Die große Erlösung und ein Schmerzmoment: In einer Jubeltraube vor dem Gästeblock feierte nahezu das komplette BVB-Team plus Ersatzspieler den Torschützen zum 2:0 - Karim Adeyemi.
Zwischen Genie und Wahnsinn
Nur Carney Chukwuemeka humpelte Sekunden später weg. Im Trubel war ihm ein Mitspieler auf den Fuß gestiegen. Doch der Schmerz hielt nur kurz. Die Freude über den unaufhaltsamen Adeyemi überwog schließlich auch beim Neuzugang.

Die Aktion in der 58. Spielminute fasste das gesamte Leitungspotenzial des Karim Adeyemis in wenigen Sekunden zusammen.
Adeyemis cooler Abschluss
Mit einem Befreiungsschlag hatte Maximilian Beier Adeyemi auf die Reise geschickt. Der 23-Jährige schüttelte erst Philipp Treu ab, tanzte dann Eric Smith mit einer Körpertäuschung Richtung Eckfahne und schob schließlich mit seinem schwächeren rechten Fuß aus kurzer Distanz zum 2:0 für den BVB ein.
„Dass er alleine dem Ball nachgeht mit seiner Geschwindigkeit, ist nicht leicht für den Verteidiger“, lobte Nico Schlotterbeck.
Cooler Abschluss, cooler Jubel. Adeyemi blieb nach dem Treffer einfach starr stehen und blickte regungslos Richtung Gäste-Fans. „Einfach stehen bleiben, Tor geschossen, weiter geht‘s“, erklärte er seinen Jubel kurz und knapp.
Sonderlob an Adeyemi: „Früher wäre er vielleicht hingefallen“
Auch dass Treu ihn am Trikot gezogen hatte, hielt Adeyemi nicht auf.
„Früher wäre er vielleicht auch mal hingefallen. Heute bleibt er stehen und marschiert weiter. Das ist ein Spiegelbild: Nicht hinfallen und liegen bleiben, sondern sich wehren, das ist ein Spiegelbild für die ganze Mannschaft, die dieses Spiel heute unbedingt gewinnen wollte“, erklärte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl.
Doch Adeyemi hatte nicht nur für die Erlösung gesorgt, sondern auch für den Türöffner des Spiels: Bei der 1:0-Führung nahm er den Ball gut aus der Drehung mit und bediente eher unfreiwillig Guirassy, der im zweiten Versuch den Ball über die Linie drückte.
BVB-Star Adeyemi überzeugt mit neuen Eigenschaften
Diese Entschlossenheit und Zielstrebigkeit von Adeyemi sind bemerkenswert, waren sie doch nicht immer auf dem Platz zu sehen.
Es scheint, als habe der gebürtige Münchner unter Trainer Niko Kovac eine gute Entwicklung hingelegt. Denn schon in den vergangenen Spielen war er immer wieder an gefährlichen Situationen der Dortmunder beteiligt.
„Er hat sich das jetzt wieder erarbeitet. Wir reden viel mit ihm, wir arbeiten viel mit ihm. Aber vor allem ist er selbst größtenteils wieder dafür verantwortlich, dass er sowohl mit dem Ball als auch gegen den Ball intensiv ist“, merkte Kehl auf SPORT1-Nachfrage an.
Adeyemi mit viel Licht und Schatten
Zu Beginn der Saison hatte es gewirkt, als könnte es die Saison des Karim Adeyemis werden. Beim 4:2-Sieg am dritten Spieltag gegen Heidenheim glänzte er mit zwei Toren und einer Vorlage. Zwei Wochen später (4:2 gegen Bochum) steuerte er erneut zwei Assists bei. Und am zweiten Spieltag der Champions-League-Ligaphase glänzte er beim 7:1 gegen Celtic Glasgow mit einem Dreierpack.
Doch dann bremste Adeyemi ein Muskelfaserriss aus und der Wirbelwind verlor Rhythmus, Form und Selbstbewusstsein. Der persönliche Tiefpunkt: Adeyemis Auftritt in Heidenheim, als Interimscoach Mike Tullberg ihn 40 Minuten nach seiner Einwechslung wieder vom Feld nahm und ihm vorwarf, nicht genug gelaufen zu sein – Höchststrafe.
Kovac päppelt Adeyemi auf
„Natürlich macht das auch etwas mit einem Spieler. Ich persönlich habe auch meine Ziele auch nicht erreicht“, gab Adeyemi nach dem Sieg in Hamburg zu.
Doch Kovac päppelte Adeyemi behutsam auf, ließ ihn bislang immer in der Startelf auflaufen.
„Er (Kovac; Anm. d. Red.) sagt, nutze deine Stärken, deine Schnelligkeit und mache deine Tore. Das ist das, was er will. Und das versuche ich jedes Spiel zu zeigen und zu bringen“, meinte Adeyemi.
Eine Sache wunderte Schlotterbeck dennoch. „Manchmal hat er einen besseren Schuss mit rechts als mit seinen linken. Das verstehe ich nicht ganz“, scherzte der BVB-Innenverteidiger: „Er kommt langsam wieder in Schwung, wo er in der Hinrunde schon war. Arbeitet mit und gegen den Ball gut. Wenn er sauber Fußball spielt, seriös Fußball spielt, ist er echt gut.“
Schlotterbeck fordert deshalb auch: „Mit seiner Geschwindigkeit kann er so viel rausholen. Jetzt zählt es für ihn, das nicht ein-, zweimal pro Monat zu machen, sondern jeden dritten, vierten Tag.“
Adeyemis Spielstil ist eine Gratwanderung
Bei einer Sache hat Adeyemi aber noch viel Luft nach oben: Cleverness. Denn sowohl im ersten als auch im zweiten Durchgang ließ er sich etwas aus der Fassung bringen und bewies eine kurze Zündschnur.
Kurz vor der Halbzeit ging Adeyemi nach einem Duell mit Pauli-Verteidiger Siebe van der Heyden zu Boden und deutete mit dem rechten Bein ein Nachtreten an. Van der Heyden lächelte die Situation weg. In der zweiten Halbzeit kassierte Adeyemi dann wegen einer Unsportlichkeit die Gelbe Karte. Wieder war es der Pauli-Verteidiger, der ihn abseits des Balles nervte - und später bei einem Laufduell entnervte.
„Ich mag‘s nicht, wenn man mich anfasst und die ganze Zeit schubst im Spiel. Spiel dein Spiel und nerv nicht“, erklärte Adeyemi.
Kurz nach der Verwarnung nahm in Kovac vom Feld. Adeyemi muss sich zügeln, auch das gehört zu seinem Spiel zwischen Genie und Wahnsinn dazu. Es scheint, als wäre der Einzige, der ihn stoppen könnte, er selbst.