In Köln lief schon die Nachspielzeit, als die Köpfe der deutschen Nationalspieler sichtlich ratterten: Was, wenn es wieder schiefgeht?
DFB-Team verspielt erneut den Sieg
In der jüngeren Vergangenheit hatte die Elf von Bundestrainer Joachim Löw auf der Zielgeraden schon mehrere Führungen verspielt.
Beim Testspiel gegen die Türkei führte nun die DFB-Elf bis in die Nachspielzeit mit 3:2 und hatte bereits zwei Mal eine Führung verspielt. In der vierten Minute der Nachspielzeit kam dann der dritte Ausgleich durch Kenan Karaman fast schon mit Ansage.
Am Ende trennten sich die beiden Teams mit 3:3 - und die deutsche Nationalmannschaft wartet immer noch auf ihren ersten Sieg im Länderspieljahr 2020.
Matthäus: "Taktische Fehler von Löw"
Für Lothar Matthäus ist mit dem erneut verpassten Erfolg das Maß voll. "Deutschland hat jetzt zum fünften Mal eine Führung verspielt, gegen die Türkei drei Mal in einem Spiel. Wieder kosteten taktische Fehler von Jogi Löw bei den Einwechslungen den Sieg", wetterte der Ehrenspielführer in der Bild.
Matthäus: "Ich wundere mich, wenn ich sehe, dass da viele Spieler wie Nico Schulz für Deutschland auflaufen, die in ihren Vereinen auf der Bank sitzen. Genau deshalb schaltet für Deutschland keiner mehr den Fernseher ein." Schon beim 1:1 gegen Spanien im September hatte die Löw-Elf den 1:1-Ausgleich in der Nachspielzeit kassiert - und anschließend beim 1:1 gegen die Schweiz die Führung nicht über die Zeit gebracht.
Jener Löw war nach dem Remis verständlicherweise ebenfalls enttäuscht. "Wir müssen über die Themen reden", sagte er. "Ich habe es schon oft angesprochen. Es ist ein Thema, das uns oft begleitet."
In der Tat war es eine neue Mannschaft, die aber die alten Probleme offenbarte: Beim großen EM-Schaulaufen zeigte das DFB-Team zwar vielversprechende Ansätze und lieferte dem Bundestrainer einige Erkenntnisse, das erste Erfolgserlebnis seit 323 Tagen blieb aber aus.
Löw sauer: "Es ist ein Thema, das uns oft begleitet"
Ersatz-Kapitän Julian Draxler (45.+1), Debütant Florian Neuhaus (58.) und Luca Waldschmidt (81.) erzielten die Treffer des Gastgebers vor 300 Zuschauern in Köln, Ozan Tufan (50.), Efecan Karaca (67.) und Kenan Karaman (90.+4) bestraften die Nachlässigkeiten des DFB-Teams aber eiskalt.
"Wir haben die Türkei eingeladen, Tore zuschießen, und es wieder nicht geschafft, den Sieg über die Zeit zu bringen", ärgerte sich auch Draxler bei RTL. "Du musst es einfach souveräner spielen. Es ist enttäuschend. Am Ende kommt es darauf an, Spiele, zu gewinnen - und das haben wir nicht geschafft."
Auch Emre Can legte den Finger auf die Wunde: "Wenn man in der letzten Minute wieder ein Gegentor kassiert, fühlt sich das nie gut an. Das passiert uns in den vergangenen Spielen zu oft. Wir müssen abgeklärter, erwachsener - manchmal vielleicht dreckiger sein. Es liegt nicht nur an der Defensive, es liegt an der ganzen Mannschaft. Wir verteidigen alle zusammen und wir spielen offensiv alle zusammen."
Löw hatte sich schon zuletzt über die leichtfertig verspielten Siege in der Nations League gegen Spanien und in der Schweiz (beide 1:1) mächtig geärgert.
