Murdo MacLeod bekommt leuchtende Augen, wenn er über das Champions-League-Spiel am Dienstagabend zwischen Borussia Dortmund und Celtic Glasgow spricht (ab 21 Uhr im LIVETICKER). Diese Partie weckt bei dem früheren schottischen Nationalspieler schöne Erinnerungen an seine Profikarriere.
„Eine Sache beim BVB war seltsam“
Der 66 Jahre alte frühere Mittelfeldspieler war von 1987 bis 1990 für Borussia Dortmund aktiv. 1989 stand er in der Startelf der legendären Mannschaft, die mit einem 4:1-Finalsieg gegen Werder Bremen den DFB-Pokal gewann - an der Seite von Michael Zorc, Thomas Helmer, Michael Rummenigge, Frank Mill und dem Doppeltorschützen Norbert Dickel.
Den Großteil seiner Profikarriere trug er jedoch das Trikot von Celtic Glasgow. Für den Klub spielte er von 1978 bis 1987. Zwischen 1985 und 1991 gehörte MacLeod der schottischen Nationalmannschaft an. Vor dem Duell am zweiten Spieltag zwischen dem BVB und Celtic spricht MacLeod im exklusiven SPORT1-Interview über das Aufeinandertreffen, seine Zeit beim BVB, Dortmunds Superstürmer Serhou Guirassy und blickt auch zurück.
SPORT1: Mr. MacLeod, Sie werden am Dienstag beim Spiel sein. Wie groß ist die Vorfreude?
Murdo MacLeod: Die ist groß, weil es einfach immer schön ist, im Stadion des BVB zu sein. Für beide Mannschaften wird es aber schwierig. Celtic spielt sehr gut. Am Wochenende konnten sie 6:0 gewinnen. Die Dortmunder, denke ich, werden in dieser noch jungen Saison von Mal zu Mal besser. Wir müssen einfach abwarten, aber es wird für beide wirklich ein schweres Spiel.
„Neuer Champions-League-Modus ist unfair“
SPORT1: Es ist der zweite Spieltag in der Champions League. Gefällt Ihnen eigentlich der neue Modus in diesem Wettbewerb?
MacLeod: Nein. Ich denke, es ist unfair gegenüber vielen Vereinen, wenn sie gegen Spitzenvereine spielen müssen und dann keine Punkte holen, während sie vielleicht zu Hause in ihrem eigenen Stadion besser spielen. Es ist einfach nicht fair.
SPORT1: Wie denken Sie an Ihre Zeit beim BVB vor 30 Jahren zurück?
MacLeod: Nur mit positiven Gedanken. Ich war immer wieder mal in Dortmund, einmal auch zum Jahrestag des Pokalsieges. Es ist ein fantastischer Verein. Ich erinnere mich an alles, vom ersten bis zum letzten Tag, an dem ich dort war. Ich weiß immer noch alles, was damals vor sich ging. Ich bin dankbar für diese Zeit.
SPORT1: Sie haben die meisten Spiele Ihrer Karriere für Celtic Glasgow bestritten, wo Sie 1998 auch Assistenztrainer waren. Wie wichtig war Celtic für Sie?
MacLeod: Als ich 19 oder 20 war, habe ich bei Celtic unterschrieben und neun Jahre lang für den Verein gespielt. Ich habe etwa 400 Spiele für Celtic gemacht. Es ist etwas Besonderes. Celtic ist ein ganz besonderer Klub mit einer so tollen Atmosphäre. Es wäre großartig, wenn Borussia Dortmund mal wieder in den Celtic Park käme, um dort gegen Celtic zu spielen und zu sehen, wie beide in ihrem jeweiligen Heimstadion gegeneinander auftreten.
SPORT1: Sie waren ein sehr kämpferischer Spieler und sind für viele BVB-Fans heute noch ein Kindheitsheld. Warum haben Sie sich in Dortmund von Anfang an so wohl gefühlt?
MacLeod: Es war einfach ein gutes Gefühl. Ich denke, wenn ich auf meine Zeit beim BVB zurückblicke, mochten viele Fans meine Spielweise, weil ich immer alles für meine Mitspieler gegeben habe. Ich war stets bereit, den Ball zurückzuerobern und in die Zweikämpfe zu gehen. Wie meine Mitspieler. Ich war immer stark genug, um das zu tun. Ich freue mich sehr darauf, am Dienstagabend in Dortmund zu sein. Damals habe ich es immer geliebt, im Westfalenstadion (einstiger Stadionname des BVB, d. Red.) zu spielen. Eine Sache war allerdings damals etwas seltsam und auch lustig.
SPORT1: Was denn?
MacLeod: Ich habe mit Nike-Schuhen gespielt, obwohl kein BVB-Spieler Nike tragen durfte. Aber die Verantwortlichen in Dortmund hatten mir erlaubt, trotzdem mit diesen Schuhen zu spielen. Mir hat es gefallen, nicht Puma, Adidas oder etwas anderes tragen zu müssen. Das war wirklich gut.
