Toni Kroos vergrub die Hände vor dem Gesicht.
Kroos straft Hoeneß Lügen
Nicht etwa, weil ihn nach seinem historischen fünften Champions-League-Triumph die Emotionen übermannten, er seine Tränen zurückhalten wollte.
Nein, dem Ex-Nationalspieler passte es kurz nach dem 1:0-Sieg von Real Madrid im Finale gegen den FC Liverpool überhaupt nicht, welche Fragen er von ZDF-Reporter Nils Kaben gestellt bekam. (News: Kroos bricht Interview ab)
Kroos attestierte seinem Gegenüber „Sch***-Fragen“, sprach von „Wahnsinn“ und ließ, nachdem er das Interview abgebrochen hatte, noch folgen: „Ganz schlimm. Ganz schlimm, wirklich.“
Kroos-Interview geht viral
Manch einer warf dem Mittelfeldspieler anschließend Arroganz, Dünnhäutigkeit oder Unsouveränität vor, überwiegend erhielt Kroos allerdings Zuspruch.
ZDF-Experte Per Mertesacker fühlte sich an sein legendäres Eistonnen-Interview erinnert, als er sich bei der WM 2014 für das zugegebenermaßen mühsame Weiterkommen im Achtelfinale gegen Algerien rechtfertigen musste.
Dass der Großteil der Fragen des Field-Interviews, das auch in Spanien und England hohe Wellen schlug, auf die Unterlegenheit Reals im Finale abzielte, lässt sich zumindest als unglücklich bezeichnen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Champions League)
Kroos im Olymp der Titelträger
So kam es, dass Kroos wegen des Interviews bei Twitter trendete - nicht aber für den unfassbaren Erfolg, an dem er einmal mehr maßgeblich beteiligt war und mit dem er endgültig in den Olymp der Titelträger aufgestiegen ist. (Kroos und Alaba im exklusiven SPORT1-Interview - hier entlang!)
Bei sage und schreibe fünf Champions-League-Siegen ist der 32-Jährige nun angekommen, was er seinen Followern als Foto-Botschaft auch in der Nacht hinterließ.
Damit schloss er gar zu Rekordhalter Cristiano Ronaldo auf (Real-Legende Paco Gento gewann den Vorgänger-Titel sogar sechsmal).
Kroos‘ besonderer CL-Titel
Doch nicht deswegen war der Triumph für den gebürtigen Greifswalder speziell.
„Ich habe diesen Pokal einige Male gewonnen, aber das ist für mich ein ganz besonderer Tag, weil alle meine Kinder diesmal im Stadion sind“, sagte der 32-Jährige über die Unterstützung seiner Kinder Leon, Amelie und Fin: „Wie schön das ist, das ist für mich kaum zu beschreiben. Das muss ganz bestimmt erstmal ein paar Tage sacken.“
Bei DAZN ergänzte er: „Das war mein großes Ziel, dass das nochmal passiert.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Champions League)
Kroos schwärmt von Ancelotti
Über den Weg zum Titel sagte Kroos bei SPORT1: „Schwierig war es sowieso immer, dramatisch war es auch oft. Es kann schon sein, dass es dieses Jahr besonders dramatisch war, aber für mich haben alle fünf Titel dieselbe Wertigkeit.“
Er ergänzte: „Wenn ich ehrlich bin: Es war vielleicht der Titel, den ich von den fünf am wenigsten erwartet hatte.“ Lob gab es für Real-Coach Carlo Ancelotti: „Carlo ist ein herausragender Trainer. Er hat eine unglaubliche Ruhe und überträgt sie auf die Mannschaft.“
Kroos‘ Ansehen in Spanien besser als in Deutschland
Kroos ist bereits seit 2017 der erfolgreichste deutsche Spieler der Königsklasse. Zudem ist er der einzige deutsche Spieler, der diesen Wettbewerb mit zwei verschiedenen Vereinen gewinnen konnte.
Und dennoch haftet ihm vor allem in Deutschland immer noch bisweilen der Ruf eines Mitläufers an, der den Spitznamen „Querpass-Toni“ trägt, in der Nationalmannschaft häufig kritisiert und beim FC Bayern nicht genügend wertgeschätzt wurde.
Außerhalb Deutschlands - wo er natürlich auch viele Verehrer hat - ist sein Ansehen deutlich besser. Vor allem in Spanien, wo er spätestens jetzt Heldenstatus genießt.
Vielleicht fühlte sich Kroos in seinem Wut-Interview („Du stellst erst zwei negative Fragen. Da weiß man direkt, dass du aus Deutschland kommst“), auch daran erinnert. Nach dem Motto: „Was soll ich denn noch machen, damit ihr endlich zufrieden seid?“
Kroos straft Hoeneß Lügen
Nach Königsklassen-Coup Nummer fünf sollten auch die größten Kritiker ihren Hut vor Kroos ziehen. Vielleicht muss auch Uli Hoeneß eingestehen, dass der Real-Star doch noch nicht aus der Zeit gefallen ist.
„Ich mag den Toni Kroos extrem. Aber seine Art zu spielen ist total vorbei. Bei der ganzen EM habe ich keinen Spieler gesehen, der so einen Fußball spielt“, hatte Hoeneß im EM Doppelpass auf SPORT1 im Juli geurteilt.
Dass es einer der größten Bayern-Fehler war, den Mittelfeldstrategen 2014 ziehen zu lassen, ist wohl aber auch dem Ex-Präsidenten bewusst. Ex-Nationalspieler Markus Babbel freute sich bei Blick Kick: „Er wurde in Deutschland so hart kritisiert. Man sagte, er sei zu alt, spiele doch so langsam.“ (News: So reagiert Babbel auf Kroos‘ Interview-Abbruch)
„Sir Toni Kroos“ brilliert für Real
Im Finale gegen Liverpool überzeugte Kroos einmal mehr als Taktgeber, der auch in brenzligen Situationen kühlen Kopf behielt. 92,7 Prozent seiner Pässe kamen laut Squawka an, von insgesamt 86 Anspielen fanden 76 ihren Mitspieler, bei langen Bällen lag seine Quote gar bei 100 Prozent.
In seiner Real-Laufbahn hat Kroos in jeder Champions-League-Saison mindestens eine Passquote von 92 Prozent erreicht - und dabei 50 Prozent der Trophäen eingeheimst!
Ex-Nationalspieler Sandro Wagner adelte ihn in seiner Rolle als DAZN-Experte gar als „Sir Toni Kroos“, David Alaba, dessen Real-Wechsel sich ebenfalls auszahlte, küsste ihn gleich mehrfach vor Anerkennung auf die Wange.
„Es ist echt schwer, in Worte zu fassen. Es ist unfassbar“, meinte Kroos bei DAZN.
Fertig ist Kroos aber noch nicht. Sein Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2023, bei GoalEspana sprach er schmunzelnd von zwei weiteren Jahren in Madrid. Mit Querpässen und genialen Bällen, Kritik und Anerkennung - und vermeintlichen „Sch***-Fragen“.