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Antonio Rüdiger packt zum Binden-Zoff aus: „Es war einfach alles zu viel!“

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Antonio Rüdiger packt zum Binden-Zoff aus: „Es war einfach alles zu viel!“

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Rüdigers Geständnis zum WM-Aus

Vor dem Champions-League-Viertelfinale gegen seinen Ex-Klub Chelsea spricht Real-Star Antonio Rüdiger im exklusiven SPORT1-Interview über sein erstes Jahr in Madrid, den Frust über das WM-Aus mit Deutschland und seinen früheren Trainer Thomas Tuchel.
Beim „Under-Armour-Unboxing" spricht Nationalspieler Antonio Rüdiger über seine Karriere und seinem Weg zum Profi-Fußballer.
Kerry Hau, Katharina Hosser
Vor dem Champions-League-Viertelfinale gegen seinen Ex-Klub Chelsea spricht Real-Star Antonio Rüdiger im exklusiven SPORT1-Interview über sein erstes Jahr in Madrid, den Frust über das WM-Aus mit Deutschland und seinen früheren Trainer Thomas Tuchel.

Es wird kein Spiel wie jedes andere für Antonio Rüdiger (30)!

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Der Abwehr-Boss der deutschen Nationalmannschaft trifft im Champions-League-Viertelfinale mit Real Madrid auf den FC Chelsea (21 Uhr im LIVETICKER).

Für die Blues spielte er von 2017 bis 2022, ehe sein Wechsel zu den Königlichen folgte. SPORT1 hat Rüdiger im Vorfeld der Partie zum Exklusiv-Interview in der spanischen Hauptstadt getroffen. Die Gesprächsthemen neben Real: das bittere WM-Aus in Katar, die Zukunft des DFB-Teams und Thomas Tuchel.

Antonio Rüdiger: „Manchmal zwickt man sich schon noch“

SPORT1: Toni, Sie sind im vergangenen Sommer vom FC Chelsea zu Real Madrid gewechselt. Haben Sie sich gut eingelebt? Ist Spanien schon ein Zuhause für Sie?

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Antonio Rüdiger: Ja, man kann schon sagen, dass das hier mein Zuhause geworden ist. Für mich ist erstmal wichtig, dass die Familie sich gut eingelebt hat, denn bei mir kommt das immer nach und nach. Meine Kinder gehen hier zur Schule und sind sehr glücklich, meine Frau ist glücklich und ich ebenfalls. In der Mannschaft habe ich mich schon nach dem Trainingslager wohlgefühlt.

SPORT1: Müssen Sie sich manchmal eigentlich noch kneifen, dass Sie für den wohl größten Klub der Welt spielen?

Rüdiger: Manchmal zwickt man sich schon noch und versucht das alles zu realisieren. Ich denke, dass ich eine Person bin, die sehr demütig ist und Dinge gut einzuschätzen weiß. Dennoch hat man als Spieler nicht viel Zeit, um groß nachzudenken. Ja, ich bin Spieler von Real, alles schön und gut. Aber für mich geht es darum, Leistung zu bringen. Tag für Tag.

Keine Zeit für den Spanischunterricht

SPORT1: Nehmen Sie eigentlich Spanischunterricht?

Rüdiger: (lacht) Um ehrlich zu sein: Nein. Mein Motto lautet: Learning by doing! In der Kabine bleibt mir auch fast nichts anderes übrig, als Spanisch zu sprechen. Wenn du zum Beispiel mit Vinicius reden willst, dann kommst du mit Englisch nicht weit. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Champions League)

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SPORT1: Was ist denn Ihr Lieblingswort?

Rüdiger: (lacht) „Cabrón“! Dieses Wort fällt ständig in der Kabine. Übersetzt bedeutet das sowas wie „Arsch“, aber hier verwendet man das, um „Alter“ oder „Bruder“ zu sagen. Ich musste auch erstmal checken, was mit dem Begriff „Puta Madre“ gemeint ist. Ich dachte am Anfang ständig, meine Mitspieler würden meine Mutter beleidigen. Dabei heißt das so viel wie: „Verdammt geil!“

SPORT1: Mit zwei Kollegen können Sie auf Deutsch sprechen: Toni Kroos und David Alaba. Verbringen Sie auch abseits des Platzes Zeit mit ihnen?

