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Champions League: Bayern-Aus! “So ein Spiel hinterlässt Narben“

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Champions League: Bayern-Aus! “So ein Spiel hinterlässt Narben“

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Kohlers Rat in Bayerns Trainerfrage

Jürgen Kohler gewinnt 1997 mit dem BVB die Champions League. Im exklusiven SPORT1-Interiew spricht der 58-Jährige unter anderem über das CL-Aus der Bayern, die Leistungen von Nico Schlotterback und Mats Hummels und einen möglichen Nachfolger von Thomas Tuchel.
Edin Terzic will sich nach dem Champions-League-Einzug nicht selbst abfeiern. Ihm geht in beide Richtungen "alles zu schnell".
Jürgen Kohler gewinnt 1997 mit dem BVB die Champions League. Im exklusiven SPORT1-Interiew spricht der 58-Jährige unter anderem über das CL-Aus der Bayern, die Leistungen von Nico Schlotterback und Mats Hummels und einen möglichen Nachfolger von Thomas Tuchel.

Borussia Dortmund und Real Madrid bestreiten das Champions-League-Finale in Wembley am 1. Juni. Der FC Bayern scheiterte im Halbfinale an den Spaniern. Jürgen Kohler spielte einst für die Münchner und den BVB.

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Der 1990er-Weltmeister hatte seine erfolgreichste Zeit beim BVB. Mit den Schwarz-Gelben gewann er 1997 den Henkelpott. Es gibt also viel zu besprechen mit dem 58-Jährigen. Das exklusive SPORT1-Interview.

SPORT1: Herr Kohler, es kommt nicht zum deutschen Champions-League-Finale, was sagen Sie dazu?

Jürgen Kohler: Es ist natürlich schade, dass es insgesamt für den deutschen Fußball sehr gut gewesen wäre, aber man muss auch sagen, dass sich der FC Bayern zwar gewehrt hat, aber am Ende war der Sieg von Real verdient, da die Madrilenen die bessere Mannschaft waren. Auch wenn es unglückliche Entscheidungen gab, wie das nicht gegebene Tor, bei dem der Schiedsrichter in der Nachspielzeit plötzlich ein Abseits sah und keiner wusste, warum.

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SPORT1: Wurden die Bayern verpfiffen?

Kohler: Nein, der Schiedsrichter hat das Spiel bis zu dieser Szene sehr gut geleitet, das muss man auch sagen, es gab keine Fehlentscheidungen. Ob das jetzt ein reguläres Tor war oder nicht, kann ich nicht sagen, weil die Schiedsrichter ihre eigene Wahrnehmung haben und diese mal so und mal so auslegen.

„Es ist natürlich bitter für Tuchel“

SPORT1: Wie bitter ist das Champions-League-Aus für Thomas Tuchel?

Kohler: Zunächst einmal geht es um Bayern München. Es ist natürlich bitter für Tuchel. Die Bayern waren im Hinspiel klar die bessere Mannschaft, doch sie haben es bereits dort versäumt, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Und natürlich reden wir hier von Real Madrid, einer Mannschaft, die bis zur letzten Sekunde an sich glaubt und Spiele drehen kann. Das zeigt das große Selbstbewusstsein dieser Truppe. Der BVB hat beide Spiele gegen PSG zu null gewonnen, da war auch etwas Glück dabei, aber das gehört dazu. Wenn du wie Real in der 89. Minute das 1:1 machst - nach einem Fehler von Manuel Neuer, das muss man ganz klar sagen - und dann in der Nachspielzeit das 2:1 erzielst, zeigt das, wie sehr die Spieler an den Sieg geglaubt haben.

SPORT1: Tut Ihnen Tuchel leid?

Kohler: Ja, natürlich. Ich kann das nicht nur als Trainer, sondern auch menschlich und auch als Spieler nachvollziehen. Ich persönlich glaube auch, dass es ihm jeder gegönnt hätte. Ich zumindest hätte es Tuchel gegönnt, dass er bis ins Endspiel kommt. Tuchel hätte den Henkelpott verdient gehabt. Deshalb ist es auch umso schmerzlicher, dass man dann durch so eine Entscheidung aus dem Wettbewerb rausfliegt. Tuchel tut mir leid.

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SPORT1: Fühlt man sich bei Bayern an das ganz traurige 1999 erinnert?

