Es ist das berühmte Duell David gegen Goliath, wenn am Mittwochabend Drittligist Viktoria Köln den FC Bayern in der ersten Pokalrunde empfängt. (DFB-Pokal: Viktoria Köln - FC Bayern, 20.45 Uhr im LIVETICKER)
„Spiel ohne Lewy besser geworden“
Das Spiel geht erst jetzt über die Bühne, weil der Rekordmeister zum Zeitpunkt der 1. Runde im Supercup gegen RB Leipzig spielte. Der Rahmen am Mittwoch ist erstligatauglich, denn das Spiel findet im Rheinenergiestadion, der Heimat des 1. FC Köln, statt.
Vor der Partie spricht Viktorias Trainer Olaf Janßen im SPORT1-Interview über das Duell, Bayern-Coach Julian Nagelsmann und Robert Lewandowski. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan des DFB-Pokals)
SPORT1: Herr Janßen, wie fühlt es sich an, gegen den großen FC Bayern zu spielen?
Olaf Janßen: Es gibt eine schöne Geschichte dazu. Als ich vor anderthalb Jahren zur Viktoria gekommen bin, haben Franz (Sportvorstand Franz Wunderlich, d. Red.) und ich das ganze Ding in Sachen Philosophie und DNA auf den Kopf gestellt. Es war bisher eine wunderschöne Reise. Gerade in der vergangenen Saison haben wir einige wichtige Spieler verloren (unter anderem Mike Wunderlich, Schulz, Cueto, d. Red.) und am Ende der Runde haben unsere U19-Jungs über 7000 Spielminuten bekommen. Das war ein leidiger, aber schöner Weg mit dieser Krabbelgruppe. Gegen Fortuna Köln im Pokal-Finale standen zehn Profis und zwölf aus der U19 im Kader.
SPORT1: Kribbelt es bei Ihnen schon?
Janßen: Als das Los FC Bayern kam, dachte ich mir, es ist ein bisschen der verdiente Lohn für unsere Arbeit. Das haben meine Jungs sich verdient. Und es gibt es noch eine nette Geschichte zur Auslosung.
SPORT1: Erzählen Sie ruhig…
Janßen: An diesem Tag war ich auf Mallorca, um auszuspannen. Mittags schrieb mir Bruno (Bruno Labbadia, d. Red.), der dort ein Haus hat. Er fragte mich, ob ich abends um acht zum Paella-Essen vorbeikommen möchte. Ich schrieb ihm ‚Ich muss um sieben kommen, da ist die Auslosung und dann können wir das Los Bayern München feiern‘. Das ist logischerweise verbrieft durch meine Nachricht an ihn. (lacht). Ich freue mich tierisch auf dieses Spiel und jedem Viktorianer geht es genauso. Es ist etwas Außergewöhnliches, vor allem jetzt in der Situation, in der die Bayern gerade sind. Jeder sieht, wie die über den Platz fliegen. Und jetzt begegnen wir ihnen in einem Pflichtspiel. Das ist schon Wahnsinn. Es wird ein toller Moment, auf den ich mich sehr freue. Aber ich bin jetzt nicht extrem kribbeliger, weil ich dieses Spiel als Trainer ganz anders einordne.
SPORT1: Wieviel haben Sie bei Herrn Labbadia getrunken?
Janßen: (lacht) Nicht so viel. Natürlich haben wir auf das Los angestoßen, aber ich hatte gar keine Zeit zum Trinken, weil ich mich um mein Handy kümmern musste. Das hat an dem Abend geglüht.
SPORT1: In der Liga ist Viktoria im Soll, am vergangenen Spieltag gab es gegen 1860 München ein 1:1. Wieviel Selbstvertrauen geben die aktuellen Auftritte in der Liga für das Duell mit den Bayern?
