinsehen. Es ist nicht so, dass die Depression total enttabuisiert ist. Aber die Sensibilität in den Vereinen hat zugenommen. Wir verstehen inzwischen, dass ein Mentaltrainer nicht gleichzeitig ein Psychologe oder Psychotherapeut sein muss. Die Leute trauen sich viel mehr als früher, sich zu öffnen. Es gibt deutlich mehr Menschen, die heute sagen: „Ich brauche eine Auszeit.“ Wir haben einen anderen Umgang und ein anderes Bewusstsein. Aber es wird in meinen Augen schlimmer werden, die neuen Generationen haben zunehmend Probleme, mit Drucksituationen umzugehen. Da sollten wir gut präpariert sein.

SPORT1: Wo steht Ortega in zwei Jahren?

Neblung: Als Nummer eins im Tor von Manchester City. Er ist sehr nah dran. Diese Aussage von Pep Guardiola, dass er das erste Mal überhaupt „zwei Einser“ hat, hat Gewicht, das kann sicher niemand bestreiten.

SPORT1: Und wünschen Sie sich ein Gespräch mit dem Bundestrainer?

Neblung: Sagen wir mal so: Ich wünsche es mir für Stefan.