Im zarten Alter von 18 Jahren feierte Julian Draxler sein Debüt in der Nationalmannschaft, inzwischen hat der 24-Jährige bereits 46 Länderspiele (6 Tore) auf dem Buckel.
Draxler spricht über Bayern-Gerüchte
Auch wenn Draxler bei Paris Saint-Germain längst nicht immer erste Wahl ist, bleibt er bei Bundestrainer Joachim Löw eine feste Größe - und steht auch beim "Neustart" in der Nations League gegen Weltmeister Frankreich am Donnerstag (ab 20.15 Uhr im LIVETICKER) im DFB-Kader.
Im SPORT1-Interview spricht Draxler vorab über sein besonderes Verhältnis zu Löw, die Kritik nach der WM-Blamage, seine Situation bei PSG und die Gerüchte um einen Wechsel zum FC Bayern.
SPORT1: Herr Draxler, welche drei Worte beschreiben Ihre Gefühle für die Nationalmannschaft?
Julian Draxler: Stolz. Spaß. Ambition.
SPORT1: Vielen Spielern wurde nach dem WM-Debakel fehlender Stolz unterstellt.
Draxler: Jeder ist stolz, wenn er eingeladen wird, denn in dem Moment gehört man zu den besten deutschen Spielern. Zuletzt kam es so rüber, als wäre es uns völlig egal, ob wir im Kreis der Nationalmannschaft sind oder nicht. Das stimmt nicht. Aber klar, die Identifikation hätte jeder von uns noch mehr nach außen tragen können.
SPORT1: Identifizieren Sie sich mit der Bezeichnung "Die Mannschaft"?
Draxler: Wir wollen auf jeden Fall verkörpern und leben, dass wir ein Team sind, das zusammenhält und füreinander da ist. Der Begriff hat sich nach der WM 2014 so entwickelt und da hat man es uns auch absolut abgenommen. In den letzten ein bis zwei Jahren haben wir es aber nicht unbedingt so nach außen ausgestrahlt. Auf Dauer, wenn man es wieder richtig verkörpert, darf sich die deutsche Nationalmannschaft dann gerne auch wieder "Die Mannschaft" nennen.
SPORT1: Sie sind auch nach der WM-Analyse ein Teil der DFB-Auswahl. Warum steht der Bundestrainer so auf Sie?
Draxler: Wir haben schon einen langen gemeinsamen Weg hinter uns. Ich bin ja mit 18 Jahren erstmals zur Nationalmannschaft gekommen. Da entsteht eine Verbindung zwischen zwei Menschen. Sportlich muss man natürlich auch seine Leistung zeigen, und das habe ich in den vergangenen Jahren gemacht. Ich hatte immer das Gefühl, dass mir der Bundestrainer den Rücken stärkt, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Auf den Bundestrainer konnte ich mich immer verlassen und dafür bin ich ihm sehr dankbar.
SPORT1: Hatten Sie zu Joachim Löw nach der WM Kontakt?
Draxler: Nein, gar keinen.
SPORT1: Enttäuscht?
Draxler: Wieder nein. Ich war selbst enttäuscht von der WM und war froh, dass ich meine Ruhe hatte. Ich musste das selbst erst mal aufarbeiten und habe daher nicht jeden Tag auf einen Anruf von Joachim Löw gewartet. Ich war aber auch gespannt auf die Nominierung, wie es weitergeht, und was verändert wird.
SPORT1: Hat sich Löw durch seine massive Selbstkritik bei der WM-Analyse selbst geschwächt?
Draxler: Selbstkritik ist doch eine Charakterstärke. Der Bundestrainer war nach der WM sehr enttäuscht und das hat man ihm angemerkt. Spurlos ist es nicht an ihm vorbeigegangen. Wichtig ist, wie man jetzt aus dieser Situation herauskommt. Da schätze ich ihn als eine sehr starke Persönlichkeit ein, die zum einen Fehler zugeben, sich aber auch wieder mit breiter Brust hinstellen kann und sagt: Jetzt packen wir es wieder an und gehen da gemeinsam raus. Es war ja bei Gott nicht die Schuld des Bundestrainers, dass wir bei der WM ausgeschieden sind. Auch starke Persönlichkeiten im Team, die sonst immer vorangehen, konnten ihre Leistung diesmal nicht abrufen.
SPORT1: Zum "Neustart" erwartet Sie Frankreich.
Draxler: Die Jungs sind noch in totaler WM-Euphorie und kommen mit einer breiten Brust hierher. Es ist gut, dass wir direkt mit dem stärksten Gegner anfangen, den es derzeit gibt. Wir können uns dadurch ein Stück weit rehabilitieren und zeigen, dass wir eine großartige Mannschaft haben, die auch in die Weltspitze hingehört. Aktuell sind wir ja 15. in der Weltrangliste.
SPORT1: Verrückt, oder?
Draxler: Klar, aber das geht auch schnell, wenn man eine WM so in den Sand setzt, wie wir es gemacht haben. Dann ist es vielleicht auch verdient, dass wir so abgerutscht sind. Auf Dauer wollen wir aber wieder ganz nach oben.
