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ARD-Umfrage: Wo Nagelsmanns Ärger heikel wird

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ARD-Umfrage: Wo Nagelsmanns Ärger heikel wird

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Wo Nagelsmanns Kritik heikel wird

Eine ARD-Umfrage über rassistische Einstellungen in Bezug auf die Nationalmannschaft sorgt zu Recht für Empörung. Der Ärger von Julian Nagelsmann, Joshua Kimmich und anderen zielt aber teils in die falsche Richtung.
Eine ARD-Umfrage, in der sich jeder Fünfte eine "weißere" Nationalmannschaft wünsche, sorgt für Wirbel. Bundestrainer Julian Nagelsmann reagiert entsetzt.
mhoffmann
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Eine ARD-Umfrage über rassistische Einstellungen in Bezug auf die Nationalmannschaft sorgt zu Recht für Empörung. Der Ärger von Julian Nagelsmann, Joshua Kimmich und anderen zielt aber teils in die falsche Richtung.

Es ist bitter, was eine aktuelle Umfrage über die deutsche Nationalmannschaft zu Tage gefördert hat.

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Eine zwar deutliche, aber nicht ganz kleine Minderheit in Deutschland hat weiterhin eine sehr gestrige, auf rassistischer Denkweise gründende Einstellung zur deutschen Nationalmannschaft. 21 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Nationalspieler mit weißer Hautfarbe. 17 Prozent finden es „schade“, dass DFB-Kapitän Ilkay Gündogan türkische Wurzeln hat. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Infratest Dimap im Auftrag der ARD im Rahmen einer WDR-Doku über gesellschaftlichen Rassismus im Umgang mit dem DFB-Team.

Es sind beschämende Ansichten, die zu berechtigter Empörung führen. Viele allerdings - unter ihnen Bundestrainer Julian Nagelsmann und Joshua Kimmich - schießen damit gerade ein Stück übers Ziel hinaus.

„Wenn man sich überlegt, dass wir vor einer Heim-EM stehen, ist es schon absurd, so eine Frage zu stellen, wenn es darum geht, das Land zu vereinen“, sagt Kimmich. Nagelsmann spricht gar von „Wahnsinn“, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender eine solche „Scheiß-Umfrage“ veranlasse.

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Nicht nur die Antworten werden also verurteilt, sondern auch, welche Fragen gestellt werden. Und an dieser Stelle wird‘s heikel.

Form der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse diskussionswürdig

Völlig unverständlich ist die Irritation über die Umfrage nicht: Es ist tatsächlich diskussionswürdig, ob die drei Fragen kurze Erhebung nicht überhöht worden ist, indem sie als Extrameldung online und als Instagram-Bildpost veröffentlicht wurde - losgelöst aus dem Kontext der Doku, die das Problem von vielen Seiten aus beleuchtet.

Trotzdem sollten sie beim DFB aufpassen, jetzt nicht den Eindruck zu erwecken, als wäre es prinzipiell nicht gut, Fragen zum Ausmaß des gesellschaftlichen Problems zu stellen.

Ja, es wäre dringend zu wünschen, dass Hautfarbe und Herkunft im Fußball und Gesellschaft nirgendwo mehr ein (Negativ-)Thema sein sollten. Das sollte aber niemanden dazu verleiten, nicht mehr hinzuschauen, wo es noch eines ist.

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Man muss bedenken: Die Akzeptanz dafür, dass Deutschland und seine Fußball-Nationalelf aus Menschen jeder Hautfarbe und Herkunft bestehen, ist nicht so selbstverständlich, wie es in vielen Wortmeldungen gerade klingt. Sie ist Ergebnis eines Wandels gesellschaftlicher und politischer Vorstellungen, wer oder was deutsch ist und was nicht.

Die Kämpfe sind nicht zu Ende

Die Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte sind nicht vom Himmel gefallen, sie mussten erstritten und erkämpft werden. Diese Kämpfe sind nicht zu Ende, wie das Erstarken extrem rechter Politik in Deutschland und der Welt zeigt - und sie verlangen speziell den unmittelbar Betroffenen viel ab.

Die dunkelhäutigen Ex-Nationalspieler Erwin Kostedde oder ein Jimmy Hartwig hatten es in den Siebzigern mit einer Mehrheitsgesellschaft zu tun, in der ganz andere Ansichten selbstverständlich waren. Auch Gerald Asamoah bekam bei seinem DFB-Debüt vor rund 20 Jahren noch eine große Zahl von Beschimpfungen und Hassbriefen zu hören und zu lesen, zog mehrfach wegen rassistischer Anfeindungen vor Gericht.

Philipp Awounou, der selbst dunkelhäutige Autor der aktuellen, in die Kritik geratenen WDR-Doku, hat den alltäglichen Rassismus schon heftig am eigenen Leib erlebt: Er war vor einigen Jahren Zielscheibe einer rassistischen Hetzkampagne, als er Fotomotiv einer Werbekampagne für eine große deutsche Krankenkasse war.

Diese und viele andere Beispiele zeigen: Es ist weiterhin nicht unnötig und überflüssig, sich mit diskriminierenden Haltungen und ihren Folgen zu beschäftigen. Das Problem ist nicht aus der Welt - und es braucht einen ungeschönten Blick dafür, dass der Fußball zwar viel Integrationskraft hat, aber trotzdem auch ein Spiegel und Fokuspunkt gesellschaftlicher Missstände ist.

Um das Bewusstsein für diese Missstände wachzuhalten, ist es notwendig, sie zu kennen, ihr Ausmaß zu kennen. Und dabei helfen auch Umfragen, die ein Bild der Lage vermitteln, wie sie ist - und nicht nur, wie sie sein sollte. Wer nur Augen für Letzteres hat, wird von der Realität im Fußball und außerhalb immer wieder kalt erwischt werden.