Der etwas andere Klub, als der sich der FC St. Pauli ja gerne sieht, leistet in der Bundesliga auf jeden Fall etwas bessere Arbeit als einige Mitbewerber. Im Grunde muss man sogar sagen: Es gibt keinen Verein im Oberhaus, der aus seinen Möglichkeiten, vor allem eben aus seinem Budget, mehr herausholt als der Aufsteiger aus Hamburg.
Ein kleines Bundesliga-Wunder
St. Pauli, mit dem Stadion gleich hinter der Reeperbahn, hat nicht nur in der Stadt den HSV überholt, sondern bundesweit auch andere Dickschiffe wie Hertha, Schalke 04 oder den 1. FC Köln. Die Branche staunt.
Auf St. Paulis Klassenerhalt hatte im Sommer tatsächlich keiner etwas gesetzt. Die Braun-Weißen waren, bei den Kneipen-Tippern genauso wie in Expertenrunden, Abstiegskandidat Nummer eins.
Bundesliga: Hürzeler hat das Pauli-Puzzle begonnen
Umso höher ist zu bewerten, was Sportchef Andreas Bornemann, aber eben auch Trainer Alexander Blessin seit dem plötzlichen Neu-Start Ende Juni geleistet haben und dauerhaft leisten.
Man muss sich noch mal kurz erinnern: Der Mann, der im Dezember 2022 den vom Abstieg bedrohten Zweitligisten übernommen und in eineinhalb Jahren zum Klassenbesten geformt hatte, war nach den Aufstiegsfeierlichkeiten auf einmal abgesprungen.
Fabian Hürzeler, das gefeierte Trainer-Talent, hatte sich keine vier Monate nach seiner Vertragsverlängerung dazu entschieden, ein Angebot von Brighton aus der Premier League, annehmen zu wollen.
Für viele war mehr als klar: Wenn der entscheidende Mann für den Aufstieg, der Organisator eines Fußballs, für den die Mannschaft weit über die Grenzen der Stadt höchste Anerkennung bekam, plötzlich weg ist, dann kann das nur schiefgehen. Hürzeler war nicht ein Puzzleteil des Hamburger Erfolgs, er hatte sich dieses Puzzle überhaupt erst überlegt.
Doch Bornemann verhandelte, unterstützt von seinem eifrigen Präsidenten Oke Göttlich, nicht nur eine ordentliche Ablösesumme von Brighton, knapp acht Millionen Euro, sondern kam - einmal mehr - auf eine Personalie, die man mittlerweile zu den absoluten Top-Einkäufen der laufenden Bundesliga-Saison zählen darf, nein, muss.
Alexander Blessin war zwar vielen Fachleuten ein Begriff, er hatte mit Union Saint-Gilloise nicht nur den belgischen Pokal gewonnen und die Qualifikation zur Champions League erreicht, sondern war in der Pro League auch schon Trainer des Jahres geworden, aber geholt hatte ihn noch niemand.
St. Pauli ist ein kleines Bundesliga-Wunder
Bornemanns Idee, den langjährigen Leipziger Jugendtrainer nach Hamburg zu holen, könnte als meisterlicher Schachzug in die Vereinsgeschichte der Braun-Weißen eingehen. Blessin ist ein Typ, der in der Liga der egomanen Besserwisser schon dadurch extrem positiv auffällt, dass ihm zwar vieles wahnsinnig wichtig erscheint - nur eben nicht er selbst.
St. Pauli, für viele immer noch die größte No-Name-Truppe der Liga, spielt oft so sicher und selbstbewusst, dass sie auch für die Top-Teams zur immer größeren Herausforderung werden. Mit 21 Gegentoren stellen die Hamburger, hinter den Bayern, nach 19 Spieltagen die stärkste Abwehr.
Was für ein Zeugnis für einen Aufsteiger, der auch nur etwas über zwei Millionen Euro in neue Spieler investierte. St. Pauli hat zum Rückrundenstart zwei Siege in Folge eingefahren. Sie wirken überzeugt von jeder ihrer Aktion, bleiben in ihren Positionen und waren in Heidenheim (2:0) und gegen Union (3:0) zuletzt herausragend auf- und eingestellt.
Wenn man sich überlegt, wie es im Sommer aussah und was sie jetzt liefern, dann muss man sagen: Diese Braun-Weißen sind ein kleines Bundesliga-Wunder. Bitte mehr davon!