SPORT1: Was machen Sie heute? Schreiben Sie immer noch für den Daily Record und kommentieren die Fußballereignisse bei der BBC?
MacLeod: Nein, ich habe mich ein wenig zurückgezogen. Ich lebe inzwischen sehr ruhig, gehe gerne mit Freunden essen und unterhalte mich dann ausgiebig über Fußball. Das ist es, was mich am Laufen hält. Ich weiß immer, wie Celtic und der BVB spielen.
SPORT1: Sie verfolgen regelmäßig das Geschehen beim BVB?
MacLeod: Seit dem Tag, an dem ich Dortmund verlassen habe, verfolge ich den Verein - die ganze Zeit. Ich kann die Spiele des BVB im Fernsehen sehen, und es ist großartig, weil ich das Stadion so gut kenne, wo jeder singt und all diese großartigen Dinge geschehen, die ich von früher kenne. Es ist einfach toll, die Mannschaft spielen zu sehen. Ich hoffe immer, dass der BVB seine Spiele gewinnt.
SPORT1: Welcher Klub ist mehr in Ihrem Herzen? Celtic oder der BVB?
MacLeod: Ich habe beide Klubs fest in meinem Herzen. Das war schon immer so. Als ich von Dortmund zurückkam nach Schottland, fragten mich viele Celtic-Fans, ob denn die BVB-Fans das Maß aller Dinge sind. In Dortmund passen 80.000 Menschen ins Stadion, das ist schon Wahnsinn. Beide - Celtic wie auch der BVB - haben außergewöhnliche Anhänger. Sie sind immer da, bei jedem Spiel. Und sie kommen alle, um ihren Klub zu unterstützen. Und es muss jedem Fan einfach Spaß machen, wenn man sieht, wie beide Vereine gerade spielen.
Dieses BVB-Erlebnis bleibt immer in meinem Herzen“
SPORT1: Gibt es einen besonders BVB/Celtic-Moment für Sie?
MacLeod: Ja. Als der BVB gegen Celtic Unentschieden spielte und ich mit meinem gelben Dortmund-Oberteil auf dem Platz stand, sangen die Celtic-Fans immer noch meinen Namen. Wenn es einen Freistoß gab, haben alle Celtic-Fans für Celtic geschrien, und dann haben sie gerufen, dass ich den Freistoß schießen soll. An diesem Tag war es fantastisch für Dortmund, in den Celtic Park zu kommen. Ich glaube, wir haben an diesem Abend 1:2 verloren und eine Woche später dann 2:0 gewonnen. Für mich war es einfach großartig, dass Dortmund es geschafft hat, auswärts bei Celtic zu gewinnen.
SPORT1: Am ersten Spieltag in der Champions League hat Borussia Dortmund mit 3:0 beim Club Brügge gewonnen. Wie stark ist Borussia Dortmund in diesem Jahr international?
MacLeod: Jedes Mal, wenn ich meine Dortmunder spielen sehe, habe ich das Gefühl, dass sie im Laufe der Saison stärker werden. Es gibt viele Vereine, die wirklich gut anfangen und viele Punkte holen. Aber ich glaube, Dortmund wird jedes Jahr besser, sie werden stärker und steigen dann bis an die Spitze auf, wo sie eine neue Herausforderung spüren. Ich wünsche mir immer, dass Dortmund wieder die Meisterschaft und die Champions League gewinnt. Das ist alles, was ich mir wünsche.
SPORT1: In der Bundesliga liegt Dortmund nach fünf Spielen auf dem fünften Platz. Zu wenig für die Ansprüche?
MacLeod: Die Saison ist noch jung, es sind erst fünf Spiele gespielt. Die Spieler gewöhnen sich gerade erst daran, miteinander zu spielen. Und der Trainer (Nuri Sahin, Anm. d. Red.) ist auch neu. Ich denke, Borussia Dortmund wird in den nächsten vier oder fünf Spielen noch stärker werden. Ich glaube, dass sie besser sind, als das, was sie im Moment zeigen. Wenn man Fußballspieler ist und bei Dortmund spielt, muss man hart arbeiten. Das ist das Wichtigste. Die Spieler müssen wirklich hart arbeiten und sich an die Spitzengruppe der Tabelle herantasten.
„Der BVB sollte gewarnt sein“
SPORT1: Celtic hat zu Hause einen furiosen Start in die Champions-League-Saison hingelegt. 5:1 konnte gegen Slovan Bratislava gewonnen werden. Das war ein Ausrufezeichen, oder?
MacLeod: Absolut. Celtic hatte in den vergangenen zwei, drei Jahren keinen guten Lauf in Europa, aber jetzt sind sie ein schwer zu schlagendes Team, und sie haben sich den Sieg verdient. Beim 5:1 waren sie so gut, so schnell, so beweglich auf dem Platz. Ich denke, dass es jetzt für jede Mannschaft eine schwierige Herausforderung sein wird, gegen Celtic spielen zu müssen.
SPORT1: Wie stark ist Celtic in dieser Saison wirklich?
