Während hierzulande die EM brummt, ist Alphonso Davies auch auf der anderen Seite des Atlantiks vor den Gerüchten um seine Zukunft nicht sicher. Dabei schreibt der Linksverteidiger des FC Bayern mit Kanadas Nationalmannschaft bei der Copa América in den USA gerade ein Stück Fußballgeschichte.
Tanz auf der Rasierklinge
Der 1:0 (0:0)-Erfolg über Peru in der Hitzeschlacht im Children‘s Mercy Park von Kansas City bedeutete nicht nur den ersten Turnier-Erfolg einer kanadischen Nationalmannschaft über ein südamerikanisches Team seit 24 Jahren - damals hatte es ein 2:0 über Kolumbien beim Goldcup 2000 gegeben.
Er bedeutet auch, dass die Tür zum Viertelfinale bei der Copa América in den USA für Kanada weit offen steht. Im letzten Gruppenspiel gegen die bislang noch sieglosen Chilenen würde Kanada in der Nacht auf Sonntag (02.00 Uhr MESZ) in Orlando ein Remis zum Einzug in die Runde der letzten Acht reichen.
Davies geht Zukunftsfrage aus dem Weg
Trotz der anhaltenden Gerüchte und Wasserstandsmeldungen über einen möglichen Wechsel zu Real Madrid oder einer Vertragsverlängerung bei den Bayern präsentiert sich Davies in den USA bislang voll fokussiert. Der Topstar zieht bei allen kanadischen Auftritten das Medieninteresse auf sich, geht der ungeklärten Zukunftsfrage aber - so gut es geht - aus dem Weg.
Dass er trotz seiner erst 23 Jahre dabei als Kapitän fungiert, zeigt das Vertrauen, das Cheftrainer Jesse Marsch in seinen einzigen Weltklassespieler im Team setzt.
Der frühere Coach von RB Leipzig stimmt sich mit Davies gelegentlich auch am Spielfeldrand ab. Der sauber herausgespielte Treffer von Jonathan David (73.) gegen Peru war das erste kanadische Tor, nachdem Marsch im Mai die Auswahl Kanadas übernommen hatte.
Unmittelbar vor dem Turnier hatte sich Davies zu seiner Zukunft geäußert, sich alle aber alle Optionen offengelassen. „Mein Hauptfokus liegt im Moment auf meiner Nationalmannschaft - ich möchte meiner Mannschaft helfen, bei diesem Turnier weit zu kommen“, sagte Davies vor dem Eröffnungsspiel gegen Argentinien. „Ich werde darüber nachdenken, wenn das Turnier hinter uns liegt.“
Danach schwieg er zu allen Gerüchten. Es ist der Versuch, die Spekulationen nicht weiter an sich heranzulassen.
Und dennoch: Auch wenn der Bayern-Star die Gerüchte um seine Zukunft abwiegelt - er befeuert sie gleichermaßen, ob er will oder nicht. Es wirkt wie ein Tanz auf der Rasierklinge - Ausgang im Transfer-Poker? Ungewiss.
Real oder Bayern: Was macht Davies?
Noch im April schien es so, als gingen Davies gerade hinsichtlich seiner Verhandlungsposition mit dem deutschen Rekordmeister die Argumente aus.
Das lag nicht zuletzt daran, dass der pfeilschnelle Defensivmann trotz höchst wechselhafter Leistungen deutlich mehr Geld forderte, wie SPORT1 erfahren hatte. Folge: Die Bayern wollten eine baldige Entscheidung anstatt eine Hinhaltetaktik über Monate - die Zeichen auf einen vorzeitigen Abgang verdichteten sich immer mehr.
Nun hat sich die Gemengelage möglicherweise entscheidend geändert. Bei Bayern ist mit Vincent Kompany ein neuer Trainer im Amt, der Davies laut Sky gerne behalten und zurück auf sein altes Leistungsniveau bringen will.
Allerdings hat der Umschwärmte zuletzt bei den Real-Scouts angeblich großen Eindruck hinterlassen, wie die AS berichtete. Das Kapitel Davies und Real sei noch nicht geschlossen. Das Thema wird den Linksverteidiger wohl noch eine ganze Weile begleiten.
Davies überzeugt gegen Argentinien
Beim Turnierstart gegen Weltmeister Argentinier gab es eine höchst überzeugende Vorstellung des Kanadiers zu sehen. Davies gelang es ein ums andere Mal, mit seinen Tempoläufen die argentinische Hintermannschaft vor Probleme zu stellen, doch am Ende fehlte im ausverkauften Mercedes-Benz Stadium in Atlanta der entscheidende Schlag.
Argentinien legte im zweiten Durchgang zu und gewann durch Treffer von Julian Alvarez (49.) und Lautaro Martinez (88.) mit 2:0. Zumindest konnte Davies seiner privaten Messi-Trikot-Sammlung ein weiteres hinzufügen.
„Auf dem Platz zu stehen und gegen ihn zu spielen, ist wirklich ein Segen“, sagte der Bayern-Star nach dem Spiel. „Wir sind mit viel Selbstvertrauen in das Spiel gegangen und haben auch so gut gespielt, obwohl wir das Spiel verloren haben.“
Als Linksverteidiger noch mehr Dampf
In Spiel zwei ließ Marsch seinen wichtigsten Akteur zunächst deutlich offensiver agieren. Offenbar ein Versuch, Davies Stärken in der Offensive noch stärker zur Geltung zu bringen, doch Kanada tat sich im ersten Durchgang gegen Peru schwer.
Mit Gesten und Anfeuerungsrufen versuchte Davies, Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Das gelang ihm erst besser, als ihn der Trainer im zweiten Durchgang wieder auf seine angestammte Position als offensivstarker Linksverteidiger setzte.
Kanada profitierte auch von einer Roten Karte gegen Miguel Araujo (59.) nach einem üblen Tritt gegen Jacob Shaffelburg. Den umkämpften Sieg kommentierte Davies auf Instagram: „Ein harter Kampf heute, aber wir haben unseren Job erledigt.“
Im anderen Spiel der Gruppe A bezwang Weltmeister Argentinien am Abend Chile mit 1:0 durch einen späten Treffer von Lautaro Martinez (88.). Dadurch braucht das bislang sieglose Chile im Duell gegen Kanada unbedingt einen Sieg, um doch noch ins Viertelfinale der Copa América einzuziehen. Dorthin will aber auch Davies.
Kanada hat nächsten Meilenstein im Blick
Nach der ersten Qualifikation für eine Copa América und dem ersten Copa-Sieg wäre das ein weiterer Meilenstein für den kanadischen Fußball beim Testlauf für die WM 2026 in den USA, in Mexiko und im eigenen Land.
Und für den FC Bayern würde dies bedeuten: Er müsste noch ein paar Tage länger auf die Entscheidung von Davies warten.