Höchst selbstkritische Worte vom ehemaligen Bayern-Boss: Vor dem Champions-League-Kracher bei Real Madrid am Mittwoch (ab 21.00 Uhr im Liveticker) hat Karl-Heinz Rummenigge große Versäumnisse beim deutschen Rekordmeister eingeräumt.
Rummenigge-Spitze gegen FCB-Führung
Im Interview mit der spanischen As sagte der langjährige Vorstandsvorsitzende: „Das Wichtigste ist Kontinuität, und da müssen wir selbstkritisch sein. In letzter Zeit haben wir uns ein wenig von unserem Kurs abgewandt, sowohl auf der Trainerbank als auch in der Chefetage.“
Die Bayern müssten „auf allen Ebenen die Stabilität zurückgewinnen, die sie immer ausgezeichnet hat. Man muss sich vor Augen halten, dass Leute wie Uli (Ehrenpräsident Hoeneß, Anm. d. Red.), Franz (Beckenbauer, Anm. d. Red.) und ich seit hundert Jahren am Ruder dieses Schiffes stehen - zumindest war das mein Gefühl.“
Es sei „schwierig, eine solche Langlebigkeit in einem Spitzenjob noch einmal zu erleben“, fügte Rummenigge an, „aber Bayern muss auf den Weg der Kontinuität zurückkehren“.
FC Bayern: Rummenigge legt Finger in die Wunde
Dass der deutsche Rekordmeister womöglich eine komplett titellose Saison erleben wird, nachdem die Meisterschaft und auch der DFB-Pokal schon längst verspielt worden sind, will der 68-Jährigen mit Blick auf die Chance auf das Endspiel in der Königsklasse nach dem 2:2 im Hinspiel gegen Real aktuell allerdings nicht zu nah an sich heranlassen.
„Zunächst einmal stehen wir wieder im Halbfinale der Champions League, nachdem wir drei Jahre lang im Viertelfinale ausgeschieden sind. Das ist schon mal eine positive Sache“, so Rummenigge. „Bevor wir an das nächste Jahr denken, müssen wir hart arbeiten, um die zwei verbleibenden Schritte zurück an die Spitze zu machen. Dann haben wir Zeit, über alles andere nachzudenken.“
Was das Tagesgeschäft an der Säbener Straße angeht, mag Rummenigge den Entscheidungsträgern wie seinem Nachfolger Jan-Christian Dreesen und Sportvorstand Max Eberl zwar nicht hineinreden: „Das sind Themen, die mich nicht mehr direkt betreffen, seit ich als Vorstandsvorsitzender einen Schritt zurückgetreten bin.“
Der 68-Jährige mahnte aber an: „Ich kann allerdings nur empfehlen, wieder etwas verschlossener zu werden. Als wir Pep (Guardiola, Anm. d. Red.) verpflichtet haben, haben wir insgesamt sechs Monate an der Operation gearbeitet, und niemand hat davon erfahren.“
„Wieder mehr Geheimniskrämerei betreiben“
Worte, die durchaus als Kritik an den gegenwärtig handelnden Personen und deren Kommunikation im Zuge der nach wie vor erfolglosen Trainersuche verstanden werden kann. Ein Nachfolger für den am Saisonende scheidenden Thomas Tuchel wurde weiterhin nicht gefunden.
„Man muss strategisch vorgehen, aber ohne dass der nächste Zug jeden Tag in allen Zeitungen steht“, so Rummenigge weiter, der sich an der Säbener Straße wieder einen Coach vom Schlag eines Carlo Ancelotti (2016 bis 2017 bei Bayern) wünscht, der seinen Ex-Klub nun mit Real aus der Champions League schmeißen könnte.
„Carlo ist ein wunderbarer Mensch. Was mich am meisten beeindruckt hat, war seine stoische Gelassenheit. Er lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen“, meinte Rummenigge.
Und ergänzte: „Er ist ein Gentleman durch und durch. Ich erinnere mich, wie er uns die Hand schüttelte, als wir darüber verhandelten, dass er Bayern-Trainer wird, und es war nicht nötig, einen Vertrag zu unterschreiben, denn sein Wort ist mehr wert als Tinte.“
Loblied auf Ancelotti: „Haben beide Tränen vergossen“
So habe Ancelotti auch keine Berater benötigt, „wie man sie heute zuhauf antrifft, wenn man einen Fußballer trifft und sie Profit machen wollen. Ich habe in meinem Leben noch nie ein schlechtes Wort über Carlo gehört. Und mit seiner ruhigen Art passt er perfekt in einen Verein, der manchmal so turbulent ist wie Real Madrid.“
Dass Ancelottis Weg von den Bayern recht schnell wieder zu einem anderen Klub führte, bedauert Rummenigge noch immer: „Es ist schade, dass wir uns trennen mussten, und ich erinnere mich gut daran, dass ich derjenige war, der es ihm sagen musste. Wir haben beide ein oder zwei Tränen vergossen, und dann hat er einen Satz gesagt, den ich nie vergessen werde. Er sagte mir, dass ich nicht mehr sein Chef sei, aber dass ich sein Freund bleiben würde. Und dass er wissen solle, dass wir für immer Freunde bleiben würden.“