Weltmeister-Kapitän Lothar Matthäus kann die Maßnahmen von Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann zur Einleitung eines Umbruchs bei der Nationalmannschaft weitgehend nachvollziehen - aber nicht in Gänze.
DFB-Kader: Was Matthäus verwundert
„Es ist eine korrekte Bewertung der aktuellen Formkurve. Die Leistung wurde berücksichtigt, auch wenn man in Einzelfällen darüber streiten kann. Die Spieler, die dabei sind, haben am besten performt. Ich glaube, dass Nagelsmann die Leistung im Jahr 2024 bewertet hat“, kommentierte Matthäus bei Sky drei Monate vor dem EM-Eröffnungsspiel Nagelsmanns Nominierung.
In dem 26-köpfigen Kader für die Länderspiele am 23. März (Samstag) in Frankreich und drei Tage später (26. März/Dienstag) gegen die Niederlande mit sechs Neulingen will der Rekordnationalspieler besonders auch die Philosophie des Coaches wiedererkannt haben: „Nagelsmann steht für Tempofußball, und er hat Spieler nominiert, die über eine höhere Geschwindigkeit oder größere gedankliche Schnelligkeit verfügen als andere. Spieler, die vielleicht bessere Fähigkeiten haben als andere.“
Die große Aufgabe von Nagelsmann sei es, die richtigen Elf, die richtige Mannschaft auf den Platz zu stellen gegen den jeweiligen Gegner, wo er dann vielleicht doch unterschiedliche Formationen und unterschiedliche Stärken für das jeweilige Spiel braucht.
Deutschland kann EM gewinnen
Der ehemalige Weltfußballer hat hohe Erwartungen an das deutsche Team und fordert „Begeisterung, Leidenschaft und eine Kompaktheit, eine Mannschaft“: Das will ich sehen, das wollen die Fans sehen. Und wenn sie das zu sehen bekommen, dann haben sie hohe Qualität. Die Mannschaft kann die Europameisterschaft hier im eigenen Land gewinnen“, sagte Matthäus bei RTL.
Trapp nicht dabei: Matthäus überrascht
Insgesamt hält Matthäus Nagelsmanns Entscheidungen für schlüssig. Einzig der Verzicht des Bundestrainers auf den langjährigen Reserve-Keeper Kevin Trapp überraschte den Franken: "Vielleicht sieht Nagelsmann in Oliver Baumann und Bernd Leno Dinge, die Trapp nicht gezeigt hat."
Die Streichung des erst zu Saisonbeginn zurückgeholten Ex-Weltmeisters Mats Hummels ist aus Sicht von Matthäus atmosphärischen Überlegungen geschuldet. Der Dortmunder Abwehrroutinier könnte demnach als Ersatzspieler im Gegensatz zum nominierten Münchner Dauerbrenner Thomas Müller eine Gefahr für die Stimmung innerhalb der Mannschaft sein, mutmaßte Matthäus.
„Hummels müsste, wenn er mitgenommen würde, eigentlich spielen. Müller kann die Rolle des Backups anders interpretieren. Auch wenn Müller nicht spielt, ist er ganz sicher keiner, der negativ ist. Nagelsmann will nicht das Risiko eingehen, dass negative Energie in die Mannschaft kommt.“
Zudem habe der Abwehrspieler bei der Borussia nicht nur ein Spiel auf der Bank gesessen. „Er hat seine zwei Spiele in der Champions League gegen Eindhoven gut gemacht, aber er war dann eben auch sechs oder sieben Spiele gar nicht oder nur sehr wenig zu sehen.“ Deswegen sagt sich natürlich auch Julian Nagelsmann in dem Fall: Ein Anton von Stuttgart, ein Koch von Frankfurt, die haben in den letzten Wochen einfach Leistung gebracht, die sind Stammspieler und Führungsspieler in ihren Vereinen und deswegen haben sie den Vorzug bekommen.“
Matthäus macht Dortmundern Mut
Der Weltmeister von 1990 verweist auf die WM in Italien, wo auch nicht alle 22 Spieler zum Einsatz gekommen seien. „Wir hatten glaube ich 22 Spieler und 16 oder 17 davon haben wir gebraucht. Natürlich waren alle dabei und waren auch wichtig für die Atmosphäre, aber ich glaube schon, dass die ersten 16 oder 17 Spieler, denen er als Stammspieler vertraut, bereits im Kader drinstehen.“
Gleichzeitig macht er den Spielern, die derzeit außen vor sind, Hoffnung für die EM. „Das heißt ja nicht, dass aus Dortmund bei der Europameisterschaft dann nur Füllkrug dabei ist. Da gibt es ja auch noch Kandidaten in der Defensive und mit Julian Brandt auch einen Offensivspieler, Adeyemi hat noch seine Chancen… Also ich glaube, dass die Tür für alle offen ist, die absolut abliefern.“