Zwei Jahre lang duellierte sich der frühere Schalker Timon Wellenreuther mit dem niederländischen Ex-Nationalkeeper Justin Bijlow um den Platz zwischen den Pfosten - bis im Sommer endlich die erlösende Nachricht kam. „Wir haben zwei sehr, sehr gute Torhüter. Es war nicht einfach, aber am Ende haben wir uns für Timon entschieden“, erklärte Trainer Brian Priske, der Klopp-Nachfolger Arne Slot bei Feyenoord Rotterdam beerbte.
„Was ich hier habe, ist einzigartig“
Für den 28-Jährigen, dessen größte Erfolge in Rotterdam der Gewinn des Meistertitels in der Eredivisie 2022/23 und der Pokalsieg in der zurückliegenden Spielzeit sind, war dies gleichbedeutend mit dem wohl wichtigsten Schritt seiner Karriere. 45 Pflichtspiele absolvierte Wellenreuther für den Traditionsverein mittlerweile, 16-mal blieb er dabei ohne Gegentor. Die Fans feiern ihn für seine konstant starken Leistungen längst.
Feyenoord gegen Leverkusen gefordert
Auch am Donnerstag dürfte Wellenreuther wieder im Mittelpunkt stehen. Dann kehrt Feyenoord auf die größtmögliche Bühne des Vereinsfußballs zurück und trifft zum Auftakt der Champions-League-Saison auf Bayer Leverkusen (Do., ab 18.45 Uhr im LIVETICKER). Im SPORT1-Interview verrät der deutsche Torhüter, warum er sich besonders auf dieses Duell freut - und spricht über seine Gedanken, eines Tages wieder in die Bundesliga zu wechseln.
SPORT1: Herr Wellenreuther, in der Eredivisie hat Feyenoord Rotterdam aus den ersten vier Spielen sechs Punkte geholt, einen Sieg und drei Unentschieden. Wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonstart?
Timon Wellenreuther: Ganz optimal war es nicht. Natürlich ist es immer das Ziel eines niederländischen Spitzenvereins, jedes Spiel zu gewinnen. Aber im Fußball gibt es auch Rückschläge. Wir befinden uns ohnehin gerade in einem Prozess, alles braucht seine Zeit und deshalb ist es im Moment am wichtigsten, dass wir noch ungeschlagen sind.
Wellenreuther von Priske zur Nummer eins ernannt
SPORT1: Für Sie persönlich läuft es dagegen hervorragend. Erst wurde Ihr Vertrag im Sommer verlängert, dann ernannte Sie Trainer Brian Priske offiziell zum neuen Stammtorhüter.
Wellenreuther: Auf jeden Fall. Es fühlt sich immer noch wie ein Traum an, die Nummer eins bei Feyenoord, einem so riesigen Verein, zu sein und in der Champions League zu spielen. Ich habe jahrelang darauf hingearbeitet und bin froh, endlich in dieser Position zu sein und mich so zeigen zu können.
SPORT1: In den sozialen Medien feierten die Fans Ihre Vertragsverlängerung ausgiebig. Der Verein schrieb: „Bis 2027 in sicheren Händen.“ Macht Sie das stolz?
Wellenreuther: Absolut, das macht mich sehr stolz, wenn der Verein deine Leistung wertschätzt und das auch andere sehen. Ich bin hier vor zwei Jahren hergekommen, nachdem mich der RSC Anderlecht ausgeliehen hatte, und habe auf meine Chance gehofft - das hat so gut geklappt, wie ich es mir nicht besser hätte vorstellen können.
SPORT1: Was macht den Mythos Feyenoord denn aus?
Wellenreuther: Ich vergleiche das gerne mit Schalke. So wie ich mich damals in der Arena gefühlt habe, fühle ich mich jetzt wieder. Die Fans lieben und leben den Verein, sie wohnen hier und in Gelsenkirchen in typischen Arbeiterstädten und sind so laut auf den Rängen, das ist unglaublich. Wenn man so eine Unterstützung spürt, gibt einem das als Spieler immer einen Boost - deshalb haben wir in den letzten zwei Jahren auch so viel gewonnen. Mit solchen Fans im Rücken geht vieles leichter.
