Niko Kovac veränderte nach der unterirdischen Vorstellung gegen den FC Augsburg (0:1) die Ansprache gegenüber seinen Spielern. Die Folge: Beim 2:1-Sieg in Lille zeigte der BVB eine der besten Leistungen in dieser Spielzeit.
Kovacs Wandel greift
Die Erkenntnis: Harte und deutliche Worte wirken offenbar besser als überschwängliches Lob und teils weit hergeholte Rückendeckung für seine Stars – eine Herangehensweise, die Kovac zu Beginn seiner Amtszeit wählte.
„Ich bin immer ein Freund von Disziplin und klaren Ansagen. Ich unterstütze das auf jeden Fall“, meinte Torhüter Gregor Kobel nach dem Einzug ins Viertelfinale der Königsklasse.
Kovac deutlich wie nie – beim BVB weht ein anderer Wind
Fakt ist: Seit dem Augsburg-Spiel weht beim BVB ein anderer Wind. Der Kurswechsel war aber auch so etwas wie Kovacs letzte Chance. Der Dortmunder Trainer musste wohl selbst einsehen, dass er mit Schönrederei und Lobhudelei nicht weit kommt.
Wären seine emotionalen Worte ins Leere gelaufen, Kovac wäre fast schon mit seinem Latein am Ende gewesen. Denn der erfahrene Kroate weiß genau: Woche für Woche kannst du die Spieler nicht so hart angehen. Der Effekt würde verpuffen.
„Wenn es Gründe gibt, dass man Spieler und Mannschaft lobt, sollte man damit nicht geizen und das den Spielern kundtun. Jeder einzelne muss das einordnen können. Das heißt nicht, wenn man gelobt wird, dass man zurückschalten kann – im Gegenteil. Ein Lob bedeutet, noch weiter die Grenzen verschieben und das wünsche ich mir“, sagte Kovac auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen RB Leipzig (Sa., ab 18:30 Uhr im LIVETICKER) auf SPORT1-Nachfrage.
Soll heißen: Ein Lob von Kovac schürt Erwartungen, die die Spieler in der Folge erfüllen müssen. Entspannung und Zurücklehnen? Fehlanzeige.

Angespannte Stimmung im BVB-Team – Keine „elf Freunde“
Die angespannte Stimmung im Team drohte zuletzt komplett zu kippen. Doch der Sieg in Lille nahm etwas die Spannung raus. Nach Schlusspfiff lagen sich die Spieler in den Armen, jubelten und feierten. Dennoch: Die tiefen Risse dürften vorerst bleiben. Ein erneuter Rückschlag dürfte sie sofort wieder offenlegen.
„Elf Freunde müsst ihr sein“, meinte einst Sepp Herberger. Übrigens: Das Zitat wird zwar dem Vater des EM-Triumphs zugeschrieben, ist aber wohl schon deutlich älter und war in der „Victoria-Statue“, der Vorgängerin der heutigen Meisterschale, eingraviert. Auf den BVB trifft diese Fußball-Weisheit in dieser Spielzeit auf keinen Fall zu.
Für Kovac ist das aber kein Problem: „Ich glaube, jeder Einzelne kann mit dem anderen. Dass es aber elf Freunde sind, glaube ich nicht. Weil es sind ja auch Konkurrenten. Aber was sehr sehr wichtig ist im Leistungssport bzw. im Mannschaftssport, ist die Zusammengehörigkeit auf dem Platz. Da geht es darum, dass jeder Einzelne jeden Meter mitmacht für seinen Mitspieler, wenn es nötig ist.“
Auch für Bundestrainer Julian Nagelsmann ist dieser Satz „Käse“, wie er vor über einem halben Jahr erklärte.
Kovac mit deutlicher Ansage an sein Team
In den Wochen zuvor schien es eher immer so, als würden die Dortmunder Profis nur für sich selbst spielen und kämpfen. Dass man damit nicht erfolgreich ist, dürfte logisch sein. Diesen Eindruck dürfte wohl auch Kovac von seinem Team gewonnen haben. „Wenn man elf Einzelkämpfer auf dem Platz hat, dann ist es immer schwierig, dann ist es für mich schier unmöglich, Großes zu erreichen. Es geht immer um das Kollektiv. Das Kollektiv ist am stärksten, das wissen wir alle“, so Kovac.
Schlechte Stimmung hin oder her. Kovac appelliert an die Professionalität seiner Spieler. Nach dem Motto: Ihr müsst keine Freunde sein. Auf dem Platz müsst ihr aber eine Einheit bilden. Wie das aussehen kann und soll, zeigte der Sieg in Lille. Doch schon am Samstag wird der Charakter des Teams erneut auf eine harte Probe gestellt.