Wenn es im Leben des Stefan Effenberg einen Moment gegeben hat, an dem er die Zeit hätte anhalten wollen, dann ist es unweigerlich jener kurz vor Mitternacht in Mailand vor 22 Jahren.
Als der Tiger den Gipfel erklomm
23. Mai 2001, 23.44 Uhr - „Effe“ stemmt die Champions League-Trophäe in die Höhe.
Nach 25 Jahren holen die Bayern endlich wieder den wichtigsten Vereinspokal für eine europäische Mannschaft und er darf ihn zuerst anfassen. Im Champions League-Finale gegen FC Valencia konnte sich der deutsche Rekordmeister im Elfmeterschießen gegen die Spanier durchsetzen.
Stefan Effenberg, Kapitän von Bayern München und noch viel mehr. Für seinen Trainer Ottmar Hitzfeld ist er „der aggressive Leader“, denn der rotblonde Schlaks mit Hamburger Wurzeln war Wachrüttler, Antreiber und Provokateur in einem.
Reizfigur für Millionen von Fußballfans, insbesondere Bayern-Hasser, selten um einen guten Spruch verlegen und nie auf Tauchstation.
Mangelndes Temperament konnte ihm keiner vorwerfen, er führt die Liste der Spieler mit den meisten Gelben Karten in 60 Bundesligajahren an, auch sieben Platzverweise überbieten nur ganz wenige.
Effenberg polarisiert beim FC Bayern
Bei den Bayern war er zweimal und schon während der ersten Etappe kam der neue aus Mönchengladbach nicht auf die Idee, sich hintenanzustellen.
In seinem ersten Bundesligaspiel im August 1990 liegen die Bayern sieben Minuten vor Schluss 0:1 zurück, als es Elfmeter für sie gibt. Fünf Weltmeister stehen auf dem Platz, im Sturm die Millionen-Stars Laudrup und Mihajlovic.
Wer aber schießt? Effenberg. Und er trifft. „In Gladbach habe ich doch auch geschossen und hier sind die Tore nicht kleiner“, gibt er keck zu Protokoll. Der Mann beeindruckt vom ersten Tag an München und er polarisiert.
Sein Spruch „Die anderen sind einfach zu dumm, um den Titel zu gewinnen.“ klebt 1991 an vielen Kabinenwänden der Liga und bringt ihm landauf, landab Pfiffe ein, sogar bei Länderspielen.
Nach zwei Jahren ohne Titel endet seine erste unglückliche Münchner Episode, aber so soll es nicht enden mit ihm und den Bayern.
Effenberg kehrt 1998 zum FC Bayern zurück
1998 kommt er zurück, gestanden und gereift. Wieder aus Mönchengladbach und nun fließen schon 8,5 Mio DM (ca. 4,25 Mio Euro). Lothar Matthäus ist noch da, auch Thomas Helmer, Letzterer ist der Kapitän.
Nicht aber der Anführer. Dafür ist Effenberg prädestiniert und mit ihm ziehen die Bayern ins Landesmeisterfinale 1999 ein, das sie denkbar unglücklich gegen Manchester United verlieren – durch zwei Tore in der Nachspielzeit.
Weit nach Abpfiff sieht man „Effe“ mit einem Weizenbierglas in Barcelona über den Rasen laufen, in Gedanken versunken. In jener Nacht, so heißt es, wird der Champion von 2001 geboren.
Aus der dramatischen Niederlage ziehen die Bayern Kraft, während andere daran zerbrochen worden wären. 2000 scheitern sie noch im Halbfinale an Real Madrid, aber 2001 kommen sie ins Finale. Die letzte Etappe davor sind die Spiele mit Manchester United.
Ausgerechnet. Bayern dürstet nach Revanche, in Old Trafford bekommen sie sie und mehr im Gedächtnis als das Siegtor von Paulo Sergio bleibt eine Szene mit den Leadern der Teams.
Effenberg schießt gegen Beckham
David Beckham, gehypter Superstar der Engländer, hat auch unangenehme Seiten, wie Effenberg SPORT1 erzählt.
Im Hinspiel trifft er Effenberg von hinten an der Achillessehne.
„Er war kein sauberer Spieler, eher hinterfotzig“, findet Effenberg. Weshalb er die zur Entschuldigung ausgestreckte Hand ablehnt und damit ausdrücken wollte: „Nein danke, wir sehen uns später!“
Dass er damit das Publikum gegen sich aufbringt, hat einen wie Effenberg nie gestört. „Auswärts ein Zeichen setzen – wir haben keine Angst – dafür stand ich!“
Und für Courage. Im Finale von Mailand lagen die Bayern früh zurück, dann vergab Mehmet Scholl einen Elfmeter, doch es gab noch einen und den exekutierte der Kapitän, der auch im Elfmeterschießen die Nerven behielt und nach dem dritten von Oliver Kahn gehaltenen Ball den Henkelpott in die Luft stemmen konnte.
Damals, in Mailand.