Zu sagen, dass Josephine Henning nach der Karriere als Fußballerin zur Künstlerin wurde, ist nichts weiter als ein Blick von außen. Henning kennt den bestens und erklärt, sie verstehe das Bedürfnis von Menschen, Schubladen zu nutzen, um andere für sich verständlich zu machen. Ihrem eigenen Empfinden entspricht das nicht, denn beides, Fußball und Kunst, haben immer zu ihr gehört. Was sich verändert hat, ist letztlich nur die Zeit, die sie jeweils investiert.
Warum Henning so früh aufhörte
Durch ihre Eltern, Schauspieler und Theatermalerin, lernen Henning und ihr jüngerer Bruder die Welt hinter den Brettern, die die Welt bedeuten, von klein auf kennen: Musik, Schauspiel, Farben, Gesang. „Es waren Sachen, die für mich normal waren, wie so ein Riesenspielplatz.“ Zudem ermuntern die Eltern ihre beiden Kinder, offen an Themen heranzugehen, sich nicht zu beschränken. So existieren Kultur, Fußball und vieles mehr nebeneinander.
Internat als Chance und Herausforderung zugleich
Mit 15 wechselt die gebürtige Mainzerin, die vor allem in Trier aufgewachsen ist, zum 1. FC Saarbrücken, pendelt zunächst und wechselt zur zweiten Saison ins Internat. Es ist der erste Platz überhaupt für eine Fußballerin und für Henning zugleich Chance und Herausforderung. Als Spielerin stellt sie fest, was für andere selbstverständlich ist, funktioniert für sie weniger.
Gemeinsame Stunden neben den Trainings, Abende mit den Teamkameradinnen – all das ist ihr zwar nicht fremd. Doch sie braucht mehr Zeit für sich, um ihre Gedanken fliegen zu lassen, zu malen, sich mit Dingen neben dem Fußball zu beschäftigen.
Alle Facetten zu vereinen, die sie an sich spürt, ist herausfordernd. Die Profikarriere möchte sie, trotz frühen Verletzungen, um jeden Preis, zugleich merkt sie, dass sie sich dafür in ihrer Kunst beschränken muss.
Henning: „Dann höre ich sofort auf mit Fußball“
Sie spürt, dass sie sich selbst daran hindern muss, alles von sich in die Malerei zu geben: „Ich kann mich nicht ganz verlieren, weil, dann höre ich nicht mehr auf, dann höre ich sofort auf mit Fußball.“
Diese Möglichkeit eröffnet sich immer wieder, wenn Ärzte erklären, mit Vernunft würde sie die Fußballschuhe an den Nagel hängen. „Rational hätte ich gar nicht diese Karriere haben dürfen.“ Doch sie lässt sich ihre Träume nicht nehmen, auch nicht von ihrem Körper. „Sch**** erlebt, Lösungen gesucht, erst die falsche wahrscheinlich, irgendwann eine richtige – und je mehr man schlechte und schlimme Sachen erlebt, umso älter wirst du auch im Kopf.“
Ein Teil von ihr sei längst eine 90-jährige Omi, scherzt sie und gesteht, die Angst, dass der Körper dem Druck nicht standhalte, habe ihre Karriere begleitet. Bis der schließlich wirklich signalisiert: Ich habe bis hierhin mitgemacht, jetzt ist es Zeit, die Sache zu beenden.
So regelte Henning ihr Karriere-Ende
Anfangs will Henning, die damals bei Arsenal unter Vertrag steht, das nicht wahrhaben. Vier deutsche Meisterinnenschaften, vier Champions-League-Titel, der DFB-Pokal und der Pokal in Frankreich, eine französische Meisterschaft, ein EM-Titel und die olympische Goldmedaille stehen in ihrer Vita. Nun soll mit Ende zwanzig Schluss sein? Das fühlt sich dramatisch an.
„Ich habe einfach über Nacht meinen Jeep gepackt, bin nach Hause gefahren und habe gesagt, ich möchte einen Auflösungsvertrag. Es ging nicht anders“, erinnert sie sich – und stellt die Frage, wie anders man etwas loslassen solle, das man so liebt, von dem das eigene Leben so bestimmt war. Lachend schiebt sie hinterher: „Die waren mir auch nicht böse. Die haben sich wahrscheinlich gedacht: Ist besser so. Du kommst ja sowieso nur verkleckst.“
- „Flutlicht an. Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.
Als TV-Expertin weiter im Fußball unterwegs
Fünf Jahre wird das im Frühjahr her sein – und damit genau die Zeit, die Henning sich gegeben hat, um herauszufinden, was alles zu ihrem Leben gehören, wohin der Weg gehen soll. Neben der Arbeit in der Kunst ist sie als TV-Expertin weiter im Fußball unterwegs, gehört wie Tabea Kemme oder Almuth Schult zu den Spielerinnen ihrer Generation, die sich klug und offen zu Themen gerade im Fußball der Frauen äußern, Veränderungen mit anschieben wollen.
Mit Anja Mittag hat sie den Podcast „Mittag‘s bei Henning“ gegründet, in dem die beiden vom Karriereende über Fußball und Elternschaft und sexistische Kommentare in den sozialen Medien alles, was sie bewegt, ohne Filter besprechen.
Man könne ihr natürlich vorwerfen, dass sie sich nicht festlege, sinniert Henning beim Blick auf ihre vielen Tätigkeiten. Man kann das aber auch positiv annehmen und sagen: Sie ist ein Mensch mit vielen Facetten. „Es kann alles inspirierend sein. Und deswegen ist es schade, sich auf eine Sache zu versteifen.“
„Flutlicht an!“ geht in die Winterpause, neue Folgen gibt es ab dem 24. Januar.