Der Begriff „Baumeister“ ist ja recht häufig zu lesen. Oder es ist die Rede vom „Architekten des Erfolgs“. Mit tatsächlicher beruflicher Herkunft haben diese Begrifflichkeiten in der Regel kaum etwas zu tun.
Benficas brachialer Baumeister
Anders bei Roger Schmidt. Der frühere Trainer von Bayer Leverkusen hat nach dem Maschinenbau-Studium für acht Jahre als Ingenieur bei einem Automobilzulieferer gearbeitet.
Was das mit Schmidts aktuellem Job bei Benfica Lissabon zu tun hat, das im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League am Dienstag (21 Uhr im Liveticker) auf den FC Brügge trifft?
Zumindest so viel: Der 55-Jährige soll nun in der Königsklasse dafür sorgen, dass der portugiesische Traditionsklub erneut in die Runde der letzten acht Teams einzieht, in der es im Vorjahr gegen den späteren Finalisten FC Liverpool Endstation hieß.
Roger Schmidt formt Benfica zur Macht
Natürlich sind sie bei Benfica trotz des souveränen 2:0 gegen Brügge im ersten Vergleich keineswegs so vermessen, jetzt konkret in Richtung Henkelpott-Gewinn zu denken.
Und doch hat der Sauerländer Schmidt Portugals Rekordmeister seit seinem Amtsantritt im vergangenen Mai zu einer Einheit geformt, die den Großen an guten Tagen mehr als nur kämpferisch auf Augenhöhe begegnen kann.
Von einem ICE-Fußball schrieb dazu unlängst der kicker, einem nach vorne gerichteten Auf-sie-mit-Gebrüll-Ansatz, der viele Tempoläufe und permanente Aktivität vorsieht.
Was ist das Geheimnis von Roger Schmidt?
Woraus das Geheimnis des Deutschen besteht, ob es überhaupt ein Geheimnis gibt, lässt sich seriös schwer beantworten, will man dabei mehr als nur aktuelle wie frühere Wegbegleiter zu Wort kommen lassen.
Manche Aussagen lassen dennoch tief blicken. Wie zum Beispiel die von Mario Götze - inzwischen bei Eintracht Frankfurt - der seinen Verbleib bei der PSV Eindhoven, wo ihn Schmidt damals trainierte, einst an die Zukunft des Trainers geknüpft hatte („Würde Roger wegwollen, würde ich mir Gedanken machen“).
Schmidt selbst hatte im kicker vor einiger Zeit erklärt: „Ich mag es, wenn ich auf dem Platz eine Mannschaft sehe, die neben einem klaren Plan auch alles einbringt, um ein Spiel zu gewinnen, die bedingungslos zusammenhält.“
Dass Benfica genau das tut, spricht sowohl für die Befähigungen des Fußball-Lehrers Schmidt als auch für dessen Glaubwürdigkeit und Authentizität gegenüber seinen Spielern.
Seine Handschrift bei Benfica war denn auch bereits nach kurzer Zeit klar zu erkennen: Extrem aggressiv gegen den Ball, hohes Pressing - zu spüren ist darin auch Schmidts Vergangenheit bei RB Salzburg, ehe der Routinier ein Intermezzo in China bei Beijing Guoan eingegangen war.
Siegesserie von 25 Spielen und Champions-League-Coup
Die Erfolge des ersten ausländischen Benfica-Coachs seit 2009 - erinnert sei dabei auch an die früheren Gestalter Jupp Heynckes oder Ronald Koeman - stellten sich schnell ein.
Nicht nur mit Blick auf 25 Partien ohne Niederlage, die erste gab es erst wieder kurz vor dem Jahreswechsel beim 0:3 gegen Sporting Braga.
Auch und gerade in der Champions League, wo Schmidts Benfica als zweitbestes Team der Gruppenphase gleich zweimal einen 1:1-Achtungserfolg gegen Paris Saint-Germain feierte und das hochgehandelte Juventus Turin ausstach.
Das gelang mit dem laut transfermarkt.de viertbilligsten Kader aller Achtelfinalisten (277,5 Millionen Euro).
Flaschenwurf als Aufreger - wie schon mehrmals
Dass Schmidt durchaus auch mal für einen Aufreger gut ist und brachial sein kann, wird in Portugal bislang eher unaufgeregt gesehen.
So auch, als der Routinier vor wenigen Tagen beim 2:0-Auswärtssieg über den FC Vizela des Feldes verwiesen wurde, weil er eine Plastik-Wasserflasche in bester Paolo-Guerrero-Manier zurück ins Publikum warf, dafür Rot sah und mit einer Sperre von einem Spiel belegt wurde.
Der Ingenieur Schmidt, einst in der Bundesliga übrigens nach Kontroversen mit Schiedsrichter Felix Zwayer (2016) und ein weiteres Mal mit dem damaligen Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann des Innenraumes verwiesen und bestraft, hat den Blick beim Rekordmeister Portugals (37 Titel) längst wieder nach vorn gerichtet.
Damit „die Idee, an Projekten zu arbeiten und als Team zusammenzuarbeiten, um diese Projekte abzuschließen und zum Laufen zu bringen“, wie er im Interview mit der UEFA betonte, nun in ein Weiterkommen gegen Brügge mündet.