Am Samstagabend sind alle Augen auf den Klassiker zwischen Borussia Mönchengladbach und den FC Bayern München gerichtet. Überflüssig zu erwähnen, dass das Spiel auf einem Sender (Sky) übertragen wird – das ist die Fußball-TV-Realität anno 2025.
Der Beginn einer TV-Revolution
Vor rund 40 Jahren war die Welt noch eine andere, auch für Fernsehzuschauer. Bis zum 11. Dezember 1984 war es schlicht undenkbar, dass Bundesligaspiele live bundesweit im Fernsehen kamen.
Es gab nur vereinzelte Ausnahmen auf regionaler Ebene: am letzten Spieltag der Saison 1971/72, als Bayern München und Schalke quasi in einem Endspiel um die Meisterschaft aufeinandertrafen, übertrug der Bayerische Rundfunk live. Im Mai 1982 wurde Bayerns Gastspiel in Bremen im norddeutschen Programm übertragen, 1983 zeigte der Süddeutsche Rundfunk HSV gegen VfB Stuttgart. Damals konnte diese Sender nur empfangen, wer in der Region wohnte.
Flächendeckend aber war so etwas mit Rücksicht auf die anderen Vereine, besonders auch die Amateure, undenkbar und nicht gewollt. Bis 1984 die damals populärsten Mannschaften der Bundesliga zu Pionieren wurden.
Matthäus-Rückkehr an den Bökelberg
Dabei war der Zufall behilflich. Weil nämlich Borussia Mönchengladbach im November 1984 nach einem Europacup-Spiel bei Widzew Lodz wegen Nebels zwei Tage am Flughafen von Warschau festhing, fiel der für das Wochenende angesetzte Klassiker gegen die Bayern aus.
Er wäre bestimmt in der ARD-Sportschau gezeigt worden, die nach guter alter Sitte eine dreiviertel Stunde nach Abpfiff begann und Ausschnitte von drei Partien zeigte. Doch nun wurde aus dem Spitzen- auch ein Nachholspiel, das der DFB auf einen Dienstagabend vor fast genau 30 Jahren legte: den 11. Dezember 1984.
Das öffentliche Interesse an der Partie war riesig, auch weil Lothar Matthäus nach seinem Wechsel zu den Bayern erstmals an den Bökelberg zurückkehrte.
Mit Bemerkungen wie „So was kann nur der Borussia passieren“, bezogen auf die Chaos-Reise, hatte er das Feuer noch angeschürt und Borussia-Manager Helmut Grashoff erteilte ihm ein Hausverbot. Er durfte außer Rasen und Kabinen keine Räumlichkeiten am altehrwürdigen Bökelberg betreten.
„Dann machen wir das jetzt mal so“
ARD-Sportchef Heribert Faßbender kam nun auf die Idee, hausintern zu erörtern, ob man dieses an einem Werktag konkurrenzlose Spiel nicht übertragen könne.
Der DFB schien sich ja auch zu bewegen in jenen Tagen, die ersten übertragenen Pokalhalbfinals im Frühjahr 1984 waren echte Quotenbringer und gingen als 21-Tore-Halbfinale in die Geschichte ein: Gladbach schlug Werder mit 5:4 n.V., Schalke und Bayern trennten sich 6:6 n.V.!
Und siehe da, DFB-Präsident Hermann Neuberger ließ sich breitschlagen. Für ein Honorar von 135.000 DM an die Vereine bekam die ARD den Segen des Verbands. „Dann machen wir das jetzt mal so“, soll Neuberger Faßbender gesagt haben.
TV-Spiel sorgt für Programmänderungen
Vom festgesetzten Termin (20 Uhr) rückte er allerdings nicht ab und das führte zu heftigen Debatten in der Programmkonferenz. Was sollte aus der heiligen Tagesschau, die seit Jahr und Tag um diese Zeit begann, werden?
Die Fußballfreunde setzten sich mit 5:4 Stimmen knapp durch und es wurde entschieden: Die Tagesschau lief, in abgespeckter Form, eben erst in der Halbzeit. Die Politsendung „Monitor“, eigentlich für 20.15 Uhr angesetzt, verschwand im Nachtprogramm.
Alles für den Klassiker der Siebziger, der in den Achtzigern noch nichts an Reiz verloren hatte, zumal die Tabellenkonstellation an die große Epoche dieses Duells erinnerte. Die von Jupp Heynckes gecoachten Borussen waren keineswegs abgeschlagener Fünfter, Udo Latteks Bayern bereits Herbstmeister.
Gladbach verhindert Bayern-Alleingang
Für die Fußballfans lohnte sich die Übertragung allemal. Sie sahen ein packendes Spiel mit dem vom Großteil der Nation gewünschten Ergebnis. „Alle drücken Gladbach die Daumen“, schrieb der Kicker, denn schon damals fürchtete die Liga einen Münchner Alleingang.
Borussia verhinderte ihn. Sie startete furios, führte schon zur Pause durch Treffer von Frank Mill, Uli Borowka und Michael Frontzeck mit 3:1, für Bayern hatte Reinhold Mathy ausgeglichen.
Lothar Matthäus zeigte sich beeindruckt vom unfreundlichen Empfang (Judas-Rufe) und bot eine eher diskrete Leistung. Der Anschlusstreffer von Dieter Hoeneß fiel zu spät. Endstand 3:2!
Die Bayern gingen zwar als Herbstmeister in die Winterpause, aber mehr Fußballfans als sonst waren nun davon überzeugt, dass auch sie schlagbar waren. Das Schlusswort von Kommentator Faßbender lautete: „Aufatmen sicherlich in der Bundesliga. Liebe Bayern-Fans, das müsst ihr verstehen.“
Und die Fans der Tagesschau bekamen einen Vorgeschmack darauf, wie der Fußball die TV-Landschaft verändern würde.