Das Timing erscheint im Nachhinein unglücklich. Beim 0:1 des FC Bayern bei Aston Villa kam Joao Palhinha in der 76. Minute aufs Feld. Und nur drei Zeigerumdrehungen später, als der Portugiese nach einem Freistoß gerade ganz gemütlich zurück in die eigene Hälfte trabte, drückten die Engländer plötzlich das Gaspedal durch. Ein langer Schlag genügte, um das ungesicherte Mittelfeld der Münchner komplett zu überspielen.
Bayerns großes Fragezeichen
Am Ende landete die Kugel genau bei Super-Joker Jhon Durán, der rechtzeitig erkannte, dass Torhüter Manuel Neuer weit aufgerückt war und den Ball im gegnerischen Tor versenkte. Dass Palhinha kurz darauf noch einen Zweikampf äußerst sehenswert gewann, blieb daher allenfalls eine Randnotiz. Letztlich gelang es dem Rekordmeister nicht mehr, das Blatt zu wenden. So war die erste Niederlage von Vincent Kompany als Bayern-Trainer perfekt.
Im Nachhinein wurde viel diskutiert - das liegt in München nach Negativ-Resultaten auch quasi in der Natur der Sache: Über Neuer. Über den wieder blassen Harry Kane. Über den mal mehr, mal weniger wackeligen Dayot Upamecano. Aber eben auch über Palhinha. Denn der für stolze 50 Millionen Euro vom FC Fulham verpflichtete Mittelfeldspieler spielt bislang längst nicht die tragende Rolle, für die er eigentlich geholt wurde. Ein einziges Mal stand er über 90 Minuten auf dem Rasen.
Tuchels Wunschkandidat unter Kompany Ersatz
Das Gefühl, auf der Bank zu sitzen, kennt Palhinha mittlerweile also gut. Neben dem einen Vollzeiteinsatz in Kiel durfte er lediglich dreimal ran: 13 Minuten im DFB-Pokal gegen Ulm und nach zwei weiteren Einwechslungen gegen Freiburg und in Bremen - für einen Spieler, der beim letztjährigen Tabellendritten eigentlich als Wunschkandidaten galt, ist das natürlich viel zu wenig.
An der Palhinha-Verpflichtung arbeitete der Bayern bekanntlich nach einem 2023 geplatzten Deadline-Day-Deal über ein Jahr lang. Weil er das Wunschprofil des ehemaligen Trainers Thomas Tuchel verkörperte. „Ich muss erstmal Danke sagen, wie Thomas um mich gekämpft hat“, hatte Palhinha bei seiner Vorstellung in München gesagt.
Auch wenn er Tuchel bei den Bayern letztlich nicht mehr antraf, er hat es jetzt mit Kompany zu tun: „Beide wollten mich. Das macht mich stolz, dass zwei solche Top-Trainer mich unbedingt verpflichten wollten.“
Bayern wiegelt bei Palhinha ab
Anders als Tuchel redet Kompany nicht gerne über einzelne Spieler. Und schon gar nicht jene, die im sportlichen Hintertreffen sind. „Ich rede immer über die Mannschaft. Ich will diese Tradition, immer über die Spieler zu sprechen, die nicht spielen, ein kleines bisschen brechen“, moderierte der Belgier eine entsprechende Frage vor dem Aston-Villa-Spiel bei DAZN ab.
„Dann kommt die Frage über Pavlovic, warum er nicht spielt, oder über Kimmich, wer auch immer. Deshalb ist es wichtig, dass ich diese Linie beibehalte, dass wir über das Spiel reden und nicht über einzelne Spieler. Es muss um die Jungs gehen, die anfangen.“ Dass Palhinha noch wichtig werden wird, davon ist Kompany überzeugt.
Auch Sportvorstand Max Eberl wurde später darauf angesprochen, ob die Bayern bald ein Palhinha-Problem bekommen würden. „Überhaupt nicht“, antwortete er und fügte hinzu: „Die Frage kommt vor jedem Spiel. Wir haben momentan eine Mittelachse mit Upa, Minjae, Kimmich und Pavlovic, die herausragend funktioniert. Wir haben sehr gut gegen Leverkusen gespielt. Diesen Flow möchten wir momentan nicht unterbrechen.“ Palhinha, so betonte der 51-Jährige, müsse sich dagegen noch etwas Zeit nehmen.
„Wir brauchen Joao, Joao ist ein top Profi, der Aleks so anstachelt, dass er solche Leistungen bringen muss. Er kam von Fulham zu einem der größten Vereine Europas. Er hat großen Respekt davor. Er muss ein Stück weit auch alles kennenlernen“, sagte Eberl. Palhinha werde „extrem wichtig werden“, meinte er darüber hinaus und ergänzte: „Es kommen Formkrisen, vielleicht Sperren. Da mache ich mir gar keine Sorgen. Er ist ein Top-Profi, der akzeptiert das total.“
Klares Signal an Palhinha
Dennoch steht außer Frage: Sollte Palhinha weiterhin so selten zum Zug kommen, dürfte das Thema nicht kleiner werden. Als Ergänzungsspieler, der einspringt, wenn jemand gesperrt ist oder in einer Formkrise steckt, kam er sicherlich nicht an die Säbener Straße - im Gegenteil. Die Spiele gegen Leverkusen und Aston sollten eigentlich ein Fingerzeig sein, wohin die Reise geht. Viele Experten und Fans vermuteten, dass seine Fähigkeiten dort besser zur Geltung kommen würden.
Theoretisch wäre Palhinha dort besser aufgehoben gewesen, weil er seine Stärken gegen Teams, die ähnlich viel mit dem Ball spielen wie die Bayern, mehr ausspielen könnte. Doch der körperlich präsente Defensivakteur, der mit seiner aggressiven Spielweise und seiner Dominanz in der Luft für jeden Gegner unangenehm werden kann, saß gegen Leverkusen erneut über die gesamte Spielzeit auf der Bank und kam auch in England nur 14 Minuten zum Einsatz.
Palhinha: „Werde alles geben“
TV-Experte Didi Hamann legte bereits letzte Woche den Finger in die Wunde. „Wenn du einen Mann für 50 Millionen holst, dann gehe ich davon aus, dass er 45 bis 50 Spiele im Jahr macht“, sagte er. Unrecht hat Hamann mit dieser Aussage wohl nicht. Wie es mit Palhinha weitergeht, bleibt eine der spannendsten Personalfragen - zu der sich der Portugiese in einem Interview mit dem Klub-Magazin 51 auch selbst äußerte: „Bayern wollte mich zweimal verpflichten, und jetzt ist es an mir, Verantwortung zu übernehmen, ein großer Spieler für diesen Verein zu werden.“
Palhinha wolle sich trotz der schwierigen Situation gar keine Gedanken darüber machen, „wie viel Geld der Klub für mich ausgegeben hat oder welche Erwartungen sich daraus ergeben“, hob er hervor.
Stattdessen konzentriere er sich darauf, „was ich auf dem Platz leisten kann. Ich bin jetzt hier und werde alles geben, in jedem Training, in jedem Spiel. So habe ich das in meiner Karriere immer gehalten.“ Bisher war er in seiner Karriere aber fast immer Stammspieler.