„Mein Ziel war es, zu einem Klub mit einer klaren Perspektive für mich zu wechseln. In Hannover komme ich in eine tolle Mannschaft und zu einem ambitionierten Trainer“ - „Joselu macht die Madrilenen unsterblich und sichert ihnen das Ticket für Wembley.“
Reals Held einst bei 96 abgewatscht
Es sind zwei Zitate, zwei Zeitdokumente, die auf den ersten Blick so ganz und gar nichts miteinander zu tun haben scheinen. Doch der erste Blick täuscht. Denn beide Zitate beschreiben den gleichen Spieler - mit einem Unterschied von zehn Jahren.
Das zweite Zitat ist eine Schlagzeile, veröffentlicht von der französischen Zeitung Le Parisien nach dem Einzug von Real Madrid in das Endspiel der Champions League.
Das erste Zitat stammt aus der Pressemitteilung, die Hannover 96 im Juni 2014 hinsichtlich der Verpflichtung des damals 24 Jahre alten Stürmers Joselu veröffentlichte. Der als Sohn spanischer Eltern in Stuttgart geborene Joselu war seinerzeit nach Bundesliga-Stationen bei Hoffenheim und Eintracht Frankfurt zu den Hannoveranern gewechselt und hatte sich dementsprechend bei den vereinseigenen Medien geäußert. Der „ambitionierte Trainer“, auf den er sich freute, war Tayfun Korkut.
Joselu einst bei Hannover 96 abgewatscht
Bei Hannover schoss Joselu in 32 Pflichtspiele zehn Tore, ehe er nach einem Jahr zu Stoke City nach England weiterzog.
Joselus Engagement an der Leine hatte Licht und Schatten - den Tiefpunkt erreichte er im März 2015, als er im Bundesligaspiel gegen die Bayern auf die Bank verbannt und öffentlich abgewatscht wurde. „Jeder muss beweisen, dass er der Mannschaft weiter hilft. Damit hat sich Joselu zuletzt schwer getan“, ermahnte ihn seinerzeit Manager Dirk Dufner.
Fast ein Jahrzehnt später ist der Spanier der große Held eines Fußballklubs von einem ganz anderen Kaliber. Im Halbfinal-Rückspiel zwischen Real Madrid und dem FC Bayern erzielte Joselu beim 2:1-Sieg der Königlichen beide Treffer, beförderte Real in den Fußballhimmel.
Ancelotti beweist bei Real ein glückliches Händchen
„Selbst meine Träume sind nicht so schön wie heute“, gab sich der 34-Jährige nach der Partie glückselig. „Als Stürmer träumt man davon, Tore zu schießen, und wenn sie so sind wie heute, ist es noch besser. Am Ende werden Spiele mit Emotionen, mit Herz gewonnen. Carlo Ancelotti hat uns vor dem Spiel gesagt, dass man solche Spiele auch mit dem Herzen gewinnt. Und Real Madrid hat viel davon.“
Vor allem hatte Ancelotti gegen seinen Ex-Arbeitgeber aus München den richtigen Riecher. In der 81. Minute wechselte er Joselu für Federico Valverde ein, in der 88. und 91. Minute schlug er dann eiskalt zu. „Man träumt immer davon, im richtigen Moment zur Stelle zu sein. Und beim ersten Tor war ich bereit und habe die Situation erkannt. Und in diesem Moment waren sie müde, und sie haben fast das ganze Spiel über in einem tiefen Block verteidigt. Am Ende haben diese Minuten entschieden“, erklärte der Matchwinner.
Für José Luis Sanmartín Mato, wie Joselu mit bürgerlichem Name heißt, war der Sieg gegen den FC Bayern das zweifelsohne größte Spiel seiner Karriere. Ein vorläufiger Höhepunkt, der international Beachtung findet.
Lob von den internationalen Medien
„Joselu ist der unwahrscheinliche Held: Real Madrid schlägt Bayern München und erreicht das Champions-League-Finale“, schrieb der britische Telegraph. Die italienische La Repubblica titelte: „Die Mystik des Bernabeu kann alles, sogar einen 34-jährigen Stürmer, der für eine Million von einem abstiegsbedrohten Verein, Espanyol, ausgeliehen wurde, um einen kleinen Teil des riesigen Lochs zu stopfen, das der Weggang von Benzema nach Arabien hinterlassen hat, märchenhaft überdecken.“
Noch präziser vermochte das Märchen der österreichische Kurier zu beschreiben: „Matchwinner war ein Mann namens José Luis Sanmartín Mato, alias Joselu, der im Starensemble der Königlichen von Real Madrid ein Niemand ist.“
Der Lebenslauf des 34-Jährigen weist Joselu tatsächlich als etwas aus, was man im Boxen einen „Journeyman“ nennen würde und im Fußball-Altdeutsch einen Wandervogal. Celta Vigo, Real Madrid Castilla (zweite Mannschaft der Königlichen, Anm.d.Red.), TSG Hoffenheim, Eintracht Frankfurt, Hannover 96, Stoke City, Deportivo La Coruna, Newcastle United, Deportivo Alavés, Espanyol Barcelona – der Angreifer nannte bereits unzählige Klubs seinen Arbeitgeber.
Enger Bund mit Teamkollege Carvajal
Vor gut einem Jahr änderte sich das Leben von Joselu dann aber doch noch einmal gewaltig. Erst wurde er zum spanischen Nationalspieler, wenig später folgte sein Wechsel zu den Königlichen.
Auch familiär hat der Wechsel einen Kreis geschlossen: Der Stürmer ist mit Ehefrau Melanie Canizares glücklich, hat mit ihr zwei Söhne. Die Zwillingsschwester seiner Frau, Daphne, ist wiederum mit Real-Teamkollege Daniel Carvajal verheiratet. Eine echte Familien-Zusammenführung also.
Für die beiden Schwippschwager geht es am 1. Juni im Finale der Königsklasse gemeinsam gegen Borussia Dortmund. Carvajal winkt dabei bereits der sechste Champions-League-Titel. Für Joselu geht es um viel mehr: die Erfüllung eines Lebenstraumes. Den Grundstein dafür hat er mit seinem Doppelpack selbst gelegt.