Kohler: Da waren die Voraussetzungen anders. 1999 waren die Bayern schon Meister, und dieses Jahr haben sie gar keinen Titel gewonnen. Deshalb kann man das schwer vergleichen. Von der Dramaturgie her kann man aber schon einen Vergleich ziehen; es ist fast so dramatisch wie 1999. So ein Spiel hinterlässt Narben. Meine Erfahrung zeigt, dass sowohl Bayern München als auch Borussia Dortmund es schaffen, im internationalen Wettbewerb, besonders in den K.o.-Spielen, souverän aufzutreten. Vor allem der BVB hat sich enorm gesteigert.

Lob für Hummels und Schlotterbeck

SPORT1: Kommen wir zum BVB. Hier gibt es Parallelen zum Halbfinale 1997 gegen Manchester United, als Sie Ihre Monstergrätsche ausgepackt haben und dafür zu Recht gefeiert wurden. Hier müssen wir jetzt über Mats Hummels und Nico Schlotterbeck sprechen.

Kohler: Es war damals ein Erfolg von uns allen, nicht nur von mir. Man kann den beiden nur für ihre tolle Leistung gratulieren. Für einen Jungen wie Schlotterbeck sind solche Spiele sehr wichtig, um die eigene Entwicklung voranzutreiben. Und Mats hat in den beiden Halbfinalspielen gegen PSG eine sehr gute Leistung gezeigt. Das muss man anerkennen.

SPORT1: Wie erklären Sie sich die zwei Gesichter des BVB - national und in Europa?

Kohler: Das ist genau die Gretchenfrage. In der vergangenen Saison wäre man fast Meister geworden. Es war ein Schock und dadurch hat sicherlich die erste Halbserie gelitten. Dann hat sich das Team zusammengefunden und in der zweiten Halbserie, wie übrigens auch im letzten Jahr, den Punkterückstand aufgeholt. In der Bundesliga hat die Mannschaft nicht besonders gut gespielt, aber dafür in der Champions League.

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Bleibt Terzic Trainer beim BVB?

SPORT1: Edin Terzic wurde zuletzt auch kritisiert und angezählt. Dürfte ihm dieser Sieg Sicherheit geben?

Kohler: Absolut. Terzic hat definitiv Pluspunkte gesammelt. Borussia Dortmund hat in der Champions League eine hervorragende Leistung gezeigt, jedoch zählt das leider nicht, wenn man den Titel nicht holt. Denn es ist klar, dass die Mannschaft weder im Pokal noch in der Meisterschaft an die international gezeigten Leistungen anknüpfen konnte. Das haben wir 1997 auch erlebt; ich kenne diese Situation. Aber ich glaube, wenn wir damals den Pokal nicht gewonnen hätten, dann hätte auch die gute Mannschaftsleistung in der Gruppenphase niemanden interessiert. Am Ende definiert man sich als Verein, Spieler oder Trainer durch Erfolge, auch wenn natürlich auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen.

SPORT1: Wie sehen Sie Terzic?

Kohler: Er ist ein sehr guter Trainer und passt perfekt zum BVB. Das sehe ich unabhängig vom Champions-League-Halbfinale. Kritik darf man üben, gerade in der Meisterschaft war diese auch berechtigt. Solche Fehler lassen sich immer reparieren; das ist uns 1997 mit dem Finalsieg gegen Juventus Turin auch gelungen. Dann wird jeder sagen: ‚Meisterschaft okay‘, aber dafür hat man den höchsten Titel geholt, den man im Vereinsfußball holen kann. Der Finaleinzug wird Terzic richtig gut tun. Aber ich glaube, dass sich an der Situation nichts geändert hätte. Selbst wenn er nicht ins Endspiel gekommen wäre, glaube ich, dass er nächstes Jahr Trainer von Borussia Dortmund gewesen wäre.

SPORT1: Im Dezember stand Terzic auf der Kippe. Haben Sie daran geglaubt, dass das Team diesen Turnaround mit ihm schafft?

Kohler: Ich habe zumindest daran geglaubt, dass die Ergebnisse besser werden. Das ist ja keine Mannschaft, über die man sagt, dass sie keine Titel holen kann. Da ist Substanz drin, es sind viele Probleme aufgetreten, Spieler konnten verletzungsbedingt nicht ihre Leistung abrufen. Bei Emre Can hat man darüber nachgedacht, ihn zu verkaufen. Dann hat er eine überragende Rückrunde gespielt und ist Kapitän geworden. Es gab viele Themen, die nach außen so gewirkt haben, als ob Unruhe da ist. Von der Qualität der Mannschaft war mir klar, dass sie viel besser spielen kann, als sie es damals getan hat. Davon bin ich nach wie vor überzeugt, und das haben sie auch bewiesen.

