Von Carsten Fuß
Atletico Madrids Legende Radomir Antic vor FC Bayern im SPORT1-Interview
Legende Antic: "Atletico gibt nie auf"
In seiner ersten Saison holte Radomir Antic mit Atletico Madrid 1996 das Double in Spanien. Sein wichtigster Spieler damals: Diego Simeone.
Schon vor 20 Jahren machte sich Atletico einen Ruf als äußerst unangenehmer Gegner, kassierte in der Liga die wenigsten Gegentore. Simeone setzt heute Antic' Werk fort - auf einer ganz neuen Ebene.
Am Mittwoch trifft er mit seiner Mannschaft im Halbfinal-Hinspiel der Champions League auf den FC Bayern (LIVE und kostenlos in voller Länge in unserem Sportradio SPORT1.fm und im LIVETICKER), zum zweiten Mal in drei Jahren steht er unter den letzten Vier.
Im Interview mit SPORT1 beschreibt Antic die Entwicklung Atleticos unter Simeone und verrät, was den Verein so besonders macht.
SPORT1: Herr Antic, wofür steht Atletico Madrid als Verein?
Radomir Antic: Atletico Madrid ist ein Verein, der die Mittelschicht vertritt. Ehrliche Leute, große Kämpfer. So ist auch Atletico. Der Fußball spiegelt ja wie so oft die gesellschaftlichen Verhältnisse wider.
SPORT1: Welche Charakteristiken hat der Klub also?
Antic: Atletico ist eine Mannschaft, die kämpft und nie aufgibt. Das Wichtigste ist die Arbeit gegen den Gegner und gegen den Ball. Sie ist bestens organisiert, defensiv stark und lauert auf ihre Chancen. Die Wiederauferstehung von Fernando Torres hat das Bild der Mannschaft verändert. Aktuell zeigt Atletico sein bestes Gesicht in der ganzen Saison.
SPORT1: Atletico spielt anders als die Konkurrenz - was ist das Besondere an der Spielweise der Mannschaft?
Antic: Atletico versucht immer, die Zweikämpfe zu suchen und sich den Gegenspielern zu stellen. Die Mannschaft ist körperlich sehr stark. Es ist egal, ob die gegnerische Mannschaft viel mehr Ballbesitz hat, weil die Spieler wissen, dass sie sich durch kollektive Verteidigung vor Gegentoren schützen können und sie nach Balleroberung und schnellen Kontern zu ihren Chancen kommen.
SPORT1: Trainer Diego Simeone hat entscheidenden Anteil am Erfolg. Was ist er für ein Typ?
Antic: Ich hatte Cholo Simeone ja auch als Spieler. Er hat als Trainer die gleichen Charakteristiken wie früher schon als Spieler: Er ist ein Kämpfer, immer vorbereitet und kann die Menschen mitreißen.
SPORT1: Welchen Einfluss hat der Spieler Simeone auf den Trainer Simeone?
Antic: Ich kann mich erinnern, dass er in einer Saison 14 Tore nach Standards geschossen hat, besonders nach Freistößen auf den ersten Pfosten. Standards sind ja auch heute noch ein großes Thema bei Atletico. Simeone hat Charakter, Kampfgeist und Charisma. Und Atletico war für Simeone schon als Spieler seine große Liebe.
SPORT1: Spielt Atletico dreckigen Fußball?
Antic: Nein! Ich glaube, dass gerade die letzten Spiele eine andere Sprache sprechen. Atletico spielt einen technisch hochwertigen Fußball, Simeone legt viel Wert auf defensive Disziplin, aber auch auf eine effiziente Offensive. Das ist kein Zufall. Simeone hat die Mannschaft sehr gut auf den Spielrhythmus eingestellt. Du hast jede Woche zwei, drei Spiele, viele Mannschaften wirken jetzt schon ziemlich müde. Aber Atletico nicht, Simeones Mannschaft erlebt gerade jetzt ihre beste Saisonphase.
SPORT1: Wie wird Atletico gegen den FC Bayern auftreten?
Antic: Es ist ganz klar, dass sie darauf aus sein werden, den Gegenspielern nur wenig Zeit am Ball zu gönnen. Sie werden ein kollektives Gegenpressing betreiben. Der Spielrhythmus wird sehr hoch sein, ich erwarte eine sehr intensive Partie, mit schnellem Umschaltspiel von Atletico, damit Torres oder Griezmann ihre Chancen erhalten.
SPORT1: Wer ist für Sie Favorit?
Antic: Atletico ist die Mannschaft, die am wenigsten Gegentore kassiert hat in der Liga und Champions League. Gerade das ist bei K.o.-Duellen über zwei Spiele eine wichtige Qualität, um das Ausscheiden zu verhindern. Aber es ist klar, dass Bayern ein wenig im Vorteil sein wird, weil sie in der Bundesliga schon so gut wie durch sind und sich voll auf die Champions League konzentrieren können. Atletico kämpft gegen Barcelona und Real Madrid noch um die Meisterschaft.
SPORT1: Was ist aus Ihrer Sicht der Schlüssel zum Erfolg gegen die Bayern?
Antic: Bayern hat in der Innenverteidigung Probleme, weil Badstuber und Boateng verletzt sind. Atletico hat mit Griezmann und Torres sehr gute Spitzen, das könnte ein Vorteil sein, den Simeone und Atletico für sich nutzen könnten.
SPORT1: Viele sind der Meinung, im Estadio Vicente Calderon herrsche die beste Stimmung Europas. Stimmt das?
Antic: Ich genieße die Stimmung im Calderon sehr. Außergewöhnliche Stimmung, die sich auf die Mannschaft überträgt. Atleticos Fans haben alles, um eine ganz besondere Nacht in der Champions League zu garantieren.
SPORT1: Wie sehen Sie das Trainerduell zwischen Simeone und Pep Guardiola?
Antic: Beide gehen den Fußball anders an, das macht das Duell so besonders. Pep geht es vor allem um Ballbesitz, er will immer den Ball. Simeone braucht das nicht, hält Ballbesitz für nicht so wichtig. Guardiola folgt der Barcelona-Schule.
SPORT1: Welche Schwächen hat Simeone?
Antic: Wir alle haben auch Schwächen. Aber ich kann Simeones Schwächen doch jetzt nicht verraten!