Janßen: Super viel Selbstvertrauen. Wir hatten in der vergangenen Saison nach neun Spielen fünf Punkte, jetzt haben wir nach sechs Partien zehn Zähler. Das fühlt sich natürlich komplett anders an. Und das war unser Ziel vor dieser Saison, dass wir diese Schmerzen nicht mehr haben wollen. Wir haben gegen 1860 gesehen, dass wir dem stärksten Team der Liga Kontra bieten können. Wenn ich mir Bayern als Gegner zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr hätte vorstellen müssen, dann fühlt es sich jetzt anders an. Und das ist gut so. (NEWS: Alle aktuellen Infos zum DFB-Pokal)
SPORT1: Wie sieht Ihr Plan gegen die Bayern aus?
Janßen: Wenn wir rein an das Ergebnis denken und so, wie die Bayern drauf sind, müssten wir uns alle in den Sechzehner reinstellen und einen Antrag auf zwei Torhüter stellen. Und dann schauen wir mal, dass wir nicht zweistellig vom Platz gehen. Der Europa-League-Sieger (Eintracht Frankfurt, d. Red.) hat sechs Stück bekommen, Bochum sieben, gegen Gladbach hätten es gefühlt auch acht sein können. Wir werden uns nicht hinten reinstellen, denn ich werde meine Mannschaft gegen Bayern nicht vergewaltigen. Wir werden nicht alles über Bord werfen, für das wir stehen. Wir werden gegen den Ball agieren, das heißt die Bayern haben die Kugel und wir wollen trotzdem bestimmen, wohin der Ball gespielt werden darf. Wenn wir ihn haben, wollen wir versuchen, den Bayern weh zu tun.
SPORT1: Nach dem 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach wurde schon wieder geschrieben, dass Robert Lewandowski den Bayern doch fehlt. Was denken Sie?
Janßen: Ja, Lewandowski fehlt Bayern, aber zu ihrem Vorteil. Ich habe mir alle fünf Pflichtspiele der Bayern ausführlich angesehen und man spürt vor allem eins. Julian (Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, d. Red.) und die Bayern haben total zusammengefunden. Es hat anfangs etwas gehakt mit seinem Positions- und Ballbesitzspiel und seiner Überzeugung taktische Abläufe in seine Mannschaft reinzubringen. Ich will das nicht an Lewy festmachen, aber das, was man feststellen kann, ist, dass die Bayern jetzt deutlich flexibler sind und die Truppe vieles mehr verinnerlicht hat. Julian hat sich bestimmt mehr hinterfragt und geht gewisse Dinge jetzt anders an. Das sieht man total. Sie sind inzwischen brutal schwer zu verteidigen. Durch diese Flexibilität sind die Bayern sehr variabel. Und das ist das Spiel von Julian. Das Spiel ist ohne Lewy besser geworden.
SPORT1: Sollte sich Nagelsmann aber auch etwas bremsen in seinen offenen und direkten Statements? Dafür wurde er zuletzt kritisiert.
Janßen: Ich bin ein paar Tage älter als Julian und es ist bei diesem Thema für mich nur ein Punkt wichtig: Julian muss authentisch bleiben. Das ist ganz entscheidend. Und das tut er. Natürlich eckt Julian auch mal an, aber wenn man als Trainer versucht irgendwelchen Klischees gerecht zu werden oder sich zurück zu nehmen, wird es am Ende des Tages nicht zielführend sein. Klare Kante finde ich bei Julian besser. Wichtig ist, sich immer wieder zu reflektieren. Julian ist schlau genug, als dass er nicht weiter dazu lernen möchte. Er wird sich niemals verstellen. Julian ist viel zu gut dazu. Er sollte als Trainer weiter nach dem Maximalen streben. Er ist dafür im richtigen Verein und hat eine tolle Mannschaft am Start. Julian spielt keine Spielchen.
SPORT1: Sadio Mané ist schon jetzt ein Fixpunkt bei Nagelsmann. Er soll am Mittwoch eine Pause bekommen. Ist es Ihnen eigentlich egal, ob er spielt oder geschont wird?
