Der Deutsche Fußball-Bund ist in einer schwierigen Lage, mal wieder. Weil Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg krankgeschrieben ist, stockt die notwendige Aufarbeitung der WM mit dem historischen Vorrunden-Aus. Der Verband will seine kranke Mitarbeiterin schützen, was richtig und wichtig ist. Gleichzeitig drängt im sportlichen Wettbewerb die Zeit. Denn das Team möchte sich über die Nations League für die Olympischen Spiele 2024 qualifizieren.
Das ist ein schlechtes Signal
Trotz des raschen Treuebekenntnisses von DFB-Präsident Bernd Neuendorf wird seit Wochen diskutiert, ob es überhaupt klug ist, mit Voss-Tecklenburg weiterzumachen. Nicht zum ersten Mal ist die Rede von kommunikativen Dissonanzen sowohl innerhalb des Staffs als auch mit dem Team. Nun sah der DFB sich zum Handeln gezwungen - und präsentiert Horst Hrubesch als Interimslösung auf dem Posten. Es ist eine Geschichte, die sich wiederholt.
Bereits nach der Trennung von der glücklosen Bundestrainerin Steffi Jones 2018 zauberte der Verband Hrubesch als vorübergehende Nachfolgelösung aus dem Hut. Damals kam das völlig überraschend. Er war zwar längst als „Mann für alles“ bekannt, mit dem Fußball der Frauen brachte ihn aber niemand wirklich in Verbindung.
Hrubesch ein Fan des Frauen-Fußballs
Doch das einstige Kopfballungeheuer richtete ein völlig verunsichertes Team wieder auf, beginnend damit, im Training zurückzugehen zu absoluten Basics: Taktisches Stellen Elf gegen Elf ohne Ball. Bei den Spielerinnen traf er den richtigen Ton und gab ihnen binnen kürzester Zeit die Leichtigkeit zurück. So gelang die Qualifikation für die WM 2019.
Nebenher tat ausgerechnet der selbst Spätberufene mit deutlichen Aussagen viel Gutes für das Image der kickenden Frauen. Hrubesch, der positiv dafür bekannt ist, im Gegensatz zu vielen anderen seiner Generation auch dem oft mit Laptop gerüsteten Nachwuchs seiner Zunft offen gegenüberzustehen, wurde nicht müde zu wiederholen: Fußball ist Fußball. Die Frauen lobte er über den grünen Klee, über ihre Selbständigkeit im Vergleich mit dem jungen männliche Nachwuchs war er offenbar selbst hin und wieder überrascht.
Wenn der DFB den Veteranen nun erneut um Hilfe in Sachen Trainerfrage bei den Frauen bittet, lässt sich das sicher über die gemeinsame Vergangenheit erklären. Deutlicher könnte man sagen: Vermutlich war dem Team niemand vermittelbar außer Hrubesch, der abermals Thomas Nörenberg im Gepäck hat. Der war länger im Staff der DFB-Frauen verblieben als Hrubesch - und gilt als wichtiges Schräubchen für Kommunikation und Binnenverhältnis.
So kann ein Verband auf Dauer nicht arbeiten
Die Spielerinnen haben zuletzt keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Klarheit möchten, wenn es um eine Besetzung des Trainer*innen-Postens geht. Eine Zwischenlösung bietet genau diese erbetene Klarheit aber nicht. Das ist ein schlechtes Signal, zumal im Bereich Frauen weiterhin auch der Direktionsposten nicht besetzt ist, während beim Nachwuchs Hannes Wolf, bei den Männern Rudi Völler besetzt wurden. Letzterer ebenfalls als eine Interimspersonalie. So kann ein Verband aber auf Dauer nicht arbeiten.
Hrubeschs Verdienste als Spieler und Trainer sind unbestritten, sein gutes Verhältnis zu einigen Spielerinnen mag ihn zur logischen Wahl in der unmöglichen Situation machen. Dafür spricht auch, dass DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig mit Führungsspielerinnen das Gespräch gesucht hat. Allerdings sind seit der letzten Amtszeit des Retters schon wieder fünf Jahre ins Land gezogen. Im Fußball eine halbe Ewigkeit.
Auch die erfolgreiche EM 2022 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entwicklung dieses Teams seither holprig verlaufen ist. Die Rückkehr des Sympathieträgers kauft dem Verband Zeit, um über zwei wichtige Posten zu entscheiden. Allzu viel davon sollte der Verband sich aber nicht mehr nehmen. Das Team hat es verdient, sich so bald wie möglich wieder ganz auf Fußball konzentrieren zu können.