Ganz neu war das Gefühl für Francis Onyeka nicht, als er am Dienstag beim Pokalspiel seiner Leverkusener gegen den SV Elversberg (3:0) auf der Bank Platz nahm. Bereits zweimal zuvor durfte der 17-Jährige aus Bayers Nachwuchs bei den Erwachsenen reinschnuppern - sowohl in der ersten Pokal-Runde beim Auswärtssieg in Jena als auch im Champions-League-Gastspiel bei Stade Brest. Für einen Einsatz reichte es da noch nicht.
Endlich ein Havertz-Nachfolger?
Doch nun war es endlich soweit: Trainer Xabi Alonso wechselte Onyeka, der als Toptalent der eigenen U19 gilt, kurz vor Schluss für Arthur ein und ermöglichte ihm seine ersten sieben Minuten bei den Profis, die er gleich zu nutzen wusste. Auffallend mutig agierte er, suchte immer wieder das Dribbling und setzte sich ein ums andere Mal durch. „Mein Motto war, nicht nachzudenken, einfach nur spielen“, schilderte der glückliche Debütant hinterher: „Das hat sich sehr gut angefühlt, ein schönes Erlebnis.“
Alonso lobt Leverkusens Top-Talent
An die Worte, die ihm Alonso in den Sekunden vor seiner Einwechslung mit auf den Weg gegeben hatte, konnte sich der von all den Eindrücken überwältigte Youngster zwar nicht mehr erinnern, „weil ich da schon so im Tunnel war“, verriet Onyeka lachend. Lob von höchster Stelle gab es dennoch. „Francis hat sich diese Chance verdient. Er agiert sehr, sehr dynamisch. An dieses Debüt wird er sich in Zukunft sicher erinnern. Wir haben gesehen, dass er eine große Entwicklung in der U19 hingelegt hat. Mit Flo (Florian Wirtz), Boni (Victor Boniface) und Grimaldo zu spielen, ist wichtig für ihn“, sagte der Spanier.
Dass Alonso ohnehin große Stücke auf Onyeka hält, zeigte er nicht zum ersten Mal. Im Sommer nahm er ihn mit ins Trainingslager und lässt den Mittelfeldspieler seither oft bei den Profis arbeiten. Dort fällt der gebürtige Gummersbacher als Box-to-Box-Spieler auf, der über einen guten Abschluss verfügt und zugleich spielintelligent sowie zweikampfstark ist. Dazu spielt Onyeka nicht nur im Verein, sondern auch in den deutschen Juniorenteams eine Rolle. Er durchlief seit der U15 alle Auswahlmannschaften - und soll jetzt einer sein, der in Leverkusen eine lange Sehnsucht stillt.
„Ein Spieler, auf den wir viele Hoffnungen setzen“
Schließlich trug die Nachwuchsschmiede lange Zeit keine Früchte, die von den Profis geerntet werden konnten. Wirtz kam vom 1. FC Köln und absolvierte nur vier Spiele für die Leverkusener Jugend. Davor war Kai Havertz, der 2016 debütierte, das letzte Eigengewächs, das den Sprung nach oben schaffte und zum Bundesligaspieler reifte. Seitdem herrscht absolute Flaute. Ein Problem, das Bayer lösen will - mit Onyeka als gutem Beispiel, der als Siebenjähriger zum Verein kam und zuletzt mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet wurde.
„Er ist ein Spieler, auf den wir viele Hoffnungen setzen“, äußerte sich Alonso bereits in der Vorwoche zu Onyeka, der längst nicht der einzige Nachwuchsmann mit großem Potenzial ist, wie Sportdirektor Simon Rolfes im April zu verstehen gab: „Du wirst nicht permanent in fertige Spieler investieren können.“ Vor allem aus dem aktuellen U17-Kader erhoffe man sich „einen Schub“. Bis zu zehn Nachwuchsspielern aus der Mannschaft traue man den Sprung zu den Profis zu.
Im Sommer kündigte Rolfes dann auch an, künftig deutlich stärker auf eigene Talente setzen zu wollen. „Wir haben aktuell nur zwei Spieler in unserem Kader, die aus unserer Nachwuchsabteilung kommen. Wenn wir unser aktuelles sportliches Niveau halten könnten, aber fünf, sechs, sieben, acht oder neun Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Kader hätten, wäre das fantastisch“, sagte der 42-Jährige in einem Gespräch mit dem englischen TV-Sender Sky Sports. „Ich denke, das würde dem ganzen Klub einen Push geben, was Entwicklung und Identität betrifft. Es ist ein langfristiges Projekt.“
Bayer will klubinterne Talente besser betreuen
Bei diesem Vorhaben befinde sich der Verein inzwischen auf einem guten Weg. „Wir machen in unserer Nachwuchsarbeit große Schritte nach vorne und haben viele U-Nationalspieler. Vor fünf Jahren hatten wir vielleicht zwei oder drei, jetzt sind es fast 20. Wir verbessern uns, aber wir müssen beweisen, dass wir in der Lage sind, unsere Talente zu entwickeln“, ergänzte Rolfes. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, hat Bayer im Oktober 2023 mit Jefta Bresser einen neuen Chef in die Jugendabteilung geholt, der einige alte Strukturen und Arbeitsweisen verändern soll.
Erste Ergebnisse scheinen die Maßnahmen zu zeigen. Das liegt nicht nur, aber auch an Debütant Onyeka, der genau weiß, worauf es jetzt ankommt. „Das Wichtigste für mich ist, geduldig zu sein, immer weiterzuarbeiten, damit ich - wenn die Zeit kommt - fokussiert bin“, stellte er klar. Gelingt ihm das, dürften bald weitere Einsätze für die Profis hinzukommen.