Ohne Selbstvertrauen in die Ukraine
Durch den späten Ausgleich verpasste das Löw-Team für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) den zumindest sportlich positiven Abschluss eines Tages, an dem der Verband durch die Steuerrazzia im eigenen Haus schwer erschüttert wurde.
Durch das Unentschieden tritt die DFB-Auswahl die brisante Reise ins Corona-Risikogebiet Ukraine ohne zusätzliches Selbstvertrauen an. Am Samstag soll in Kiew (20.45 Uhr) der erste Erfolg im siebten Nations-League-Spiel gelingen. Dann sind auch wieder die gegen die Türken geschonten Stars um Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Serge Gnabry wieder dabei.
"Solche Spiele sind da, um zu sehen, welche Spieler in naher Zukunft unsere Startelf verstärken können", hatte Löw vor dem Anpfiff betont und seine Spieler zu einer mutigen Herangehensweise aufgefordert: "Sie dürfen Fehler machen. Sie sollen aber das zeigen, was sie können."
Neuhaus hatte seinem Chef besonders gut zugehört. Der Gladbacher forderte immer wieder den Ball und überzeugte mit einigen durchdachten Aktionen. (Das Spiel zum Nachlesen im Ticker)
Draxler trifft sehenswert
Auch Benjamin Henrichs begann schwungvoll und demonstrierte, dass er seine Chance nutzen wollte. Nach einer Hereingabe des Leipzigers scheiterte Waldschmidt aber am stark reagierenden türkischen Torhüter Mert Günok, beim Nachschuss stand Draxler knapp im Abseits (7.).
Nach dem ansehnlichen Beginn tat sich der viermalige Weltmeister aber schwer. Die Dreierkette mit Emre Can, Robin Koch und Antonio Rüdiger offenbarte in den ersten 25 Minuten einige Abstimmungsprobleme. Can blockte in höchster Not gegen Karaca (12.), eine Minute später setzte der freistehende Yusuf Yazici den Ball weit über das Tor.
Dem DFB-Team mangelte es bei seinen Offensivaktionen an Tempo und Präzision. Draxler und Kai Havertz traten über weite Strecken der ersten Halbzeit nicht in Erscheinung. Wenn sich Chancen boten, war zudem Günok zur Stelle. Der Schlussmann parierte gegen Julian Brandt (26.) und erneut gegen Waldschmidt (41.).
In der Nachspielzeit gingen die Gastgeber aber dann doch in Führung. Havertz bediente mit seiner besten Aktion des ersten Durchgangs Draxler, der Günok mit einem gefühlvollen Heber keine Chance ließ.
Neuhaus trifft - und wird zum Pechvogel
Die kalte Dusche erfolgte aber nach dem Wechsel. Draxler verlor den Ball nach einem unsauberen Pass von Nico Schulz, Brandt agierte im Zweikampf zu zögerlich und Tufan ließ Neuer-Vertreter Bernd Leno mit einem überlegten Schlenzer keine Chance. Drei Minuten später rettete Leno in höchster Not gegen Cengiz Ünder.
Doch die Gastgeber fanden zurück in die Spur. Neuhaus sorgte nach Doppelpass mit Havertz für die erneute Führung. Brandt verpasste den dritten Treffer (62.).
Das sollte bestraft werden: Neuhaus verlor den Ball vor dem eigenen Strafraum an Karaca, Leno war ohne Abwehrchance. Die deutsche Spieler reklamierten zwar ein Foulspiel an Neuhaus, doch es gab keinen Video-Assistenten.
Als auch die Debütanten Jonas Hofmann und Mahmoud Dahoud auf dem Platz standen, erzielte Waldschmidt den dritten Treffer. Glück hatte das deutsche Team, dass der Düsseldorfer Zweitligaprofi Karaman (87.) nur die Latte traf - am Ende schlug er aber doch noch zu.
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mit Sport-Informations-Dienst (SID)