Sollte Hummels mit zur EM?

SPORT1: Sollten Hummels und Schlotterbeck zur EM mitgenommen werden?

Kohler: Das ist jetzt schwierig zu sagen, da Julian Nagelsmann (Bundestrainer, d. Red.) in den zurückliegenden beiden Länderspielen Veränderungen vorgenommen hat, auch was das Mannschaftsgefüge und die Spieler aus der zweiten Reihe betrifft. Ich glaube nicht, dass Hummels ein Spieler ist, der in der zweiten Reihe bleibt.

SPORT1: Also sollte Hummels eher nicht mit zur EM?

Kohler: Nein, das sage ich nicht. Hummels ist ein absoluter Führungsspieler. Nagelsmann hat seine Entscheidung getroffen, und ob er diese jetzt wieder revidiert, weiß ich nicht. Laut seiner Aussage sind noch ein oder zwei Plätze offen. Allerdings hat er nicht gesagt, welcher Mannschaftsteil davon betroffen ist. Er wird schon schauen, welcher Spieler absolut bereit ist, alles zu geben, auch die aus der zweiten Reihe. Von der Leistung zuletzt müssten Hummels und Schlotterbeck mit zur EM.

SPORT1: Sollte der BVB den Vertrag mit Hummels verlängern?

Kohler: Ich glaube, dass das in erster Linie Mats selbst beantworten muss. Er wird sagen können, ob er noch ein Jahr länger machen möchte oder ob er sich etwas anderes suchen will. Vielleicht hört er auch ganz auf. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vor sich geht.

SPORT1: Seine Leistung, wie er gegen PSG vorangegangen ist, hat aber schon überrascht. Oder?

Kohler: Auf jeden Fall. Hummels hat alle überrascht. Gerade jetzt in der K.o.-Phase hat er gute Spiele gemacht und geht voran, das finde ich richtig gut. Hummels übernimmt Verantwortung. Für den BVB würde es mich freuen, wenn sie in Wembley als Sieger vom Platz gehen würden. Mannschaften und Spieler definieren sich über Titel, da bleibe ich dabei.

„Es wäre ein absoluter Traum für Reus“

SPORT1: Für Marco Reus wird Wembley das letzte große Spiel mit seinem BVB. Er wird den Klub im Sommer verlassen. Jetzt könnte sich der Kreis schließen. Es ist eine romantische Geschichte, denn sein erstes Champions-League-Finale 2013 in Wembley wurde verloren, jetzt ist Reus wieder in Wembley dabei. Wie sehen Sie diese Geschichte?

Kohler: Ich glaube, diese Fußball-Romantik gibt es nicht mehr, aber für Marco würde ich mir einfach wünschen, dass er endlich den ganz großen Titel gewinnt und mit diesem dann in einen neuen Lebensabschnitt startet. Es wäre ein absoluter Traum für Reus. Er wird ja nicht aufhören, Fußball zu spielen; er hat sich nur entschieden, woanders hinzugehen, vielleicht weil er noch etwas anderes sehen will. Mir war damals mit 36 klar, dass ich aufhören werde. Ich glaube, dass Marco mit seinen 34 Jahren und auch Mats noch zwei Jahre spielen wollen und auch können. Letztendlich müssen die Spieler selbst entscheiden, was ihre persönlichen und sportlichen Ziele sind. Vielleicht möchten sie auch noch einmal ein anderes Land sehen.

Ist Ricken der richtige Mann für den BVB?

SPORT1: Lars Ricken wird der neue Geschäftsführer Sport beim BVB. Sie haben mit ihm zusammen die Champions League gewonnen. Ihr Verhältnis galt eine Zeit als angespannt. War das wirklich so und wie ist das heute?

Kohler: Nein, das war nie so. Ricken und ich hatten nie ein Problem miteinander. Da war immer alles in Ordnung.

SPORT1: Was sagen Sie dazu, dass er jetzt der Chef von Sebastian Kehl wird? Trauen Sie Ricken diesen Job zu?