SPORT1: Auf welcher Position wollen Sie eigentlich die nächsten Schritte in der Nationalmannschaft gehen?
Draxler: Ich bin eine Mischung aus linkem Flügel und Zehner.
SPORT1: Klingt nach einem prädestinierten Özil-Nachfolger...
Draxler: Es gibt nicht mehr das System, das in Stein gemeißelt ist, und daher wird es immer wichtiger, flexibel agieren zu können. So ist es auch bei mir. Ich glaube, dass es eine große Stärke von mir ist, dass ich vielseitig einsetzbar bin: Rechts, links und in der Mitte. Ich habe letzte Saison in Paris auch oft auf der Acht gespielt. Für mich ist es nicht so wichtig, wo ich spiele, sondern dass ich spiele.
SPORT1: Wo stellen Sie sich auf der Konsole bei FIFA auf?
Draxler: Halblinks.
SPORT1: Wer bleibt dafür draußen, wenn sie mit Paris spielen?
Draxler: Unterschiedlich. Ich spiele zwar nicht so viel FIFA, aber ich finde immer einen Platz in der Startelf für mich. (lacht)
SPORT1: In Paris lässt Sie Thomas Tuchel derzeit aber draußen und lässt dafür Angel Di Maria spielen.
Draxler: Die Situation bei Paris ist auf jeden Fall sehr ambitioniert. Der Konkurrenzkampf ist hoch, gerade auf meiner Position. Mit Kylian (Mbappe, Anm. d. Red.) und Neymar spielen dort die beiden aktuell besten Spieler der Welt - oder zumindest die, die es meiner Meinung nach zukünftig sein werden.
SPORT1: Sie sprechen die Konkurrenzsituation an. Warum sind Sie im Sommer nicht einfach gewechselt?
Draxler: Ich habe keinen Grund dafür gesehen, die Flucht zu ergreifen.
SPORT1: Können Sie das genauer erklären?
Draxler: Die Vorzeichen haben sich schlichtweg nicht geändert. Ich habe letztes Jahr 47, 48 Spiele gemacht und bin davon überzeugt, dass ich sie auch diese Saison machen werde. Ich mag den Verein und die Stadt. Ich fühle mich dort wohl - und deswegen gab es für mich keinen Grund, das Weite zu suchen.
SPORT1: Es gab Gerüchte um eine Rückkehr nach Schalke.
Draxler: Schalke wird mich mein Leben lang begleiten, das ist doch klar, aber eine Rückkehr war in diesem Sommer überhaupt kein Thema.
SPORT1: Wird es noch mal eins für Sie?
Draxler: Schalke ist ein besonderer Verein, der mir sehr am Herzen liegt. Ich war ja auch am vergangenen Wochenende im Stadion und verfolge den Verein weiterhin sehr interessiert. Aber für eine Rückkehr muss dann auch vieles zusammenpassen. Ich kann heute nicht seriös beantworten, wie sich meine Karriere entwickeln wird.
SPORT1: Vielleicht ja in Richtung Bayern, dort wird 2019 auf den Flügelpositionen einiges passieren. Könnten Sie sich einen Wechsel nach München vorstellen?
Draxler: Bayern ist mit Abstand der erfolgreichste Verein in Deutschland. Alles andere ist Spekulation. Ich hatte noch zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu einem Offiziellen der Bayern. Stand jetzt stellt sich die Frage also nicht.
SPORT1: Sie wären also nicht abgeneigt, wenn ein Anruf aus München käme?
Draxler: Ich würde weder kategorisch Nein sagen, noch würde ich alles stehen und liegen lassen. Aber noch mal: Die Frage stellt sich derzeit nicht.
SPORT1: Zum Abschluss das Thema Grüppchenbildung: Gehören Sie im Kreise des DFB tatsächlich der "Bling-Bling"-Gruppe an?
Draxler: Innerhalb der Mannschaft haben wir diese Diskussion zur Kenntnis genommen und wünschen uns, dass man dem Ganzen ein bisschen die Schärfe nimmt. Klar, der eine kann mit dem besser, der andere mit dem. Das gibt's doch überall im Leben. Dass wir aber total isoliert oder gegeneinander gekämpft haben, war definitiv nicht der Fall. Persönlich musste ich fast schon ein wenig irritiert schmunzeln, welcher Schublade ich zugeordnet wurde.
SPORT1: Warum?
Draxler: In erster Linie zählten - so meine Interpretation der Berichte - nur Spieler mit Migrationshintergrund dazu. Ich habe aber keinen, war jedoch immer auf den Bildern mit den Jungs zu sehen. Das stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil. In Deutschland ist die Themenlage rund um Integration und Fremdenfeindlichkeit derzeit derart aktuell, dass man das in jedem Fall differenziert bewerten sollte. Bei uns im Team kann jeder mit jedem - das zählt. Wir wollen ein Vorbild für Integration sein.