Rüdiger: Ich verstehe mich mit Toni sehr gut, aber er ist einfach ein Familienmensch, was ich sehr an ihm schätze, deshalb ist er sehr viel mit seiner Familie zusammen. Ich bin mehr mit David unterwegs. Unsere Familien kennen sich gut und deshalb sind wir etwas häufiger zusammen.

„Bisher keinen besseren gesehen“- Lob für Ancelotti

SPORT1: Im September haben Sie uns von einer kleinen Grillparty mit Carlo Ancelotti kurz nach Ihrer Ankunft in Madrid berichtet. Wie viele Treffen dieser Art sind dazugekommen?

Rüdiger: (lacht) Also gemeinsam gegrillt haben wir seitdem nicht mehr. Aber natürlich ist er jemand, der viel mit einem spricht und einem das Gefühl gibt, dass man wichtig ist.

SPORT1: Ancelotti führt seine Stars an der längeren Leine. Mögen Sie das oder ist Ihnen diese Art manchmal zu locker?

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Rüdiger: Er ist einer dieser Trainer, die genau das Gefühl besitzen, wann sie zu einem Spieler kommen müssen und wann nicht. Was das angeht, habe ich bisher keinen besseren gesehen! Er führt uns mit der langen Leine, weil er uns vertraut. Klar ist natürlich, dass man dieses Vertrauen dann auch nicht brechen sollte. Er erwartet von jedem Spieler, dass er professionell ist. Und das sind wir auch als Team.

SPORT1: In der spanischen Liga läuft es trotzdem nicht rund. Die Presse war - mit Ausnahme auf das Weiterkommen in der Copa del Rey - zuletzt sehr kritisch mit Ancelotti und der Mannschaft.

Rüdiger: Hier in Madrid herrschen sehr hohe Ansprüche und da ist es nicht schön, so viele Punkte hinter dem Erzrivalen zu stehen. Im Pokal ist uns zumindest die Revanche gegen Barcelona geglückt - jetzt wollen wir hier natürlich im Finale gegen Osasuna den Titel holen!

Rüdiger überhört Kritik von Außen

SPORT1: Es gab zuletzt auch Kritik an dem einen oder anderen Auftritt von Ihnen. Wie sehen Sie sich selbst?

Rüdiger: Meine persönliche Saison würde ich bisher als gut bewerten. Ich bin neu nach Madrid gekommen und da gelingt es nicht immer sofort jedem Spieler, seine absolute Top-Leistung zu bringen. Natürlich geht es immer besser, aber ich bin bisher zufrieden.

SPORT1: Wie gehen Sie generell mit öffentlicher Kritik um?

Rüdiger: Ich gebe tatsächlich nicht viel darauf, was andere sagen. Am Wichtigsten ist für mich, was meine Trainer über mich denken und von mir halten. Die Meinungen von außen brauche ich nicht, um zu wissen, ob ich jetzt eine gute Saison gespielt habe oder nicht.

„Lange damit zu kämpfen“ - WM-Blamage sitzt tief

SPORT1: Die vergangenen Monate waren dennoch nicht einfach für Sie. Wie tief saß bei Ihnen der Stachel nach der WM-Blamage mit dem DFB-Team?

Rüdiger: Ich hatte sehr lange damit zu kämpfen. Ich hatte erwartet, dass es schnell gehen würde, aber da habe ich mich geirrt. Ich hatte bis Februar daran zu knabbern. Dann habe ich bei einem Gespräch mit meinem Bruder einfach alles rausgelassen. Dabei ging es nicht um andere, sondern um mich selbst. Natürlich ging es aber auch um die Themen abseits des Rasens, über die man sprechen musste.

SPORT1: Was genau meinen Sie?

