Der Höhepunkt seiner Karriere schien vorbei zu sein. Doch zum Ende des vergangenen Jahres schwang sich Dominique Heintz nochmal zum absoluten Leistungsträgers des 1. FC Köln auf. Mit dem Verteidiger in der ersten Elf legten die Kölner eine beeindruckende Serie hin und grüßen von der Tabellenspitze.
„Ich stehe zu den Arroganz-Vorwürfen“
Der 31-Jährige spricht im exklusiven SPORT1-Interview vor dem Duell mit Fortuna Düsseldorf (ab 13.30 Uhr im LIVETICKER) über seinen neuen Status als „Shootingstar“, was er von den jungen Spielern noch lernen kann und was er von dem Wechsel von Jonas Urbig zum FC Bayern hält. Außerdem verrät er, welchem Verein er neben dem FC den Aufstieg gönnt und beantwortet die Frage: Wer ist besser - Hummels oder Heintz?

SPORT1: Herr Heintz, wie fühlt es sich aktuell an, der Shootingstar zu sein?
Dominique Heintz: Shootingstar? (lacht) So würde ich mich nicht nennen. Ich versuche einfach immer der Mannschaft weiterzuhelfen, alles zu geben und vorne wegzugehen. Ich gehöre schon zu den Älteren im Team, Shootingstar war ich vielleicht früher mal. Aber natürlich genieße ich gerade das Vertrauen und das positive Feedback.
Heintz: „Die zweite Liga ist wahnsinnig eng“
SPORT1: Was aber auffällt: Seitdem Sie wieder regelmäßig spielen, gewinnt der FC. Wenn auch oft knapp und ohne viel Glanz und Spektakel. Ist das Ihr Verständnis von erfolgreichem Fußball?
Heintz: Fußball ist ein Ergebnissport. Für uns war es nach den Start-Schwierigkeiten und für das Selbstvertrauen einfach wichtig, dass wir eine Serie starten. Wir dürfen trotzdem nicht damit aufhören. Denn die zweite Liga ist wahnsinnig eng, da zählt jeder Punkt.
SPORT1: Trotz Ihrer, nennen wir es mal, eher effizienten Art Fußball zu spielen, nannte Sie ihr Teamkollege Damion Downs nach dem Sieg gegen Nürnberg Mitte Dezember zuletzt „Zauberfuß“. Was stimmt denn nun?
Heintz: Das bezog sich auf meine Pässe nach vorne, speziell, als ich da das Tor vorbereitet habe. Da haben sich die Jungs einen kleinen Spaß gemacht. Aber das gehört dazu. Wir haben ein paar Spitznamen in der Mannschaft. Bevor Sie fragen: Weitere verrate ich nicht. (lacht)
Arroganz-Vorwürfe gegen Bayer: „Ich stehe dazu“
SPORT1: Ein Spiel, bei dem Sie sich endgültig in die Herzen der FC-Fans gespielt haben, war das Pokal-Aus gegen Leverkusen. Denken Sie noch manchmal an die bittere Niederlage?
Heintz: Eigentlich ist das abgehakt. Wenn Sie es jetzt nochmal ansprechen, kommen die Erinnerungen natürlich wieder hoch. Der Ausgleich in der letzten Sekunde, die Verlängerung. Aber wir haben unser Herz auf dem Platz gelassen. Wir haben die Fans stolz gemacht. Wir haben uns bewiesen, dass wir auch gegen große Mannschaften mithalten können. Daran müssen wir uns jetzt natürlich auch messen lassen. Genau diese Leistungen erwarten die Leute jetzt von uns.
SPORT1: Nach der Partie haben Sie durch Ihre Arroganz-Vorwürfe für einige Schlagzahlen gesorgt. Hätten Sie sich im Nachhinein lieber anders ausgedrückt oder stehen Sie zu Ihren Aussagen?