„Ich vergleiche das gerne mit Schalke“
SPORT1: Sind Sie gerade in der Form Ihres Lebens?
Wellenreuther: Ich würde zumindest sagen, dass ich jetzt erfahren genug bin, um mein bestes Spiel auf den Platz zu bringen. Ich habe viel gesehen, war in vielen Ligen unterwegs - beim Karlsruher SC, bei Schalke 04, auf Mallorca, bei Willem II Tilburg, in Anderlecht und jetzt bei Feyenoord. Diese Erfahrungen helfen mir als Torhüter sehr, deshalb fühle ich mich im Moment sehr gut.
SPORT1: Letztes Jahr gab es ein Wechselspiel mit dem niederländischen Nationaltorhüter Justin Bijlow. Was ist für einen Torwart wie Sie am Ende wertvoller - die klare Nummer eins zu sein oder sich dauerhaft gegen einen starken Konkurrenten durchsetzen zu müssen?
Wellenreuther: Das hat beides Vor- und Nachteile, aber eigentlich denke ich gar nicht darüber nach. Wenn ich die Nummer eins bin, ziehe ich mein eigenes Ding durch, gebe jeden Tag im Training alles und versuche, der Mannschaft so gut wie möglich zu helfen. Dennoch haben Justin und ich ein gutes Verhältnis. Wir sind jetzt seit über zwei Jahren im selben Verein und sehen uns fast täglich - da ist automatisch eine Bindung entstanden. Wir verstehen uns gut und sind beide so professionell, dass wir dem anderen immer helfen können. In den letzten zwei Jahren habe ich ihn unterstützt, jetzt ist es eben mal umgekehrt.
SPORT1: Zum Start der Champions League geht es ausgerechnet gegen einen deutschen Verein, den Meister Bayer Leverkusen.
Wellenreuther: Ich freue mich sehr, dass wir gegen zwei deutsche Mannschaften antreten dürfen - am Donnerstag Leverkusen und im neuen Jahr die Bayern. In der vergangenen Champions-League-Saison hatten wir keinen deutschen Verein als Gegner, in der Europa League im Jahr davor auch nicht. Umso mehr fiebere ich jetzt darauf hin. Es wird richtig Bock machen, mal gegen das eigene Land zu spielen - vor allem durch den neuen Modus. Es wird sehr spannend, das selbst zu erleben.
Champions-League-Reform: „Viel ändert sich für uns nicht“
SPORT1: Den neuen Champions-League-Modus begrüßen Sie also?
Wellenreuther: Viel ändert sich für uns ja gar nicht. Wir müssen weiterhin Spiele gewinnen und Punkte sammeln (lacht).
SPORT1: Was rechnen Sie sich denn mit Feyenoord aus?
Wellenreuther: Selbstverständlich wollen wir die Champions League ein bisschen genießen, aber trotzdem gleich etwas mitnehmen - schon gegen Leverkusen. Ansonsten gibt es keine konkreten Ziele. Wir werden einfach alles daran setzen, in allen drei Wettbewerben, also auch unserer Meisterschaft und dem nationalen Pokal, so lange wie möglich dabei zu sein und guten Fußball zu spielen, damit wir unseren Fans etwas zurückgeben können. Das heißt: viel Ballbesitz, hohes Pressing und ein schönes Kombinationsspiel.
SPORT1: Wie bewerten Sie die Torwartsituation in Deutschland? Manuel Neuer ist aus dem DFB-Team zurückgetreten, Marc-André ter Stegen zur Nummer eins erklärt wurde - dahinter scheint das Rennen recht offen zu sein.
