Der FC Bayern reagiert tief frustriert auf die Pleite von Barcelona, ans Finale glaubt kaum noch einer. Guardiola verbeugt sich vor Messi, die Spieler ärgern sich über ihren Tiefschlaf.
Christian Ortlepp, Mathias Frohnapfel, Stefan Kumberger
Der FC Bayern reagiert tief frustriert auf die Pleite von Barcelona, ans Finale glaubt kaum noch einer. Guardiola verbeugt sich vor Messi, die Spieler ärgern sich über ihren Tiefschlaf.
Leer, ausgepumpt, frustriert. Sogar die dunkle Krawatte hatte Pep Guardiola abgestreift, als er mit hängenden Schultern das Camp Nou verließ. Die Stätte seiner größten Triumphe und diesmal Schauplatz einer heftigen Niederlage.
Die 0:3-Pleite gegen seinen FC Barcelona spiegelte sich am späten Mittwochabend in jeder Regung des Bayern-Trainers.
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Zuvor hatte er noch in diesem holzvertäfelten Presserraum tief unten im Stadion Platz nehmen müssen, um die Niederlage im Hinspiel des Champions-League-Halbfinales zu erklären.
Geschlagen von der eigenen Kreatur
Er klang dabei genauso desillusioniert wie direkt nach Spielende. Gegen die Faktenlage, dass dieser Lionel Messi an manchen Abenden nicht mal mit Fußfesseln zu bändigen wäre, kam auch er nicht an.
Dabei hatte Guardiola während seiner vier Jahre (mit 14 Titeln) als Barcelona-Coach just jenes spiel- und dribblingwütige Fußballmonster (mit-)erschaffen, für ihn die "falsche Neun" erfunden.
Jetzt sagte er zu Messis entscheidendem Doppelschlag (76., 80.): "Wir waren lange gut unterwegs, aber dann hat Messi halt mal wieder seine Klasse gezeigt. Sein Talent hat den Unterschied gemacht, wir hatten vorher viel Kontrolle."
Bayern beim Ballbesitz vorn
Was der Katalane meinte, war nicht dass der FC Bayern das Spiel dominierte, nein, dafür waren Barcelonas Chancen in der ersten Halbzeit zu klar. Guardiola hatte auf ein anderes Parameter geschielt: den Ballbesitz.
Und tatsächlich lag da der FC Bayern vorn mit 54 Prozent. Für Barcelona war es dagegen nach 101 Champions-League-Spielen das erste Mal, dass die Mannschaft in dieser Kategorie zweiter Sieger war. Zuletzt war das im Halbfinale 2006 gegen Milan der Fall. Unwichtig? Ein Detail? Nicht für Guardiola, bei dem der Ballbesitz eine Doktrin ist.
"Einen Typ wie Messi kannst du nur bremsen, wenn du ihn nicht mitmachen lässt, das heißt den Ball halten, ihn monopolisieren", erklärte der 44-Jährige.
Barca blieb torlos, zumindest 76 Minuten lang - auch dank des exzellenten Bayern-Keepers Manuel Neuer.
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"Mit einem 3:0 ist es sehr schwer"
Freundlich unterstützt vom Patzer Juan Bernats glückte Messi doch die Führung. Und der FC Bayern litt in den folgenden 14 Minuten heftig. "Ein 1:0 oder 2:0 hätte Optionen gelassen, mit einem 3:0 ist es sehr schwer", seufzte Guardiola.
"Leo hält nicht mal Pep auf", jubilierte indes die Sportzeitung Marca und Sport hielt zur Rückkehr Guardiolas fest: "Das Camp Nou nimmt den Architekten des Triples kalt auf." Erst kurz vor Spielbeginn war ja der Coach auf seinen Platz gehuscht, hatte vorher seinen Weggefährten Luis Enrique, den heutigen Barca-Trainer, einmal kurz gedrückt.
Dann stiefelte er pausenlos wie in jeder anderen Partie durch die Coaching Zone, ehe er beim 3:0 durch Neymar wie mit einem Kübel Eis überschüttet wirkte. Und seine Spieler schauten keinesfalls besser aus, nach jenen denkwürdigen 90 Minuten vor 95.000 Fans.
"Enttäuscht über unsere eigene Dummheit"
"Wir haben das Spiel hergeschenkt", kommentierte Thomas Müller im Gespräch mit SPORT1. Noch immer entsetzt, noch immer ratlos. "Das letzte Tor war ein Killer, wir sind enttäuscht über unsere eigene Dummheit", fügte der Weltmeister an.
Jerome Boateng und Philipp Lahm klagten in ähnlicher Weise über jene finale Horror-Minuten.
Tatsächlich hatten die Münchner mit dem Schlussakkord in der Nachspielzeit nahezu jede Möglichkeit vergeben, doch noch das Finale in Berlin zu buchen. Wie im Champions-League-Spiel in Porto wie im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund gab es unerklärliche Aussetzer.
Man brauche für das Rückspiel am kommenden Dienstag "ein kleines Fußballwunder", befand Müller noch und untertrieb damit gewaltig. Die Bayern brauchen angesichts Barcas aktueller Gigantenform schon eher ein Wunder epischen Ausmaßes.
Sammer konsterniert
Das war auch Matthias Sammer bewusst. Der Münchner Sportvorstand ärgerte sich daher nicht nur über "leicht Ballverluste", sondern vor allem über das "zweite, dritte Tor".
Denn der Triplesieger von 2013 hat im Moment viel an Souveränität verloren. Vom baldigen Wiedersehen mit Barca wollte Sammer erst gar nicht reden: "Wir müssen erstmal das Spiel verarbeiten gegen eine sehr gute Mannschaft, die im Rhythmus war."
Die Münchner haben den dagegen irgendwo in der Rückrunde verloren – durch eine ellenlange Verletztenliste und gewiss auch ein ebenso kurios wie dramatisch verlorenes Pokalspiel gegen Dortmund.
Ein Mario Götze, der im WM-Finale noch das Spiel wendete, konnte nach seiner Einwechslung in der 78. Minute im brodelnden Camp Nou nichts mehr anrichten. Zuvor hatte ihm Bayerns Ehrenpräsident via Sky vorgeworfen "teilweise wie ein Jugendspieler aufzutreten".
Sammer ließ das auf SPORT1-Nachfrage kurz vor Mitternacht unkommentiert, er hatte andere Sorgen.