Gefeiert wurde in Heidenheim am Donnerstagabend ordentlich. Doch einer sprach erst, als sich der ganze Freudentaumel der Fans schon aus der heimischen Voith-Arena ausgelagert hatte: Paul Wanner.
Das Fußballmärchen ist perfekt
Nachdem Trainer Frank Schmidt seine Pressekonferenz absolviert hatte und einige Spieler schon in vorzeigbaren Straßenklamotten auf dem Weg zu ihren Autos waren, schlich Wanner aus dem medizinischen Kontrollraum.
Das 18-jährige Juwel, ausgeliehen vom großen FC Bayern, musste noch zur Doping-Probe.
Europa-Held Wanner bleibt zurückhaltend
Auf die Frage, ob seine Leistung schlicht zu gut gewesen sei - beim 3:2-Erfolg über den BK Häcken und dem somit gleichbedeutenden Einzug in die UEFA Conference League -, musste der zurückhaltende Junge mit der Zahnspange grinsen und scherzte am SPORT1-Mikrofon: „Das weiß ich nicht. Ich bin froh, dass ich das hinter mir habe. Jetzt freut sich die ganze Mannschaft, dass es nach Europa geht.“
Der Trainer war von seinem Schützling jedenfalls hellauf begeistert: „Paul ist ein richtig guter Fußballer, er tut uns richtig gut.“
Immerhin rettete Wanner den FCH nicht nur vor der Verlängerung in den Playoffs, sondern schickte sie mit seinem Tor zum zwischenzeitlichen 2:2 und dem darauffolgenden Assist auf Matthias Honsak, der in der Nachspielzeit mit dem 3:2 die Osttribüne in der Voith-Arena durchdrehen ließ, ins internationale Geschäft - wo unter anderem der FC Chelsea wartet, wie die Auslosung am Freitag ergab.
Schon vor dem Spiel war dort ein Banner zu sehen, eine Zusammenstellung aus einem Flugzeug, Schiff und Bus, untertitelt mit den Worten: „Und dann ziehen wir durch Europa.“ Ja, tatsächlich. Die Kleinstadt an der Brenz mit 50.000 Einwohnern spielt künftig europäischen Fußball.
Heidenheim: Aus der Oberliga nach Europa
„Ich freue mich für den Verein, die Mannschaft, aber vor allem für die Menschen der Stadt, dass wir ihnen mindestens sechs weitere Spiele in Europa schenken konnten. Es geht um Emotionen, um die Menschen. Die Reise in den letzten Jahren war unglaublich“, freute sich Frank Schmidt am SPORT1-Mikrofon. So losgelöst und ausgelassen erlebte man den 50-Jährigen selten.
Zu viel hatte Schmidt bei Heidenheim schon erlebt: den Durchbruch von der Oberliga Baden-Württemberg bis in die Bundesliga, nun den Einzug in die Conference League. Besonders kurios dabei: Der entscheidende Mann, Paul Wanner, war bei Schmidt Amtsantritt auf der Trainerbank der Schwaben exakt ein Jahr alt.
Schmidt will in Heidenheim aber weiterhin zur Zurückhaltung aufrufen, nicht nur, aber besonders bei Paul Wanner. Auch seine Mitspieler sorgen sich um ihn, ein exemplarisches Beispiel dafür nach rund 73 Minuten.
Mitspieler sorgen um „Super-Bubi“
Wanner war unmittelbar vor der Heidenheimer Bank kniehoch umgelegt worden, es war der Startschuss einer Massenrauferei, bei der sich nicht nur Offensiv-Star Leo Scienza zu handfesten Schubsern und ernsten Mahnungen an Gegenspieler hinreißen ließ, für die er Gelb sah.
Klar ist: Man will in Heidenheim seinen Super-Bubi schützen.
Nicht allzu einfach bei dessen kometenhaftem Aufstieg. Noch in der vergangenen Saison hatte der Edeltechniker Wanner beim SV Elversberg die zweite Liga aufgemischt, präsentierte sich nun bereits zum Bundesliga-Auftakt mit einem Tor gegen St. Pauli am ersten Spieltag in beeindruckender Frühform – und will jetzt Europa erobern.
„Ich versuche nur mein Bestes zu geben. So wird das auch in Europa sein. Wir werden versuchen so viele Spiele, wie möglich zu gewinnen“, übte sich der 18-Jährige bei SPORT1 noch in Demut. Ob er trotzdem feiere?
„Ja, aber nicht zu viel“, lächelte er verschmitzt, den Party-Ton würden andere angeben, „die ein bisschen mehr Erfahrung im Geschäft haben“.
Party-Begrenzung von Schmidt
Frank Schmidt, und das ist kein Scherz, gestand seinen Spielern am Donnerstagabend ohnehin nur eine Stunde Feierei zu. Am Sonntag (ab 15.30 Uhr im SPORT1-Liveticker) würde ja bereits wieder der FC Augsburg warten.
Lob kam derweil auch schon aus München. Sportvorstand Max Eberl führte am Donnerstag auf der Pressekonferenz der Bayern aus: „Paul Wanner hat schon in Elversberg eine tolle Entwicklung genommen. Wir wollten mit ihm den nächsten Schritt machen. Heidenheim ist eine fantastische Plattform, wo sich Paul entwickeln kann.“
So dürften Eberl und Co. auch am Sonntag wieder ganz genau hinschauen. Denn in Heidenheim reift gerade ein 18-jähriges Juwel heran, das sich fortan auch auf der europäischen Bühne beweisen darf.