Bei der EM 2024 im eigenen Land müsste Deutschland erst noch bis ins Halbfinale vorstoßen - heute vor 16 Jahren kämpfte das DFB-Team am 25. Juni in Basel gegen die Türkei schon um den Einzug ins Endspiel. Am Tag nach dem 3:2-Sieg waren in vielen Zeitungen 2008 aber nicht nur die Torschützen Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose oder Philipp Lahm groß abgedruckt, sondern auch ZDF-Kommentator Béla Réthy.
Als plötzlich nur Réthy zu sehen war
„Ich bin zum Frühstück gegangen und sah mein Gesicht überdimensional groß in der Zeitung“, erinnert sich Réthy, der nach der WM 2022 in den Ruhestand ging, bei 11Freunde.
Genauer genommen: das Standbild mit Réthys Porträtfoto, das die TV-Zuschauer mehrere Minuten lang sahen. Doch was war passiert?
Stromausfall bei EM-Halbfinale: ZDF-Bild weg
In der zweiten Hälfte kam es plötzlich zum Stromausfall: Das Bild der ZDF-Übertragung war weg, die Fernsehzuschauer konnten Réthy nur noch hören, nicht aber das Geschehen auf dem Platz verfolgen.
„Ich merkte, dass an unserem Tisch plötzlich Unruhe bei meinem Redakteur Martin Schneider aufkam. Das war sehr ungewöhnlich für ihn, Martin ist eigentlich die Ruhe in Person. Es war also klar, dass irgendetwas nicht stimmte“, erzählte Réthy. Als Allerletzter habe er dann die Info aufs Ohr bekommen: „Stromausfall, wir haben kein Bild.“
Zwar war es an diesem Tag in Basel sehr schwül, vereinzelt waren auch Blitze zu sehen. Doch die Ursache für den Ausfall lag in Wien, wo die Bilder von der UEFA zentral gesteuert wurden – und es an diesem Abend ein starkes Gewitter gab.
„Plötzlich waren also alle TV-Stationen in Europa betroffen, nicht nur wir beim ZDF. Die Bildschirme wurden dunkel“, sagte Réthy.
Réthy wird zum Radioreporter
Der Kommentator erklärte den Zuschauern daraufhin, „was los war, und stellte auf Radioreportage um. Mir kam diese Zeit ewig lang vor, fast wie eine Viertelstunde. Eigentlich waren es nur knapp sieben Minuten. Doch auch beim Ton gab es technische Probleme.“
Das Audiosignal brach immer wieder ab, sodass es wirkte, als würde Réthy Sprechpausen machen.
„Wir beim Fernsehen sollen viele Sprechpausen machen, beim Radio ergibt das aber gar keinen Sinn. Dafür konnte ich also nichts, wurde dafür in der Folge dennoch kräftig kritisiert“, schilderte er.
Réthys „grober Patzer“
Allerdings unterlief Réthy auch ein wirklicher Fehler: „Ich habe zwar erzählt, was auf dem Platz passiert. Aber habe völlig vergessen zu erklären, wo genau. Ich habe die Szenen nicht verortet.“
Die Zuschauer am Bildschirm wussten daher zwar, wer am Ball war – aber nicht, ob in der eigenen Hälfte oder im gegnerischen Strafraum.
„Und das ist im Radio, oder in meinem Fall im Fernsehen, wenn das Bild streikt, natürlich ein grober Patzer“, gab Réthy, der es von seinen jahrelangen TV-Übertragungen schlichtweg nicht gewohnt war, zu.
„Das war unsere größte Angst“
Immerhin passierte während des Bild-Blackouts relativ wenig: „Die Türken waren gut, Deutschland tat sich schwer. Aber Chancen gab es keine. Und zum Glück auch kein Tor. Das war unsere größte Angst.“
Ein Techniker des ZDF löste schließlich nach einigen Minuten das Problem – mit der Hilfe des Schweizer Fernsehens, das mit einem Übertragungswagen vor Ort und nicht auf die UEFA-Bilder angewiesen war.
„Der Techniker hat das Signal gefunden, angezapft und beim ZDF ins Programm geworfen“, erklärte Réthy: „Das Bild war endlich wieder da, wir waren natürlich erleichtert. Doch die Probleme waren noch nicht vollständig behoben.“
Réthys Ton kommt vor dem Bild an
Denn Réthys Kommentar - live via Telefon - kam vor dem Bild in den deutschen Wohnzimmern an.
„Als Philipp Lahm in der 79. Minute also von der linken Seite aus flankte, verkündete ich schon das Kopfballtor von Miroslav Klose zum 2:1, obwohl der Ball noch durch die Luft segelte“, sagte der Journalist, der anschließend nach Lotto- oder Wetterprognosen gefragt wurde: „Mit Hellseherei hatte das aber nichts zu tun. Sondern mit Technik.“
Weißbier im Garten: „Die Sache damit abgehakt“
Insgesamt habe er „die ganze Situation als gar nicht so dramatisch wahrgenommen. Wir haben damals in Freiburg im Hotel gewohnt, sind nach Abpfiff dorthin zurückgefahren, saßen im Garten und haben noch Weißbier getrunken.“
Für ihn sei „die Sache damit abgehakt“ gewesen. „Doch am nächsten Morgen war der Teufel los! Da war ein Team von RTL Aktuell, das mit mir sprechen wollte. Spiegel Online rief mich für ein Interview an“, sagte der 66-Jährige.
Schalte zu Kahn, der Pasta aß
Etwas Vergleichbares erlebte Réthy dann bei der EM 2012. Beim Duell zwischen Gastgeber Ukraine und Frankreich „gewitterte und regnete es derart stark, dass die Partie für 56 Minuten unterbrochen werden musste. Und dann haben wir mit nur einer Kamera und Bildern von den Regenfällen und Menschen, die sich vor ebenjenen in Sicherheit bringen, knapp eine Stunde lang durchkommentiert.“
ZDF-Reporter Sven Voss durfte nicht in seinen zugewiesenen Bereich am Rasen und konnte daher nicht helfen, „also redete und redete ich“.
Réthy: „Und erzählte, dass wir am Vorabend tolle Steaks in einem netten georgischen Lokal gegessen haben. Ich erzählte von den vielen Mücken vor Ort. Wir schalteten Urs Maier zu, später sogar noch Oliver Kahn, der gerade auf Usedom war und Pasta aß. Keine Ahnung, wie wir die Zeit rumbekommen haben. Aber irgendwie hat es geklappt.“
Kahn hatte 2008 seine aktive Fußballer-Karriere beendet und stieß nach der EM 2008 als Experte zum ZDF. In dieser Rolle war er vier Jahre später bei der Europameisterschaft 2012 an der Seite von Katrin Müller-Hohenstein im Einsatz - am Ostseestrand in Usedom.