Na endlich! Nachdem der Deutsche Fußball-Bund und seine Führungsmannschaft viel zu lange in ihrem eigenen Saft geschmort haben, ist die Verpflichtung von Andreas Rettig als neuem Geschäftsführer Sport eine mutige und richtige Entscheidung.
Anti-Bierhoff: DFB beweist Mut
Ins Risiko zu gehen ist angesichts der verheerenden Gemengelage alternativlos.
Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung hätten die überraschende Personalie einstimmig beschlossen, hieß es in der Pressemitteilung des DFB von Freitagmorgen, die einige verdutzte Gesichter zur Folge hatte.
Dieser Formulierung und dem Ausdruck der Freude von Präsident Bernd Neuendorf dürften zumindest tiefe Diskussionen vorangegangen sein. So manch eine(r) in der Branche traute seinen Augen nicht. Ausgerechnet Rettig.
Krasser Gegenentwurf zu Vorgänger Bierhoff
Seine Fachkenntnis nach fast 40 Jahren im Geschäft als Klub- und Ligafunktionär ist unumstritten, seine sportpolitischen Ansichten werden jedoch längst nicht von allen geteilt.
Rettig setzte sich stets eher für die Belange der kleineren Klubs ein und gegen die Macht der Branchenriesen - die auch das Kapital des DFB sind. Als Kritiker der fortschreitenden Kommerzialisierung ist er der krasse Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Oliver Bierhoff.
Und wenn er in seinem ersten Statement davon spricht, er wolle „dazu beitragen, künftige Erfolge der Nationalmannschaften wieder möglich zu machen und die Ausrichtung des DFB und das Auftreten seiner Mannschaften in allen Richtungen zu verbessern“, impliziert das neben dem Sport bewusst auch die zuletzt debakulöse Außendarstellung des Verbandes.
Ab sofort tickt die Uhr, bis es zum ersten Mal knirscht - oder gleich knallt.
Noch im Vorjahr polarisierte Rettig im SPORT1-Doppelpass mit seinen Ansichten zu Katar, veranlasste Uli Hoeneß zu einem seiner berühmten Anrufe. Unvergessen auch die „Schweinchen-Schlau-Episode“ mit dem jetzigen Sportchef Rudi Völler in der Diskussion um TV-Gelder.
Visionär und Reaktionär suchen nun gemeinsam den neuen Bundestrainer - das dürfte interessant werden.
Konflikte sind vorprogrammiert
Man kann nur hoffen, dass Rettig seinen streitbaren Charakter auch als hauptamtlicher Verbandsfunktionär beibehalten wird.
Dann sind Konflikte und Reibung innerhalb der DFB-Führung, mit den mächtigen Klubbossen sowie mit FIFA und UEFA vorprogammiert.
Angesichts des schleichenden Niedergangs des deutschen Fußballs ist das eine gute Nachricht.