Der FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp und Tottenham Hotspur bestreiten am Samstag (Champions League: Tottenham Hotspur - FC Liverpool, Sa. ab 20.30 Uhr live bei DAZN, ab 21 Uhr im LIVETICKER) in Madrid das rein englische Finale der Champions League.
Jürgen Klopp: Liverpool "wie Wölfe"
Für Klopp ist es das dritte Endspiel in Europas Königsklasse. Mit Borussia Dortmund verlor er 2013 gegen den FC Bayern, im Vorjahr scheiterte er mit Liverpool an Real Madrid.
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Dass die Reds überhaupt wieder im Finale stehen, hat erst das Wunder gegen den FC Barcelona im Halbfinal-Rückspiel möglich gemacht.
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Klopp über die besonderen Momente im Fußball, Motivation – und über seinen Trauzeugen, Schalkes neuen Trainer David Wagner.
SPORT1: Das Halbfinal-Rückspiel gegen Barcelona hat es erst ermöglicht, dass der FC Liverpool nach dem Vorjahr erneut im Finale der Champions League steht. Wie haben Sie dieses Wunder in Erinnerung?
Jürgen Klopp: Wir sind tatsächlich nach dem Hinspiel, als wir 3:0 verloren haben, mit einem besseren Gefühl rausgegangen aus dem Spiel, als wir in das Spiel reingegangen sind. Du wusstest nicht genau, was passiert eigentlich in Barcelona. Wir hatten dort zuvor nie gespielt. Es ist ein Mythos – berechtigterweise, weil sie extrem stark sind und Messi nicht zu verteidigen ist. Nach dem Spiel wussten wir, mit Messi ist es tatsächlich ein bisschen schwierig. Ansonsten ist alles andere für uns in Momenten regelbar. Je häufiger wir diesen Moment auf den Platz kriegen, desto größer ist die Chance, dass wir das Rückspiel gewinnen.
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SPORT1: Einfach nur gewinnen hätte aber nicht gereicht ...
Klopp: Eigentlich ging es nur darum. Es ging nicht ums Weiterkommen. Es ging für uns nur darum, das Rückspiel zu gewinnen. Wir wissen, wir haben ein gutes Spiel in Barcelona gemacht, klar verloren, und zu Hause müssen wir ein sehr gutes Spiel machen und gewinnen. Dann werden wir im Laufe des Spiels sehen, ob wir ein Ergebnis machen, das uns kurz vor Schluss die Möglichkeit bietet, den Bock komplett umzustoßen. Daraus hat sich ergeben, dass wir voller freudiger Erwartung auf das Spiel waren. Wir hatten Bock darauf – auch wenn es das dritte Spiel in sechs Tagen war. Da hat es dann schon geholfen, dass es Barcelona ist und dass es Champions League ist und man nicht über etwas anderes nachdenken muss, da ist die Eigenmotivation bei den Spielern natürlich riesig. Was dann passiert ist, ist Fußball und ohne Glück nicht möglich. Wir brauchten einen guten Torwart, wir brauchten eine sensationelle Verteidigung und wir brauchten extrem viel Mut, um den Fußball so durchzuziehen, wie wir es gemacht haben. Als ich gesehen habe, wie wir angefangen haben - Anstoß Barcelona, Rückpass -, hatte ich den Eindruck, wir haben ein paar Wölfe auf den Platz gestellt, die acht Wochen nichts zu fressen bekommen haben. Sie sind wirklich draufgegangen wie die Wahnsinnigen. Da war klar, die Richtung stimmt schon mal, jetzt müssen wir daraus noch was machen.
SPORT1: Was haben Sie denn den Jungs vor dem Spiel gesagt? Haben Sie etwas anders gemacht als sonst? Es werden ja die verrücktesten Geschichten erzählt ...