Heintz: Ich stehe dazu. Das Thema sollte damit aber auch abgehakt sein. Da wurde mehr daraus gemacht als es war. Für mich ist das Schnee von gestern.
SPORT1: Robert Andrich meinte daraufhin: „Wer selbst Trash-Talk macht, muss auch mit dem Echo leben.“ Gab es anschließend nochmal einen Austausch mit dem Leverkusener?
Heintz: Nein.
1. FC Köln? „Dieser Mix macht uns derzeit so stark“
SPORT1: Ihr habt 13 Spieler im Team, die mindestens eine U-Mannschaft des FC durchlaufen haben. Natürlich lag das mit Sicherheit an der Transfersperre, aber dennoch: Wieso klappt das mit dem Nachwuchs bei euch so gut?
Heintz: Wir haben einfach eine gute Mischung aus vielen jungen, aber auch erfahrenen Spielern. Die Balance stimmt. Die Jungen können von uns etwas lernen und andersrum profitieren wir von den Jungen, speziell von ihrer Unbekümmertheit. Wir sind eher für die Routine verantwortlich. Dieser Mix macht uns derzeit so stark. Ausruhen können wir uns trotzdem nicht.
SPORT1: Das heißt beim Thema Unbekümmertheit gucken sie sich etwas ab?
Heintz: Solange mir nicht alle im Training davonlaufen, fühle ich mich auch gut (lacht). Durch die jungen Spieler bleibe ich selbst auch jung. Ich fühle mich nicht wie 31, sondern eher wie Mitte 20 – auch von meiner Fitness her. Wenn du mit den Jungs in der Kabine abhängst, bleibst du aktuell und bekommst mit, was zurzeit so angesagt ist. Das macht einfach Spaß. Andersherum kann ich ihnen natürlich etwas von meiner Erfahrung weitergeben.
SPORT1: Wie kann man sich das denn in der Kabine vorstellen?
Heintz: Wenn man jünger ist, hat man einfach ein anderes Mindset. Da gibt es ganz viele lustige Gespräche. Ich genieße das, solange ich fit bin und Fußballspielen kann. Das ist doch das beste Gefühl überhaupt. Wenn ich irgendwann mal meine Karriere beende, werden es genau diese Kabinen-Situationen sein, die ich vermissen werde – vor allem Blödsinn reden.
Neuer-Nachfolge? Heintz von Urbig überzeugt
SPORT1: Wenn man wie Ihr eine gute Jugendarbeit hat, ist es nur logisch, dass einige auch woanders den nächsten Schritt gehen. Jonas Urbig ist im Winter zum FC Bayern gewechselt - ein großer Schritt. Trauen Sie ihm die Neuer-Nachfolge zu?
Heintz: Die traue ich ihm absolut zu. Er hat sein Potenzial ja schon angedeutet. Als junger Spieler die Nummer eins in Köln zu sein, ist nicht immer einfach. Das ist aber einfach der Fußball mit all seinen Höhen und Tiefen. Jetzt kann er von einem der besten Torhüter der Welt lernen. Ich glaube, da ist er gut aufgehoben. Wenn Bayern München anklopft, ist das natürlich etwas ganz Besonderes. Für ihn persönlich war es das Allergrößte. Ich glaube, es ist aber auch sehr wichtig, dass er – wie angekündigt – dort auch Spielzeit bekommt und dass man ihm das Vertrauen schenkt. Ich wünsche ihm auf jeden Fall alles Gute.
SPORT1: Wie wichtig ist denn Spielzeit gerade für junge Spieler?
Heintz: Sehr wichtig. Für mich war es das damals auch. Jede 90 Minuten sind wichtig, jede Erfahrung, die du sammeln kannst. Deshalb finde ich das auch von Manuel Neuer und von den Bayern gut, dass sie ihm (Urbig; Anm. d. Red.) Minuten in Aussicht stellen. Junge Spieler brauchen das!
SPORT1: Sie hätten bestimmt nichts gegen ein direktes Aufeinandertreffen in der nächsten Saison in der Bundesliga. Sind Sie überzeugt vom Aufstieg?
