Der 1. FC Heidenheim entdeckt auf seiner Europareise im Rahmen der Conference League immer wieder Neuland. Am Donnerstagabend geht es für den Bundesligisten in den Tynecastle Park nach Edinburgh - wo der Traditions-Klub Heart of Midlothian zu Hause ist.
Der Test, den Bayern nicht bestand
Die Schotten sind mit zwei Siegen gegen Dinamo Minsk und Omonia Nikosia nicht nur optimal in den Wettbewerb gestartet, sondern haben auch eine äußerst interessante Historie vorzuweisen.
Der wohl größte internationale Coup gelang dem Team am 28. Februar 1989. Damals ging es im Viertelfinal-Hinspiel des UEFA-Pokals vor 26.294 begeisterten Fans gegen den FC Bayern. Zum Mann des Tages wurde Iain Ferguson, der das 1:0 mit einem spektakulären Freistoß erzielte - und den Underdog-Klub in Ekstase versetzte. Zwar verloren die Hearts das Rückspiel mit 0:2, dennoch prägte die Partie die Vereinshistorie nachhaltig.
Colquhoun erklärt das Phänomen Heart of Midlothian
Zum siegreichen Team gegen die scheinbar übermächtigen Bayern gehörte auch der ehemalige schottische Flügelspieler John Colquhoun. Der 61-Jährige hat noch immer beste Erinnerungen an die Europa-Pokal-Schlachten von damals.
„Ich kann den Lärm noch immer hören. Tynecastle ist heute immer noch genauso vollgepackt mit den Tribünen auf beiden Seiten, und damals waren die meisten Plätze Stehplätze und nicht Sitzplätze. Die europäischen Abende in Tynecastle waren etwas Besonderes. Die Fans und Spieler liebten sie. Nach dem Tor von Iain Ferguson war der Lärm jenseits der gesunden Dezibel-Grenze“, schwärmte er im Gespräch mit dem Kicker.
Colquhoun erinnert sich zudem lebhaft an einen Trikot-Tausch mit Klaus Augenthaler, der ein Jahr später die WM gewinnen sollte. „Ich habe nicht mehr viele Trikots, die ich getauscht habe, weil ich sie für wohltätige Zwecke losgeworden bin, aber das Augenthaler-Trikot, ein klassisches Bayern-Trikot ohne Logo, werde ich meinen Enkeln schenken“, schilderte er.
Die Bayern waren im Übrigen nicht die einzigen, die mit der besonderen Atmosphäre im Tynecastle Park ihre Probleme hatten. Ein Jahr später war beispielsweise Atlético Madrid mit einer 1:2-Pleite fällig. Es benötigt schon eine gute Portion an Charakter, um beim schottischen Underdog bestehen zu können.
Das hat sich bis heute nicht geändert und dürfte auch für Heidenheim zur besonderen Challenge werden.
Hearts taumeln in der Liga: Ein Team für besondere Abende
Dabei haben die Hearts bislang eine äußerst unrunde Saison durchlebt. In der Liga ist das Team auf dem vorletzten Platz vorzufinden und hat einen Trainerwechsel hinter sich. Die zwei Siege in der Conference League zeigen aber, dass sie an besonderen Abenden mehr als nur um einen Gang hochschalten können.
„Jede Mannschaft aus der Bundesliga ist in der Regel besser als die aus der schottischen Premiership“, erläuterte Colquhoun - wenngleich der jüngste Erfolg der Celtics gegen Leipzig eine andere Sprache spricht. Der frühere Hearts-Star freut sich auf einen fesselnden Abend, der jedoch keineswegs einfach wird. „Heidenheim wird also schwer zu besiegen sein. Ich bin aber sicher, dass die Fans und die Mannschaft der Hearts ihnen vollen Respekt zollen werden“, führte er aus.
Für die Heidenheimer wird es darum gehen, sich von der speziellen Atmosphäre nicht verunsichern, sondern inspirieren zu lassen.
„Ich liebe das. Diese Menschen, diesen Fußball, diese Atmosphäre“, sagte sich Coach Frank Schmidt bei RTL voller Vorfreude. Ab 21 Uhr (LIVE im Ticker bei SPORT1) wird sich zeigen, ob sein Team anders als die Bayern vor 35 Jahren den Charakter- und Nerventest bestehen.