Der Mann gilt auf dem Rasen als verrückt - und testet die Regeln gerne bis ans Limit aus, um sportlich ans Ziel zu kommen. Mit Blick auf vergangene Eskapaden dürfte es den FC Bayern kaum überraschen, in der Champions League bei Aston Villa (ab 21 Uhr im Liveticker) ebenso von Emiliano Martínez ins Visier genommen zu werden.
Reizt er auch Bayern bis aufs Blut?
Die Offensivreihe der Münchner um Harry Kane darf sich vermutlich schon einmal auf reichlich Trash Talk und andere Scharmützel einstellen - schließlich ist Martínez dafür bekannt, seinen Widersacher mit grenzwertigen Methoden zuzusetzen. Nicht umsonst wird der argentinische Fußball-Weltmeister der Villans immer wieder als Skandal-Keeper bezeichnet.
Erst vor wenigen Tagen war der 32-Jährige von der FIFA wegen einer erneut obszönen Geste während des Triumphs in der Copa América für zwei Spiele in der südamerikanischen WM-Qualifikation gesperrt worden. Mit einer ähnlichen Handbewegung hatte Martínez bereits beim WM-Titel 2022 in Katar im dramatischen Elfmeterschießen-Finale gegen Frankreich für negative Schlagzeilen gesorgt, als er bei der Zeremonie den Goldenen Handschuh als Auszeichnung für den besten Torhüter des Turniers vulgär vor seine Genitalien hielt.
„Ich habe es getan, weil mich die Franzosen ausgebuht haben. Ich kann mit deren Arroganz nichts anfangen“, erklärte der Routinier hinterher. Zuvor hatte er die gegnerischen Schützen damit irritiert, dass er den Ball weg- statt ihnen zuwarf. Den Fehlschuss von Aurélien Tchouaméni feierte er sarkastisch mit einer kreisenden Schulterbewegung.
Kalkül und mehr als Übersprungshandlung
Was der Spiegel seinerzeit als „pimmelige Übersprungshandlung“ abtat, ist durchaus Kalkül - und obendrein erfolgreich. Indem er vehement auf Gegenspieler einredet, sie zumindest unterbewusst aus dem Konzept bringt und sie ihrer Konzentration beraubt, hat Martínez sich mittlerweile einen zweifelhaften und gefürchteten Ruf erarbeitet.
„Im Fußball und allgemein im Sport spielt sich einfach alles im Kopf ab. Das ist extrem wichtig und wird oft unterschätzt“, sagte der Keeper dazu vor einem Jahr im klubeigenen TV-Channel. Dabei scheint für Martínez ebenso eingepreist, dann und wann bestraft zu werden, wenn er allzu geschmacklos über das Ziel hinausschießt.
So auch nach dem WM-Coup während der Siegesparade in Buenos Aires, als er eine Baby-Puppe mit dem Gesicht von Frankreichs Kylian Mbappé in den Armen hielt und inmitten der Feierlichkeiten zu einer „Schweigeminute“ aufrief - „für Mbappé, der gestorben ist!“ Oder als Martínez kürzlich nach dem 1:2 Argentiniens gegen Kolumbien offenbar einen Kameramann attackierte, auch dabei mit beleidigendem Verhalten die Grundsätze des Fair Play missachtete, wie selbst der argentinische Fußballverband missbilligte.
Dass er sowohl von den Funktionären seines Heimatlandes als auch von seinen bisherigen Klubs, darunter der FC Getafe, FC Reading und FC Arsenal, zumeist trotzdem Rückendeckung bekommt, liegt zweifelsohne daran, dass der 1,95 Meter große Modellathlet mit der Rückennummer 23, Spitzname „Dibu“, ungeachtet seiner fiesen Tricks und Mätzchen gleichwohl ein überragender Schlussmann und Anführer ist.
Martínez ist Welttorhüter des Jahres
In der vergangenen Saison wurde Martínez zum Welttorhüter des Jahres gewählt und mit der Jaschin-Trophäe ausgezeichnet, benannt nach dem legendären früheren russischen Keeper Lew Jaschin. Martínez gilt zudem als Elfmeter-Killer und Mental-Monster - Eigenschaften, die ihn vor gut einem Jahr Spekulationen zufolge sogar auf das Radar der Bayern befördert haben.
Zu einem Zeitpunkt, als ein nahendes Comeback von Manuel Neuer nach fast einjähriger Verletzungspause fraglich erschien und das Ende des Transferfensters immer näher rückte, hatte der argentinische TV-Sender TyC Sports von einem Interesse des deutschen Rekordmeisters an Martínez berichtet.
Am Ende kam alles anders: Neuer feierte sein Comeback, Martínez (Vertrag bis 2029) blieb auf der Insel - wo er im Duell mit den Bayern im Brennpunkt steht. Und Kane und Co. womöglich bis aufs Blut reizt.