Heintz: Ich habe gelernt, immer von Spiel zu Spiel zu denken. Die 2. Liga ist so eng, jeder kann jeden schlagen. Die Ergebnisse am Wochenende sind oft einfach nur wild.
Diesem Team wünscht Heintz den Aufstieg neben Köln
SPORT1: Zwölf Spieltage liegen noch vor Ihnen. Am letzten geht es für euch gegen ihre erst große Liebe, gegen Kaiserslautern. Da könnten Sie die Saison krönen …
Heintz: Es wäre doch schön, wenn wir beide zusammen hochgehen. Natürlich freue ich mich immens auf das Wiedersehen mit meinem Heimatverein, aber das ist noch weit weg.
SPORT1: Am Sonntag steht erstmal das Derby gegen Düsseldorf an. Haben Sie einen speziellen Derby-Moment, den Sie niemals vergessen werden?
Heintz: Ich habe viele. Aber das Spiel in Gladbach, als Marcel Risse Sekunden vor Schluss aus keine Ahnung wie vielen Metern das Freistoßtor geschossen hat, werde ich niemals vergessen. (Rissen traf in der Saison 2016/17 in der Nachspielzeit per Freistoß zum 2:1-Auswärtssieg für die Kölner; Anm. d. Red.). Spiele gegen Gladbach und auch Düsseldorf sind genau die Spiele, für die man Fußballer geworden ist.
SPORT1: Ein Derby-Tor wäre sicherlich auch eine gute Gelegenheit für Ihr erstes Tor in der 2. Liga…
Heintz: (lacht). Erstmal bin ich dafür da, Tore zu verhindern. Klar wäre es schön, mal wieder, vielleicht direkt am Sonntag, einzunetzen. Hoffentlich fällt mir der Ball mal vor die Füße. Dann schiebe ich ihn rein.
SPORT1: Gehen Sie vor oder nach dem Spiel wählen?
Heintz: Ich habe schon gewählt - Briefwahl.
SPORT1: Beim Blick auf die Prognosen. Machen Sie sich Sorgen, was die politische Entwicklung betrifft?
Heintz: Natürlich sehe und lese ich viel. Ich finde es einfach wichtig, dass jeder Mensch seine Werte vertritt und lebt. So mache ich das auf jeden Fall. Und wenn du nach diesen Werten lebst, kann es auch eine tolle Gemeinschaft werden. Ich hoffe, dass jeder wählen geht und eine richtige und vernünftige Stimme abgibt. Nur so kann man es schaffen. Dazu gehört für mich: Seine Mitmenschen lieben und eine Gemeinschaft bilden.
„Mats Hummels war immer ein Vorbild“
SPORT1: Glauben Sie eigentlich, dass sie besser sind als Mats Hummels?
Heintz: Ne. Mats Hummels war immer ein Vorbild, ist ein super Typ. Ich habe mich oft nach Spielen mit ihm unterhalten. Ich gucke mir da viel ab. Wir spielen beide viele Bälle nach vorne.
SPORT1: Ich meinte damit gar nicht unbedingt das Fußballerische, sondern mehr die Weinherstellung? Ihr beide seid ja in das Geschäft eingestiegen.
Heintz: Ach stimmt. (lacht). Das hatte ich auch mitbekommen. Er ist allerdings Richtung Wein, ich bin eher Richtung Trauben-Sekt gegangen, den alle trinken können. Er ist alkoholfrei, deshalb ist er auch etwas für Kinder.
SPORT1: „Heintzis Trauben Secco“ ist allerdings überall ausverkauft. Solltet ihr am Saisonende den Aufstieg feiern, schaffen Sie es dann für Nachschub zu sorgen?
Heintz: Die Jungs haben auch schon gefragt - natürlich auch für ihre Kids. Aber sollte es so kommen, kriegen wir das auf jeden Fall hin.