Rüdiger: Ich denke, das ist klar. Ich rede von allen Themen in Katar, die nichts direkt mit Fußball zu tun hatten. Du freust dich als Fußballspieler vier Jahre darauf, eine WM spielen zu dürfen. Ich würde niemals sagen, dass diese Themen der Hauptgrund für unser Ausscheiden waren, aber natürlich hat es auch seinen Teil dazu beigetragen. Es war einfach alles zu viel. Deshalb tun wir uns selbst einen großen Gefallen, wenn wir uns mehr auf Fußball konzentrieren.

SPORT1: Was tun Sie persönlich dafür, sich nach so einem mentalen Rückschlag wieder auf den Alltag zu konzentrieren?

Rüdiger: Natürlich ist es hart, weil immer im Hinterkopf ist, dass wir bei zwei Weltmeisterschaften hintereinander versagt haben. Es ist nicht einfach, damit umzugehen. Aber es geht immer weiter im Fußball. Ich habe nach dem Turnier wenig darüber gesprochen, auch nicht mit meinen vertrauten Leuten. Ich habe es mit mir getragen, aber vielleicht brauchte ich das auch und musste etwas tiefgründiger nachdenken. Dann habe ich den Frust wie gesagt einmal komplett herausgelassen und dann war‘s auch gut. Jetzt gilt es, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

SPORT1: Sie waren bei den jüngsten Länderspielen gegen Peru und Belgien nach Absprache mit dem Bundestrainer nicht im Kader. Die erhoffte Aufbruchstimmung entstand nicht, vor allem die Partie gegen Belgien ging in die Hose. Was ist das Problem dieser Mannschaft?

Rüdiger: Die erste halbe Stunde gegen Belgien ist genau das Thema, was uns die letzten Jahre verfolgt hat. Wir sind in Teilen des Spiels gar nicht präsent, es gibt kaum Zweikämpfe, wir nehmen den Kampf nicht an. Das hat sich dann erst alles geändert nach einer halben Stunde, wo wir schon 0:2 zurücklagen und eigentlich noch höher zurückliegen hätten müssen. Unser Spiel hat sich dann aber komplett verändert, als Emre Can auf den Platz gekommen ist, das muss man so klar sagen. Durch ihn war jemand auf dem Platz, der auch mal dazwischengehauen hat, das hat die anderen dann mitgenommen und dadurch wurde es ein ganz anderes Spiel. In der zweiten Halbzeit hatten wir viel mehr Engagement, viel mehr Mumm, da sah es ganz anders aus. Dadurch wurden auch die Fans mitgerissen. Dann hast du als Spieler auch ein ganz anders Selbstvertrauen, weil du weißt, dass Leute hinter dir stehen. Da müssen wir hinkommen.

Rüdiger bleibt dabei: „Wir sind zu lieb“

SPORT1: Zusammengefasst könnte man sagen: Die Mannschaft ist streckenweise zu lieb.

Rüdiger: Das habe ich nach der WM so gesagt und das werde ich auch jetzt wieder sagen: Ja, wir sind zu lieb.

SPORT1: Sie sind der Abwehrchef. Was stimmt Sie positiv, dass Sie das beschriebene Abwehrproblem in den Griff bekommen? Verteidigt wird ja nicht nur hinten…

Rüdiger: Ich denke, es ist einfach. Natürlich ist zum Schluss die Abwehr in der Verantwortung, aber wir müssen dahinkommen, dass wir im Vorfeld nicht einfach jemanden so durch das Mittelfeld spazieren lassen. Stattdessen müssen wir mal Fouls ziehen, müssen cleverer und auch etwas eklig sein. Wir dürfen es dem Gegner nicht so schmackhaft machen auf dem Platz. Kevin de Bruyne ist die ersten Minuten auf dem Platz herumgelaufen und wusste, dass ihm nichts entgegenkommt. Dann kam Emre auf den Platz, der wie gesagt für mich der entscheidende Mann war, und plötzlich merkt de Bruyne, dass es etwas anderes ist. Da müssen wir hinkommen.

