Die scheinbar wichtigste Frage Fußball-Deutschlands ist geklärt: Joachim Löw bleibt Bundestrainer.
Das muss Bierhoff ändern
Doch ein Weiter so kann es nach der WM-Blamage nicht geben, die vielen offensichtlichen Probleme müssen angegangen werden.
Dabei kommt Oliver Bierhoff, der als leitender DFB-Angestellter und Präsidiumsmitglied nahezu alle Fäden in der Hand hat, beinahe größere Bedeutung zu als Löw.
SPORT1 nennt die dringendsten Aufgaben für den geplanten Turnaround.
Löw in die Pflicht nehmen
Wo ist eigentlich Löw? Diese Frage stellte sich spätestens seit dem WM-Triumph vor vier Jahren immer häufiger, wenn der Badener mal wieder wochenlang abtauchte.
Nicht nur vermehrte physische Präsenz in den Stadien und bei den Vereinen ist von ihm ab sofort wieder gefordert, sondern auch Engagement und Entscheidungsfreude.
Die kolportierten Vorwürfe, der Bundestrainer habe bei der WM das Leistungsprinzip ausgesetzt und nichts gegen die Gräben im Team getan, wiegen schwer. Hier muss sich Löw neu erfinden und der Mannschaft sportlich wie personell ein anderes Gesicht geben.
In all diesen Punkten ist Bierhoff als Vorgesetzter gefordert, seinem mit geschätzt vier Millionen Euro Jahresgehalt wichtigsten Mitarbeiter künftig viel mehr auf die Finger zu schauen.
Neues Trainerteam aufbauen
Löw ist als loyaler Mensch bekannt, dem radikale Schritte eher zuwider sind. Doch im Trainerteam braucht es dringend neue Impulse, die Fehler waren bei der WM zu offensichtlich.
"Bei uns im Verein ist das Trainingsniveau höher als bei der Nationalmannschaft", zitierte etwa die Sport Bild einen namentlich nicht genannten Spieler.
Eine entscheidende Maßnahme könnte die Rückkehr von Hansi Flick sein, als Co-Trainer Mastermind beim WM-Erfolg vor vier Jahren. Er wäre zudem ein ideales Bindeglied zwischen Löw und Bierhoff, deren Verhältnis aller Dementis zum Trotz gelitten hat.
Den eigenen Nachfolger einstellen
Bierhoff ist seit Anfang des Jahres als DFB-"Superminister" plötzlich zusätzlich zur Nationalmannschaft unter anderem auch noch für die DFB-Auswahl der Frauen, den kompletten Nachwuchs und das Prestigeobjekt DFB-Akademie zuständig.
Viele wichtige Aufgaben, die sein Engagement als Manager der Nationalmannschaft im Umfang wie bislang nicht mehr möglich machen. Zumal es in allen genannten Bereichen zahlreiche Baustellen gibt, die Bierhoffs vollen Einsatz erfordern.
Sinnvoll, auch als Konsequenz aus der WM-Pleite, wäre daher die Installation eines neuen Teammanagers. Dieser würde frischen Wind bringen, müsste aber eine ähnliche Vita wie Bierhoff vorweisen können. Der Name von Phillip Lahm ist in diesem Zusammenhang bereits gefallen, auch Oliver Kahn oder Michael Ballack wären vorstellbar.
Neue Analysten
Allein die Auftaktpleite gegen Mexiko wäre Argument genug für einen komplett neuen Analystenstab.
"Wir haben die Mexikaner anders erwartet", stellte Thomas Müller den eigenen Experten danach ein Armutszeugnis aus - zumal Mexikos Nationalcoach Osorio gleichzeitig erklärte, man habe den Matchplan gegen den Weltmeister schon vor einem halben Jahr festgelegt.
Auch wenn Löw ein sehr enges Verhältnis zu Chefscout Urs Siegenthaler hat, sollte über eine Ablösung des bereits 70 Jahre alten Schweizers nachgedacht werden.
Betreuerstab verkleinern
118 Betreuer begleiteten die DFB-Auswahl nach Russland - genutzt hat es unterm Strich nichts.
Das so genannte Team hinter dem Team muss wieder auf eine vernünftige Größe reduziert werden und auch hier sollte man auf neue, unverbrauchte Köpfe setzen. Selbst der "ewige Mannschaftsarzt" Müller-Wohlfahrt (75) hat sich den Ruhestand redlich verdient.
Öffentlichkeitsarbeit neu aufstellen
Die Außendarstellung der Nationalmannschaft ist nicht erst seit dem WM-Desaster miserabel. Das hat mehrere Gründe: Die Unnahbarkeit der von den Fans hermetisch abgeschiedenen Spieler, die für öffentliche Trainingseinheiten oder sogar Autogrammwünsche (mit Ausnahmen wie Mats Hummels) selten bis nie zur Verfügung stehen.
Oder die unprofessionelle Sichtweise zahlreicher Nationalspieler wie Toni Kroos oder Niklas Süle, die Medien pauschal in einen Topf werfen und von ihnen offensichtlich unkritische Berichterstattung erwarten.
Einsicht als erster Schritt zur Besserung
Es gäbe also viel Arbeit für Bierhoff, der letztlich das Sagen über fast all diese Bereiche hat. Allerdings lassen die vergangenen Wochen nicht den Eindruck von allzu großer Selbstkritik zu.
Auf das desaströse Krisenmanagement im Fall Özil/Gündogan wegen deren Treffen mit dem türkischen Machthaber Erdogan reagierte Bierhoff live im TV mit Medienkritik und wollte erfolglos das Ende der Debatte verfügen.
Nachfragen zum umstrittenen WM-Quartier in Watutinki, dem sowohl Löw als auch DFB-Präsident Grindel skeptisch gegenüberstanden, kanzelte Bierhoff brüsk ab und sah sich im Recht.
Und von der offensichtlichen Kluft zu den Fans will Bierhoff auch nach dem WM-Debakel nichts wissen.
"Viele Dinge werden jetzt aus dem Zusammenhang gerissen, da wird auch von Entfremdung gesprochen. Aber wir haben hohe Einschaltquoten, großes Interesse, die Emotionalität - da sieht man, dass die Bindung da ist", meinte er.
Einsicht aber wäre vermutlich der erste Schritt zur Besserung.