Es scheint für Top-Mannschaften unangenehm zu sein, im Winter in den hohen Norden zu kommen. Es war der 13. Januar 2021, als der FC Bayern München in der 2. Runde des DFB-Pokals zum damaligen Zweitligisten nach Kiel kam und im Elfmeterschießen verlor. Vier Jahre und einen Tag später war nun Dortmund zu Gast – und erlebte die Blamage schlechthin.
Endlich belohnt worden
Drei Tore schoss Kiel allein in der ersten Hälfte und gewann schlussendlich mit 4:2. „Es war ein besonderer Abend“, schwärmte Mittelfeldspieler Magnus Knudsen. Zum Hinrundenabschluss lässt sich festhalten: Kiel ist in der Bundesliga angekommen!
Der Aufsteiger beendet die Hinrunde zwar auf einem direkten Abstiegsplatz. Doch die Tendenz geht laut Trainer Marcel Rapp in die gewünschte Richtung. „Wir gewannen das erste Spiel gegen Heidenheim, die auch noch nicht lange in der Bundesliga sind. Das zweite Spiel gewannen wir gegen Augsburg, die ein gestandener Bundesligist sind. Und heute haben wir einen ganz Großen geschlagen. Das macht etwas mit den Jungs.“
Aus Kieler Sicht kam der BVB zum richtigen Zeitpunkt. „Ich glaube, wenn man Dortmund schlagen kann, dann ist jetzt vielleicht die Woche gewesen, in der das möglich ist - bei allem, was da jetzt los ist mit den Krankheiten und den Verletzungen“, sagte Fiete Arp, der in der Nachspielzeit mit dem 4:2 für den Endstand sorgte. „Wir wussten, dass wir das draufhaben. Dass das ausgerechnet gegen Dortmund gelingt, ist Wahnsinn.“
Ex-Schalker Becker will die Sau rauslassen – gedrosselt
Eine besondere Genugtuung verspürte der Innenverteidiger Timo Becker, der von Sommer 2019 bis Sommer 2022 beim FC Schalke 04 unter Vertrag stand. „Für mich war eine Extra-Motivation dabei, denn für mich war das ein kleines Derby“, sagte der Innenverteidiger. „Wir werden das genießen, denn Siege in der Bundesliga sind nicht selbstverständlich – gerade nicht gegen solche Mannschaften.“
Zwar müsse der Fokus zeitnah auf das nächste Spiel gerichtet werden, weil am Samstag der direkte Konkurrent TSG Hoffenheim in Kiel zu Gast (15.30 Uhr im LIVETICKER) sein wird. Dennoch könne man „ein bisschen die Sau rauslassen – aber gedrosselt.“
Spektakel pur: Elf Tore in den letzten drei Spielen
Kiel hat in der Hinrunde zwar lediglich drei Siege errungen. Aber: Zwei dieser Triumphe gelangen innerhalb der zurückliegenden drei Spieltage. Direkt vor der Winterpause gewann Holstein mit 5:1 gegen den FC Augsburg. Es folgte die 2:3-Niederlage beim SC Freiburg und nun das Spektakel gegen den BVB. Dies ergibt elf Tore in den letzten drei Spielen.
Kiel steht momentan eben für Spektakel. In Freiburg lagen sie bis zur 85. Minute mit 0:3 zurück, kamen dann allerdings auf 2:3 heran und hatten die große Chance auf den Ausgleich. Arp ließ in der Nachspielzeit die große Chance ungenutzt. Umso schöner für ihn, dass er nun gegen den BVB den Sieg perfekt machte. Von kurz hinter der Mittellinie aus traf der 25-Jährige ins leere Tor.
„Für ihn war das besonders wichtig“, weiß Rapp. „Das ist der Lohn für die Arbeit, die er reinsteckt. Nun ist er belohnt worden.“ Arp kommt in Kiel zwar nicht über die Rolle des Jokers hinaus und stand erst zweimal in der Startelf, trifft aber ausgerechnet gegen die großen Mannschaften. Im Oktober übernahm er gegen den Deutschen Meister Bayer Leverkusen Verantwortung, als er in der 69. Minute zum Elfmeter antrat und das 2:2 erzielte.
Ex-Bayern-Talent Arp „gibt der Mannschaft viel“
Arp blickt bereits auf eine turbulente Karriere zurück. Beim Hamburger SV wurde er als Ausnahmetalent gefeiert, als er noch vor seinem 18. Geburtstag zwei Bundesliga-Tore erzielte. Bereits im Jahre 2017 ist er als größtes deutsches U17-Talent mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet worden. Damit trat er in die Fußstapfen von späteren Nationalspielern wie Mario Götze oder Leon Goretzka.
2019 wechselte der Stürmer zum FC Bayern München, bestritt aber kein einziges Pflichtspiel für die Profimannschaft. Stattdessen wurde er lediglich in der 2. Mannschaft eingesetzt. Ein großer Karriereknick! Seit 2021 ist Arp in Kiel aktiv, tat sich in den ersten zwei Spielzeiten allerdings schwer. Erst in der Aufstiegssaison gelang ihm mit fünf Treffern die Wende.
„Fiete bringt sich gut ein. Wenn er reinkommt, haut er sich rein. Wir wissen alle, was er für ein Talent hat. Aber wir sollten die Vergangenheit, Vergangenheit sein lassen“, sagte Rapp bei SPORT1. Wichtig sei, „was Fiete jetzt macht. Er gibt der Mannschaft viel, ist positiv, geht im Training immer vorneweg. Jetzt bringt er die Leistung auch im Spiel.“
Genauso wie die gesamte Mannschaft.