Kohler: Ja, warum nicht? Er ist ein Ur-Dortmunder, dort ist er aufgewachsen. Jetzt hat er die Gesamtverantwortung im sportlichen Bereich, früher hatte er die Verantwortung für die Jugendabteilung. Und auch dort haben sie einige Titel gewonnen. Aus meiner persönlichen Sicht gab es nur zwei Optionen für den Job: Kehl oder Ricken. Mit einer anderen Entscheidung habe ich gar nicht gerechnet, auch wenn sicher andere Personen im Gespräch waren.

SPORT1: Können Sie da eine gewisse Enttäuschung bei Kehl verstehen?

Kohler: Ja, es ist menschlich, dass Kehl enttäuscht ist. Er hätte sich auch gerne in dieser Position gesehen, aber die Bosse haben sich anders entschieden. Ich glaube, dass Kehl und Ricken in den nächsten Jahren erfolgreich zusammenarbeiten werden.

„Eine gute Streitkultur gehört dazu“

SPORT1: Ricken, Watzke, Kehl, Terzic, Sven Bender, Sahin, Schmelzer. Ist es keine Gefahr, wenn zu viel Stallgeruch vorhanden ist?

Kohler: Ich glaube nicht, dass beide Co-Trainer (Sahin und Bender, d. Red.) in der kurzen Zeit eine große Veränderung in der Mannschaft verursacht haben. Man hat eine Aufgabenverteilung gemacht, vielleicht damit Edin den wesentlichen Blick auf das Gesamte werfen kann, und eine Entlastung in der täglichen Trainingsarbeit stattfinden kann. Deshalb glaube ich, dass man die beiden Spieler geholt hat, die auch ihren Wert für Borussia Dortmund eingebracht haben. Ich muss auch sagen, dass ich es immer gut finde, wenn ehemalige Spieler in Vereine eingebunden werden, egal ob im unmittelbaren Tagesgeschäft oder beratend. Das finde ich grundsätzlich nicht schlecht. Trotzdem muss man die Augen offenhalten, für was der Verein steht und wie man ihn weiterentwickeln kann. Da wird sich dann zeigen, ob das der richtige Weg ist.

SPORT1: Kann diese Kombination auch noch mit Sven Mislintat funktionieren?

Kohler: Das kann schon sein. Aber bei Bayern war es einst nichts anderes mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Und trotzdem hat das über zwölf Jahre funktioniert. Eine gute Streitkultur gehört dazu, um Vereine und Menschen zu entwickeln, aber man darf sich nicht zerfleischen. Uli und Kalle haben vor zwei, drei Jahren, als sie entschieden haben, sich zurückzuziehen, Entscheidungen getroffen, die noch nicht ganz die richtige Wirkung haben. Aber in den nächsten Jahren wird man sehen, ob das Modell Bayern funktioniert. Ich kann verstehen, dass die beiden noch darüber wachen wollen und sich erst zurückziehen, wenn sie das Gefühl haben, dass es funktioniert. Übrigens wird es bei Borussia Dortmund dasselbe sein; ich glaube nicht, dass sich Aki Watzke in seinem Ruhestand zurücknehmen wird.

SPORT1: Gibt es Konfliktpotential? Wenn noch Mislintat dazukommt, sind es sehr viele Alphatiere bei Dortmund.

Kohler: Alphatiere haben dem Erfolg noch nie geschadet, im Gegenteil, sie fördern ihn. Deshalb sehe ich das gar nicht so dramatisch. Wenn man intern miteinander diskutiert und das auch intern bleibt, wird in einem Verein besser gearbeitet.

Wer wird neuer Bayern-Coach?

SPORT1: Wer wäre für Sie der kommende Bayern-Trainer?

Kohler: Ich habe da allerdings eine ganz andere Meinung. Ich wüsste da jemanden, aber er ist momentan noch nicht bereit ab Sommer zu arbeiten. Eberl sollte sich bereits jetzt um Jürgen Klopp bemühen. Klopp würde Bayern wieder auf ein anderes Level bringen. Als Übergangslösung fällt mir nur Felix ein. Der hat eine gewisse Autorität und wohnt in München. Sie sollten zuerst Magath holen und dann Klopp.

SPORT1: Letzte Frage: Wie schätzen Sie Dortmunds Chancen in Wembley ein?

Kohler: 50:50. Dortmund hat sechs oder sieben Pfostenschüsse gegen PSG überlebt. Jetzt kann man sagen, die Dortmunder haben auch die eine oder andere Chance, aber auf diesem Niveau kann man sich nicht viele Fehler erlauben. Ich fühle mich als Dortmunder und Deutscher. Deshalb steht es für mich außer Frage, wem ich die Daumen drücke.