Klopp: Das machen die Jungs selbst. Motivation läuft nicht in einer halben Stunde ab. Motivation läuft auch nicht in zwölf Minuten ab oder in einer Stunde. Du musst im besten Fall eine Atmosphäre kreieren über Stunden, Tage, Wochen, Monate, in der solche Dinge grundsätzlich möglich sind. Je mehr du in einer solchen Situation aus dem Sattel gehst als Trainer, das habe ich zumindest für mich gelernt, desto mehr spürt die Mannschaft: Da ist irgendwas im Busch. Wir waren relativ gelassen. Ich versuche in solchen Situationen immer die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit ist, es ist unmöglich, aber weil ihr es seid, haben wir eine Chance. Das habe ich genauso empfunden und das habe ich ihnen gesagt. Ansonsten haben wir relativ viel über Fußball gesprochen. Wie wir sie anlaufen wollen, welche Räume wir bespielen wollen, wo wir hinmüssen, wie viele Leute wir in der Box haben wollen. Wir haben gesagt, bei einer Flanke sollen so viele Leute in der Box sein wie gegen Huddersfield. Es ist ein bisschen schwieriger, weil die Absicherung ein bisschen flöten geht, aber dieses Risiko müssen wir eingehen. Wir haben hinten auch ein bisschen anders verteidigt – all solche Dinge. Die Jungs haben alles eins zu eins angenommen. Die Jungs haben ein sensationelles Potential und haben daraus an dem Tag mit ihrer Einstellung eine Sensationsqualität gemacht. Das macht den ganzen Unterschied. Was immer ich da draußen, in der Kabine oder im Hotel im Sitzungsraum erzähle, ist völlig bedeutungslos, wenn die Jungs das nicht mit einer ganz, ganz großen Leidenschaft auf den Platz bringen.
SPORT1: Was lernt man aus so einem Spiel? Was lernt der normale Mensch aus so einem Spiel?
Klopp: Ich bin natürlich auch ein normaler Mensch, aber ich bin erst mal ein Fußballtrainer. Fußball ist nicht so wichtig, aber weil so viele Leute zugucken doch ein gutes Beispiel. Was ist gefragt? Was muss man machen? Das kriegt man von anderen Situationen nicht so häufig mit. Was im Büro oder hinter verschlossenen Türen stattfindet? Keine Ahnung. Unsere Probleme werden in maximaler Öffentlichkeit gelöst oder eben nicht, deswegen ist es natürlich schon beispielgebend. Wenn meine Mannschaft nicht Fußball spielen könnte, könnte ich ihr nicht einreden, dass sie Barcelona schlagen kann. Da wir aber richtig gut Fußball spielen können, ist es möglich sie davon zu überzeugen, dass wir eine richtig große Chance haben. So funktioniert es im Grunde genommen. Das erste Spiel hat geholfen, weil wir gemerkt haben, wir sind vielleicht cleverer im Moment. Natürlich haben die Messi, natürlich haben die die anderen Qualitätsspieler, aber da haben wir normalerweise das Gefühl, dass wir vieles davon über taktische Maßnahmen auf unser Niveau runterziehen können und sie dann auch schlagen können. Darüber hinaus habe ich keine Message.
SPORT1: Ihr Trauzeuge David Wagner ist nun Trainer bei Schalke 04. Wie sehr hat die Nachricht Sie gefreut?
Klopp: Für ihn habe ich mich super gefreut. Noch schwerer als Schalke hätte er es aber nicht machen können (lacht). Aber Dave (David Wagner, d. Red.) hat natürlich schon immer ein Herz für Schalke gehabt, dadurch dass er da gespielt hat. Es ist ein großes Ding für ihn, ein großer Verein. Jetzt haben sie endlich den Trainer, der die ganze Sache bei ordentlicher Mithilfe von außen auch auf Normalmaß beruhigen kann, und dann können sie von da aus starten. Es wird meine Freunde in Dortmund vielleicht nicht so sehr freuen, aber Schalke hat einen richtig guten Trainer bekommen.