MacLeod: Nun, als sie am Samstag auswärts 6:0 bei St. Johnstone gewonnen haben, konnte jeder sehen, was möglich ist. Das ist die neue Stärke von Celtic, und der BVB sollte gewarnt sein. Celtic ist momentan in absoluter Höchstform. Sie waren auf dem Platz unglaublich stark und schnell, und die Fans waren wieder einmal überwältigend. Jede Woche kommen 60.000 Zuschauer ins Stadion, die von der Art und Weise, wie Celtic im Moment spielt, begeistert sind.
SPORT1: Worauf muss der BVB achten?
MacLeod: Ich würde sagen, auf die Schnelligkeit der Celtic-Spieler. Sie sind sehr agil. Sie laufen viel, aber sie können auch Tore schießen. Sie fühlen sich wohl, wenn sie den Ball in den Strafraum bringen, und dann können sie gefährlich auf das Tor schießen. Aber auch in der Verteidigung ist Celtic stark. Die vier Abwehrspieler machen es dem Gegner schwer. In dieser Saison sind nur wenige Tore gegen Celtic gefallen.
„Mit Guirassy sind Titel für den BVB keine Utopie mehr“
SPORT1: Sie kennen sicher Dortmunds neuen Superstürmer Serhou Guirassy. Er hat in zwei Ligaspielen schon drei Tore erzielt. Wie sehen Sie ihn?
MacLeod: Ich denke, er wird noch besser werden, denn jeder Stürmer, der regelmäßig Tore schießt, vor allem bei einem neuen Verein, wird mit der Zeit entspannter auftreten. Guirassy wird noch viele Tore für den BVB schießen. Er ist so wichtig für Dortmund. Man braucht immer gute Torjäger, und der BVB hat einen der besten Stürmer in seinen Reihen. Mit Guirassy sind Titel für den BVB keine Utopie mehr.
SPORT1: Wer war in der Vergangenheit der beste BVB-Stürmer, der in seiner Bedeutung mit Guirassy vergleichbar ist? War es Frank Mill, Norbert Dickel oder Michael Rummenigge?
MacLeod: Ich glaube, Nobby und Frank Mill waren die beiden wichtigsten Stürmer bei uns. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mir die ganze Zeit Chancen ermöglichten, in den Strafraum zu kommen. Nobby war immer da und bewegte sich viel. Frank war schnell, sehr schnell. Michael hat nicht so sehr wie ein typischer Stürmer gespielt. Er agierte eher neben den Stürmern. Rummenigge spielte mehr im zentralen Mittelfeld eine wichtige Rolle, aber er hat auch einige Tore geschossen.
SPORT1: Nuri Şahin ist seit diesem Sommer Cheftrainer bei Borussia Dortmund. Er war insgesamt elf Jahre lang Spieler bei den Schwarz-Gelben. Das macht nicht automatisch einen guten Trainer aus. Wie schätzen Sie ihn ein?
MacLeod: Ich glaube, wenn man sich als Trainer wohlfühlt, ist man cooler und das Team beginnt, von dieser Gelassenheit zu profitieren. Wenn du nervös bist und es ein Problem gibt, dann wird das Team auch nervös. Aber man muss abwarten, bis man den Trainer in Aktion sieht. Wenn der Coach nett und entspannt ist und die ganze Zeit weiß, wovon er spricht, dann haben die Spieler großen Respekt vor ihm. Şahin ist die ganze Zeit präsent, und das ist eine Ehre für jeden Spieler. Es ist beeindruckend, dass er BVB-Trainer geworden ist.
SPORT1: Gibt es eigentlich noch Kontakt zu früheren BVB-Kollegen wie Rummenigge, Henke, Helmer?
MacLeod: Nur wenn ich zurück in Dortmund bin, aber vor kurzem war Nobby wieder bei mir. Mit Teddy (der frühere BVB-Torwart Wolfgang de Beer, Anm. d. Red.) habe ich telefoniert. Ich habe dann eine Telefonkonferenz mit Teddy und Nobby gemacht. Wenn die beiden nach Schottland kommen und wir uns treffen, ist es immer schön, einige der Spieler zu sehen, mit denen ich gespielt habe. Es ist toll, all diese Spieler wiederzusehen, und ich hoffe, dass ich die meisten von ihnen am Dienstag in Dortmund wiedersehen werde.
SPORT1: Letzte Frage: Gibt es eine BVB-Anekdote, die Sie hier erzählen können?
MacLeod: Die lustigen Sachen passierten immer in der Kabine oder auf dem Trainingsplatz. Aber in Dortmund war es oft lustig, da jeder von uns damals eine positive Einstellung hatte. Als wir zum Pokalfinale nach Berlin fuhren, waren das zwei besondere Tage. Es war großartig, den Pokal zu gewinnen und dann nach Dortmund zurückzukehren. Die Party rund um den Borsigplatz werde ich nie vergessen. Das war eines meiner BVB-Highlights. Dieses Gefühl war für mich einfach nur fantastisch. Die Menge der Dortmund-Fans, die gekommen war, um die Mannschaft bei der Heimkehr zu feiern. Dieses BVB-Erlebnis bleibt immer in meinem Herzen.