Weit nach Mitternacht kam Minjae Kim als letzter Spieler des FC Bayern aus der Kabine und wirkte überrascht, dass die wartenden Reporterinnen und Reporter gerade von ihm ein Statement zum Spiel haben wollten.
So weckte Kompany das Monster
Fast schüchtern erklärte der Koreaner auf Englisch: „Ich bin sehr stolz, schließlich ist es mein erstes Tor in der Champions League. Ich bin außerdem sehr froh, dass wir drei Punkte geholt haben.“ Man merkte sofort: Kim ist sein momentaner Erfolg fast ein wenig peinlich. Dabei ist er jetzt endlich wieder im Monster-Modus und wird seinem Spitznamen aus seiner Zeit in Italien gerecht.
Der 28-Jährige ist zurückhaltend, große Worte sind nicht seine Sache. Das hat er mit seinem Abwehrkollegen Dayot Upemecano gemein – auch der Franzose hält sich neben dem Platz lieber im Hintergrund.
Dabei hätten beide Innenverteidiger jetzt Gelegenheit, sich auch an den Mikrofonen zu freuen und vielleicht sogar so manchen Kritiker in die Schranken zu weisen. Denn nach all der berechtigten Kritik in der vergangenen Rückrunde erleben beide jeweils ihre vielleicht beste Phase beim FC Bayern. Gegen PSG erhielten Kim und Upamecano die SPORT1-Note 1.
Eberl ist der Anwalt der Abwehr
Dass die beiden aktuell liefern und großen Anteil daran haben, dass der FC Bayern in den vergangenen sieben Partien jeweils zu Null spielte, ist nicht nur deren eigenes Verdienst. Auch Trainer Vincent Kompany und Sportvorstand Max Eberl haben offenkundig viel richtig gemacht. Gerade der Bayern-Boss tritt seit Saisonbeginn als Anwalt seiner Schützlinge auf und verteidigte sie unter anderem nach der 1:4-Pleite in Barcelona mit Händen und Füßen.
„Ich habe das damals schon etwas emotional nach der Niederlage [in Barcelona], die uns wehgetan hat, gesagt: Mir ist es zu einfach, bei Gegentoren nur auf die Abwehr zu schauen“, sagte Eberl nach dem 1:0 gegen PSG auf Nachfrage von SPORT1 und lobte beide Innenverteidiger, aber auch die ganze Mannschaft für ihr „gemeinschaftliches Verteidigen“. Auch betonte er, dass der Höhenflug der Abwehr nicht erst seit Kurzem zu beobachten sei.
De Ligt ist vergessen
Dabei war ihm durchaus ein gewisses Gefühl der Befriedigung anzumerken. Denn die Leidenschaft, mit der er die beiden Abwehrspieler in den vergangenen Monaten immer wieder verteidigt hatte, war auch ein Risiko für ihn. Schließlich war er es, der den bei den Fans so beliebten Matthijs de Ligt Richtung Manchester United ziehen ließ und voll auf das Duo aus Kim und Upamecano setzte.
Eine Maßnahme, die sich mittlerweile als richtig herausstellt. Vom Niederländer ist in München keine Rede mehr. Der kampfbetonte „Heldenfußball“ eines de Ligt würde nicht in das Konzept der Kompany-Bayern passen. Der Trainer will schnelle, hoch pressende Verteidiger. Ein Anforderungsprofil, dem Kim und Upamecano mittlerweile gerecht werden.
Kompany hat Stil angepasst
Denn zur Wahrheit gehört auch: Nach der Niederlage in Barcelona hat Kompany seinen Stil angepasst. Dem Vernehmen nach auch deswegen, weil ihm führende Personen im Verein dazu rieten und der Trainer sich einsichtig zeigte. Die Bayern spielen nicht mehr mit vollem Risiko, die Absicherungen funktionieren besser.
„Es kann immer sein, dass du mal ausrutschst und dann ist es deine Schuld. Aber wenn du deine Konstanz behältst, kommst du irgendwann zu diesem Moment“, sagte Kompany, der einst selbst Innenverteidiger war, nach der Partie und betonte, dass er immer an sein Duo geglaubt habe.
„Ich habe das schon in der ersten Woche im Training beobachtet. Da hatten unsere Stürmer keinen Spaß gehabt und wenn es für unsere Stürmer keinen Spaß macht, dann hast du etwas in der Hand“, so der Belgier weiter.
Kim und Upa brauchen Vertrauen
Fakt ist: Den beiden offenkundig ruhigeren Charakteren in der bayerischen Innenverteidigung hilft man am meisten, wenn man ihnen volles Vertrauen schenkt – das war unter Thomas Tuchel nicht immer gegeben.
Der 50-Jährige hielt sich während seiner Zeit in München mit Kritik nicht immer zurück. Er sagte auch öffentlich, wenn ihn etwas an der Performance seines Personals störte. Nach Kims verhängnisvollem Stellungsfehler im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Real Madrid bezeichnete Tuchel Kim beispielweise als „viel zu gierig“.
Kompany käme so eine Wertung in der Öffentlichkeit nicht über die Lippen. Er gibt sich deutlich geduldiger: „Diese Leistungen kommen mit Selbstvertrauen und etwas Zeit.“ So weckte Kompany vor allem in Kim wieder das Monster.