Vielleicht war es am Ende etwas zu viel des Guten. Der SC Freiburg hatte am Samstag eigentlich gut gekämpft und keineswegs schlecht gespielt. Doch Patrik Schick wollte offenbar das grandiose Leverkusener Fußballjahr mit einem weiteren Schützenfest krönen. Viermal ließ alleine er die Tormusik beim 5:1 ertönen. Sein Trikot zog er beim letzten Streich aus und hielt es vor der eigenen Fankurve sekundenlang in die Höhe. Eine große Show.
Treffsicherer als Kane und Marmoush
Dass ihm Schiedsrichter Tobias Stieler für seinen Jubel die Gelbe Karte vor die Nase hielt, nahm Schick mit einem Lächeln zur Kenntnis. Schließlich war er gerade dabei, mit seinem kongenialen Partner Florian Wirtz den Gegner aus dem Stadion zu schießen: Schick traf noch vor der Halbzeit mit einem gefühlvollen Heber zum 1:0, ehe es im zweiten Durchgang genau neun Minuten und 42 Sekunden dauerte, bis auch die letzten Zweifel beseitigt waren. Zunächst traf er per Kopf, dann hatte der Stürmer beim 4:1 etwas Glück, als sein wuchtiger Abschluss unhaltbar abgefälscht wurde. Kurz darauf war er erneut per Kopf zur Stelle.
Vier Treffer selbst erzielt, so viele Torschüsse wie der gesamte SC Freiburg (sieben) abgegeben und am Ende deutlich gewonnen - also alles bestens? Nein, für Schick nicht. In aller Bescheidenheit suchte er nach den Kleinigkeiten, die es neben seinen vier Toren noch zu verbessern galt. „Ich würde nicht sagen, dass es mein bestes Spiel war“, betonte der gefeierte Mann des Abends. „Wenn ich die vier Tore ausklammere, muss ich sagen, dass ich besser spielen kann. Natürlich sind die Tore wichtig, aber mit dem Ball habe ich ein paar Fehler gemacht.“
Schick hebt Wirtz hervor
Dafür wusste Schick sofort, bei wem er sich zu bedanken hatte. „Ohne Florian (Wirtz; Anm. d. Red.) wären wir nicht so gut. Er war heute wieder sehr wichtig und hat mir perfekte Vorlagen gegeben. Er ist unglaublich und hat mir die Bälle perfekt aufgelegt“, lobte er den Fixpunkt im Spiel seiner Mannschaft und meinte: „Für einen Stürmer ist es ein Traum und einfach wunderbar, einen solchen Spieler hinter sich zu haben.“ Drei Tore (45. Minute +1/67./74.) bereitete ihm der deutsche Nationalspieler vor. Nur am Treffer zum Endstand (77.) war Wirtz nicht unmittelbar beteiligt.
Wirtz und Schick - eine Kombination, die einfach passt und offenbar dazu führt, dass der Tscheche so stark wie selten zuvor ist. Er überzeugt aktuell mit spielerischer Klasse, guter Arbeit gegen den Ball und permanenter Torgefahr. Und das in einem Maße, wie man es bei Mittelstürmern nicht allzu oft findet. Stellt sich bei Schick nur fast zwangsläufig immer wieder die Frage: Was wäre in seiner Karriere eigentlich schon alles möglich gewesen, wenn ihm die Gesundheit nicht so oft einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte?
Schicks überragende Zahlen
Denn über welche Klasse Schick verfügt, bestehen längst keine Zweifel mehr. Gegen Freiburg schnürte er den zweiten Viererpack seiner Bundesliga-Karriere und verbuchte gleichzeitig seinen dritten lupenreinen Hattrick. Letzteres schafften nur die legendären Gerd Müller (7) und Klaus Fischer (5) häufiger. In der Liga steht der 28-Jährige nun bei neun Saisontoren in zwölf Einsätzen. Alle 56 Minuten trifft er im Schnitt - der mit Abstand beste Wert unter den Stürmern. Zum Vergleich: Omar Marmoush braucht im Schnitt 97 Minuten für ein Tor, Harry Kane immerhin 74 Minuten.