Wellenreuther: Wir sind herausragend aufgestellt, obwohl Manuel Neuer, der Beste, den es jemals gab, nicht mehr Teil der Nationalmannschaft ist. Aber ter Stegen ist auch ein super Torhüter und selbst dahinter gibt es noch viele Leute mit absolutem Top-Format: Kevin Trapp, Bernd Leno, Alexander Nübel oder Oliver Baumann. Um die Torwartsituation in Deutschland muss man sich keine Sorgen machen.
DFB? „Konzentriere mich nur auf mich“
SPORT1: Langsam wäre es doch an der Zeit, auch Ihren eigenen Namen in diese Aufzählung zu packen.
Wellenreuther: Auf sowas höre und achte ich gar nicht. Ich versuche, in jedem Spiel meine Leistung auf den Platz zu bringen und der Mannschaft so gut wie möglich zu helfen. Was drumherum passiert, ist nicht mein Business. Ich konzentriere mich nur auf mich - und damit zunächst einmal auf Donnerstag. In der Champions League zwischen den Pfosten zu stehen, das schafft nicht jeder Torhüter in seiner Karriere.
SPORT1: Ter Stegen hat kürzlich gesagt, dass seiner Meinung nach Spieler und Torhüter, die im Ausland spielen, viel mehr Aufmerksamkeit bekommen und nicht vergessen werden sollten. Stimmen Sie ihm zu?
Wellenreuther: Es stimmt natürlich, dass die deutschen Torhüter in der Bundesliga viel mehr Aufmerksamkeit von der Presse bekommen. Das ist bei mir nicht anders, auch wenn ich in den letzten Jahren in den Niederlanden Titel und Pokale gewonnen habe. Aber das ist ja ganz normal. Das muss man akzeptieren, so ist der Fußball.
SPORT1: Gab es mal Kontakt zwischen Ihnen und dem Nationalteam?
Wellenreuther: Nein, es gab nie Gespräche.
Zurück in die Bundesliga?
SPORT1: Träumen Sie davon, eines Tages in die Bundesliga zurückzukehren?
Wellenreuther: Ich fühle mich in Rotterdam sehr wohl. Die Stadt, der Verein, die Fans - was ich hier habe, ist einzigartig. So etwas noch einmal zu finden, ist auch in Deutschland nicht einfach. Deshalb konzentriere ich mich voll und ganz auf Feyenoord. Aber natürlich weiß man im Fußball nie, was passiert. Ich bin Deutscher, verfolge die Bundesliga regelmäßig und habe hoffentlich noch ein paar Jahre vor mir. Es ist kein konkretes Ziel, aber manchmal denkt man schon darüber nach.
SPORT1: Wie sehr verfolgen Sie Ihren Ex-Klub Schalke 04 noch?
Wellenreuther: Sehr oft. Ich schaue die 2. Liga sogar öfter als die Bundesliga, da mischt neben Schalke auch mein Heimatverein Karlsruher SC mit. In der Veltins-Arena war ich allerdings schon ewig nicht mehr - das letzte Mal bin ich dort gewesen, als ich da noch gespielt habe, das ist sieben Jahre her.
SPORT1: Sie haben insgesamt zehn Pflichtspiele für die Schalker Lizenzmannschaft bestritten. An welche Partie erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Wellenreuther: Direkt an das erste Spiel. Das war 2015, mein Debüt, dann noch auswärts beim FC Bayern München. Ich war 19 Jahre alt und kam nach der Pause rein, weil Fabian Giefer angeschlagen war und nicht mehr weitermachen konnte. Das war gefühlsmäßig das heftigste, was mir jemals passiert ist. Eiskalt wurde ich von der Bank reingeschmissen, ohne richtiges Aufwärmen.
SPORT1: Das Spiel endete damals 1:1. Arjen Robben brachte die Bayern in Führung, aber Benedikt Höwedes rettete Schalke das Remis.
Wellenreuther: Für die damaligen Zeiten war das akzeptabel (lacht).