Rüdiger steht hinter Bundestrainer Hansi Flick

SPORT1: Ist Hansi Flick der richtige Trainer, um die DFB-Elf wieder auf Top-Niveau zu bringen?

Rüdiger: Für mich auf jeden Fall. Er ist ein guter Trainer, er schenkt mir persönlich das Vertrauen, aber nicht nur mir, sondern auch allen anderen.

SPORT1: Er war vor kurzem in Madrid, um sich das Champions-League-Spiel zwischen Real und Liverpool anzusehen und Sie zu besuchen. Die Pause gegen Peru und Belgien war abgesprochen. Aber wie ist sein konkreter Plan mit Ihnen?

Rüdiger: Also die Berichterstattung zuletzt hat auf mich vereinzelt den Eindruck gemacht, als wäre ich ausgemustert worden (schmunzelt). Hansi hat mir klar gesagt, was er von mir erwartet und dass ich wichtig bin für diese Mannschaft. Er wollte dieses Mal ein paar jüngere Spieler testen. Er ist der Bundestrainer und wenn das seine Idee und Intention ist, dann stehe ich natürlich dahinter. Das ist kein Problem für mich. Ich weiß, dass ich beim nächsten Lehrgang wieder dabei sein werde.

Arroganter Laufstil - „ganz andere Probleme“

SPORT1: Einige Fans und auch Experten haben Sie nach dem ersten WM-Spiel gegen Japan wegen einer Szene kritisiert. Es ging um Ihren Laufstil, der von vielen als arrogant gewertet wurde.

Rüdiger: Ganz ehrlich, wir haben andere Probleme als meinen Laufstil. Über diese Probleme sollte geredet werden und nicht darüber, wie ich über den Platz laufe. Wir haben ganz andere Probleme gehabt gegen Japan.

Tuchel: „Für mich ist er ein super Typ“

SPORT1: Ihr Ex-Coach beim FC Chelsea, Thomas Tuchel, ist jetzt neuer Trainer beim FC Bayern. Wie haben Sie ihn fachlich, aber auch menschlich in London erlebt?

Rüdiger: Er ist ein Trainer, der sehr viel erwartet. Seine Vorstellungen sind auf einem anderen Level. Er ist sehr ehrlich. Er kommuniziert klar, was und wie er etwas haben möchte. Für mich ist es immer erstaunlich zu hören, dass auf menschlicher Ebene viele Außenstehende über ihn meckern. Für mich ist er ein super Typ.

SPORT1: Er hat Sie damals bei Chelsea von der Tribüne geholt und zum Stammspieler geformt. Sind Sie auch dank ihm bei Real gelandet?

Rüdiger: Das kann man so sagen. Natürlich muss trotzdem am Ende jeder seinen eigenen Weg gehen, aber selbstverständlich spielt er eine große Rolle bei meinem Transfer nach Madrid. Er ist für mich ein cleverer Mann, ich mag ihn. Am meisten schätze ich, dass er direkt ist. Er ist geradeaus, nicht rechts oder links. Entweder kommt man als Spieler damit klar oder halt nicht.

SPORT1: Sie sind damit klargekommen.

Rüdiger: Für mich ist es das Beste! Ich bin genauso. Ich rede gerne Klartext.

SPORT1: Sehr klar haben Sie sich zuletzt bei den ZDF-Kollegen auch zu der Frage geäußert, welchen DFB-Kollegen Sie eines Tages gerne bei Real sehen würden. Ihre Antwort: Jamal Musiala.

Rüdiger: Er ist auch sehr gut aufgehoben beim FC Bayern. Der Verein gehört immer noch zu den drei besten Klubs der Welt. Und in so einem Verein hat er aktuell schon eine Rolle inne, die für ihn persönlich, aber auch für uns als Nationalteam sehr gut ist. Es ist einfach schön, dass wir so einen hochtalentierten Fußballer in Deutschland haben. Er hat in seiner Karriere noch genug Zeit. Er soll weiter seine Erfahrungen bei Bayern sammeln und – das ist das Allerwichtigste – gesund bleiben.