Sein vierter Treffer am Samstag war auch gleichbedeutend mit einem neuen Rekord: Schick hat mittlerweile 62 Tore im deutschen Oberhaus geschossen und damit bereits eines mehr als Jan Koller, der bisher der Tscheche war, der hierzulande am häufigsten jubeln durfte. 52 dieser Treffer feierte er im Dress der Werkself, womit er selbst in der internen Rekordliste schon auf Platz sechs liegt. Pro Spiel für Leverkusen erzielt Schick 0,51 Tore. Damit muss er sich lediglich hinter einem Mann anstellen: Vereinslegende Ulf Kirsten (0,52). Der „Schwatte“ traf in 350 Ligaspielen insgesamt 181 Mal.
Auffallend starke Werte, die umso beeindruckender wirken, wenn man Schicks vergangene, vom Pech geprägte Jahre genauer betrachtet. Das Thema Verletzungen war dabei ein leidiger und fast ewiger Begleiter: Zwei Muskelfaserrisse, eine Leistenoperation, ein Bänderriss, eine Verletzung an der Wade und immer wieder große Adduktorenprobleme, die ihn alleine mehr als ein Jahr kosteten - all das plagte den Torjäger seit seinem Wechsel nach Leverkusen im Sommer 2020. Laut dem Online-Portal transfermarkt.de kamen in dieser Zeit unglaubliche 538 Ausfalltage zusammen.
Für einen Stürmer, der etwas mehr als andere vom Selbstvertrauen und seinem körperlichen Befinden lebt, eine besonders harte Probe, wenn die Entwicklung regelmäßig stockt. Wie gut Schick also ohne seine Vorgeschichte sein könnte? Darüber lässt sich nur spekulieren. Doch als Schick in der Saison 2021/22 einmal ohne größere Blessuren durchhielt, bejubelte er prompt 24 Tore in 27 Spielen. Klar dürfte deswegen sein: Wäre der tschechische Nationalspieler in seiner bisherigen Karriere nicht so oft ausgefallen, wäre er den Zahlen von Kirsten sicherlich schon deutlich näher.
Bleibt Schick Stürmer Nummer eins?
Spannend wird zu beobachten sein, wie es nach dem Jahreswechsel in der Sturmspitze weitergeht. Für Schick verlief die Saison zunächst alles andere als erfreulich. Obwohl er erstmals nach langer Zeit wieder fit war, hielten sich seine Einsatzzeiten in Grenzen. Bei Xabi Alonso stand Victor Boniface dagegen deutlich höher im Kurs. Der variabler agierende Nigerianer, der sich oft zwischen den Linien zeigt, auf die linke Seite ausweicht und zudem ein starker Wandspieler ist, passte anscheinend besser ins Konzept des Spaniers.
„Das ist leider manchmal so im Fußball. Aber auf der anderen Seite können sich die Situationen so schnell ändern“, blickte Schick auf die für ihn persönlich schwierigen Wochen zurück. Mit seiner Rolle als Joker war er natürlich unzufrieden, ließ sich aber nie hängen - im Gegenteil. Um seinen Anspruch zu untermauern, sagte er sogar zweimal in Folge bei der Nationalmannschaft ab, um in Leverkusen trainieren zu können. Eine durchaus hohe Investition, die sich auszuzahlen scheint: Schick wirkt in der aktuellen Phase fitter und austrainierter denn je.
Aber auch der zuletzt ausgefallene Boniface steht vor seinem Comeback. Am Mittwoch trainierte der bullige Stürmer das erste Mal wieder mit der Mannschaft. Wenn nichts mehr dazwischen kommt, ist er bis zum Ende der Winterpause einsatzbereit - dann hat Alonso die Qual der Wahl: Hält er an Schick fest oder kehrt er zur alten Ordnung zurück? Letztere Option scheint angesichts der jüngsten Form des Tschechen allerdings kaum vorstellbar. Sein Viererpack gegen Freiburg kam ihm vielleicht gerade recht.