Die Blicke regelmäßiger Beobachter von Eintracht Frankfurt wanderten häufiger verwundert in Richtung Gästeblock. Obwohl es im Champions-League-Duell bei Sporting Lissabon um alles ging, war der Support verhältnismäßig leise, kaum wahrnehmbar. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Champions League)
Europas Furcht vor den Eintracht-Fans
Auch Kapitän und Matchwinner Sebastian Rode gab verwundert zu: „Ich habe auf der Bank gesessen und unseren Teammanager Christoph Preuß gefragt, wo die Fans sind. Sie wurden vor dem Stadion festgehalten. Was dort betrieben wird, ist gefühlt Willkür.“
Eine Information kurz vor dem Anpfiff gab tatsächlich Aufschluss über die fehlende Stimmgewalt: „Weil der obligatorische Fanmarsch von der Polizei extrem in die Länge gezogen wurde und aufgrund des unzureichenden Einlassmanagements sind annähernd 800 Fans noch nicht im Stadion.“
Sprich: Von den rund 2.500 Anhängern, die eine Karte ergatterten, verbrachte rund ein Drittel den ersten Durchgang dieses historischen Endspiels vor den Stadiontoren.
In der zweiten Halbzeit erst waren sie vollständig vertreten: lautstark, friedlich, ohne Pyrotechnik oder sonstigem Schnickschnack. Auch sie hatten ihren Anteil am großen Erfolg. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Champions League)
Eintracht-Vorstandssprecher Hellmann kritisiert Sporting
Die Gegner wissen spätestens seit der Fan-Invasion in Barcelona, was auf sie zukommt, wenn sie Eintracht Frankfurt zugelost bekommen.
Vorstandssprecher Axel Hellmann fasste zusammen: „Viele Fans sind nach Lissabon gereist, rund 10.000 waren in der Stadt. Nur ein Drittel hat überhaupt Tickets für dieses wichtige Spiel bekommen. Mich betrübt das, weil das Stadion nicht voll war.“
Er sprach von Schikane bei der Behandlung der Anhänger. SPORT1 hatte zuvor berichtet, wie verzweifelt die Suche nach Karten verlief.
In der Tat meldete der Stadionsprecher nach 80 Minuten die offizielle Zuschauerzahl von rund 41.000. Es waren nicht die zuvor verbreiteten 16.000 oder 20.000 Plätze, doch 10.000 Sitzschalen blieben leer.
Sporting verzichtete also bewusst auf Einnahmen. Schikane als Methode?
Dieser Eindruck verfestigt sich. Schon in Spanien oder auch England ging es ruppig zu vor dem Einlass. Die Toleranzgrenze der Polizei und Ordnungsleute tendiert gen null.
So groß ist der Respekt, die Angst vor der Anhängerschaft der Eintracht inzwischen. Hellmann kritisierte: „Die Fans, um die es gegangen wäre, wären auch auf der Tribüne nicht gefährlich gewesen. Es ist insgesamt nicht das, wie ich mir auf europäischer Ebene den Umgang mit Gästen vorstelle.“
„Die Klubs melden ausverkauft, obwohl noch Plätze frei sind. Ich habe eine andere Vorstellung von einem Fanfest. Aber – so, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch hinaus.“
Gegnerische Vereine haben Angst vor Eintracht-Fans
SPORT1-Beobachtungen decken sich mit denen des Frankfurter Vorstandssprechers. In der Innenstadt, am Strand oder rund um das Stadion gab es zu keinem Zeitpunkt wilde oder gefährliche Szenen.
Im Gegenteil: In den kleinen Gässchen mit den vielen Bistros, Cafés und Restaurants saßen die Anhänger bei Sonnenschein und Temperaturen rund um die 20 Grad bestens gelaunt und genossen ihre Cerveza.
Doch je näher der Anpfiff der Partie rückt, desto größer wird offenbar die Furcht der gegnerischen Vereine.
Mehr als die von der UEFA erlaubten fünf Prozent geben die Klubs dann nicht frei. In ausverkauften Stadien wie in England ist das verständlich und kein Problem.
Auch bei einem vogelwilden und hochgefährlichen Ausflug wie nach Marseille, wo die Bedingungen grenzwertig sind und Ordner und Polizei keinerlei Schutz bieten, wird es keinen Unmut wegen der Ticketanzahl geben. (Bericht: So schlimm war die Marseille-Hölle)
Bei Traditionsklubs gibt‘s ein „Hauen und Stechen“
Bei einem Duell in Lissabon ist das Eintracht-Verständnis ein anderes. Die ausgeprägte Reisekultur der Frankfurter wird europaweit nur noch von ganz wenigen Traditionsteams aus Deutschland geteilt.
Ein Hauen und Stechen um das Fünf-Prozent-Kontingent?
Was in Köln, Frankfurt oder früher Gladbach und Schalke für viel Stress und Frust sorgte, ist bei einem großen Teil der ausländischen Klubs eher kein Problem.
Die Gästekurven von Lissabon und Tottenham Hotspur blieben verhältnismäßig leer in den Vorrundenpartien der Königsklasse, einzig Marseille brachte einen größeren Anhang mit.
Dass die Eintracht-Fans auf einem anderen Niveau unterwegs sind, ist offensichtlich. Das Thema wird den Klubs höchstwahrscheinlich auch im Achtelfinale oder bei weiteren Reisen verfolgen. Eine Demütigung auf der Tribüne, wie sie Barcelona erlitten hat? Das möchte kein Klub mehr erleben.
Genugtuung bei Hellmann
Vor knapp vier Jahren war das noch anders. Inter Mailand etwa ließ rund 20.000 Eintracht-Fans ins Stadion, 2013 erhielten 12.000 Anhänger von Bordeaux die gesamte Kurve. Vorbei!
Hellmann jedenfalls verspürte eine gewisse Genugtuung: „Ein bisschen Karma war dabei. Mit den Fans im Rücken hat die Mannschaft mit der richtigen Mentalität die Partie gedreht. Es war kein Fußballleckerbissen, aber im entscheidenden Moment haben wir den Punch gesetzt.“
Und Lissabon trotz aller Schikanen getrotzt.