Janßen: Natürlich finde ich es nicht schlimm, wenn Mané nicht spielt. Das Problem ist nur, dass dann Gnabry spielen wird. (lacht) Und dann ist es mir egal, weil dann vielleicht Musiala reinkommt oder was weiß ich. Mané oder Gnabry? Das kann ich locker wegschmunzeln. Ich habe auch meinen Jungs gesagt, dass sie sich keine Gedanken machen sollen, welcher Name da steht, die Inhalte werden sich bei den Bayern nicht ändern. Und die Qualität auch nicht.
SPORT1: Ist es eigentlich ein Nachteil, dass das Spiel nicht im kuschligen Höhenberg stattfinden wird, sondern im Stadion des 1. FC Köln?
Janßen: Jein. Das Stadion in Höhenberg ist unsere Heimat und darauf sind wir auch stolz. Alle fühlen sich dort super wohl. Aber wir hätten jetzt in diesem Fall mehr als 40.000 Zuschauern nicht das Vergnügen bieten können, live dabei zu sein. Deshalb war die Entscheidung total richtig. Jetzt haben wir 50.000 Leute glücklich gemacht.
SPORT1: Können Sie sich eigentlich an einen besonderen Bayern-Moment erinnern?
Janßen: Oh ja. Ich habe eine ganz besondere Erinnerung an die Bayern. Es war das beste Spiel in meiner Karriere. Das war in der Saison 1990/1991. Ich war damals beim 1. FC Köln. Wir spielten daheim gegen die Münchner und galten vorher als chancenlos. Doch dann haben wir die Bayern mit 4:0 geschlagen und ich habe zwei Tore vorbereitet und eins selber gemacht. Anschließend war ich im Sportstudio. Der Clou bei der ganzen Sache: Ich bin in der 80. Minute ausgewechselt worden und der Einwechselspieler war Franz Wunderlich, der sein erstes Bundesligaspiel machte.
SPORT1: Für das Spiel bekommt die Viktoria unabhängig des Spiel-Ausgangs 500.000 bis 600.000 Euro an Einnahmen. Das sind zwei, drei gute Spieler, oder?
Janßen: Die Zahl werde ich nicht kommentieren. Fakt ist: Mit dem Geld können wir auf jeden Fall weiter gut arbeiten. Wir weihen nächste Woche einen neuen Trainingsplatz ein, der für rund eine Million Euro neu gebaut wurde und Bundesliga-Niveau hat. Dazu noch zwei top Rasenplätze und eine ganz neue VIP-Area. Davon können einige Drittligisten nur träumen. Dazu kommt ein neuer Kraftraum, der auch Bundesliga-tauglich ist. Wir wollen uns also weiter verbessern, um konkurrenzfähig zu sein.
SPORT1: Gibt es am Mittwoch die Sensation?
Janßen: Die Sensation ist so unrealistisch, wie sie vorher noch nie war. Das schätzen wir ganz realistisch ein. (lacht) Aber ich habe meinen Jungs die Frage gestellt ‚Gibt es eine theoretische Möglichkeit die Bayern zu schlagen?‘ Und da gab es die Antwort ‚Das ist sehr unrealistisch ist, aber natürlich gibt es diese Chance.‘ Und wenn die nur im Promille-Bereich liegt. Wir werden daran glauben. Das sind wir uns und allen Zuschauern und Menschen daheim schuldig. Am Ende des Tages ist es ein K.o.-Spiel - auch für den FC Bayern. Ich lasse mich mal überraschen.
SPORT1: Was würden Sie sich wünschen?
Janßen: Am Ende des Spiels würde ich mir wünschen, dass ich Szenen habe - mit und gegen den Ball - wo ich sagen kann ‚Damit haben wir die Bayern beschäftigt.‘ Das Ziel für uns muss sein, den Menschen im Stadion und am Fernseher zu zeigen, dass bei der Viktoria etwas beginnt zu wachsen. Dieser Mut und diese Überzeugung sollen etwas Besonderes bleiben. So ein Spiel werden meine Spieler wohl nie wieder erleben. Meine Jungs sollen mit einem Grinsen im Gesicht auf den Platz gehen und mit einem Grinsen im Gesicht wieder runter.