Nuri Sahin ließ seinen Emotionen nach Schlusspfiff freien Lauf. „Der Videoassistent kotzt mich an“, brüllte der BVB-Coach und stapfte Richtung Gäste-Kabine.
Sahin tobt: „Kotzt mich an“
Im Zentrum der Kritik: Die Elfmeter-Entscheidung vor dem 1:1-Ausgleichstreffer von Kevin Stöger. Nach einer Ecke der Gladbacher kam Plea zu einem gefährlichen Abschluss. Pascal Groß und Tim Kleindienst bearbeiteten sich gegenseitig. Am Ende klammerte der BVB-Routinier wohl etwas zu energisch in der Halsregion seines DFB-Mitspielers und brachte ihn zu Fall.
Schiedsrichter Stieler sieht sich im Recht
Schiedsrichter Tobias Stieler ließ erst noch weiterlaufen, betonte aber nach dem Spiel im SPORT1-Interview, dass er bereits in der Szene einen „Halte-Verdacht“ und daraufhin den VAR kontaktiert hatte. Nach kurzem Austausch schaute sich der Referee die Situation an und entschied auf Strafstoß.
„Es ist ein ganz klares Halten im Halsbereich. Nur gegnerorientiert. Der Dortmunder Spieler schaut ja gar nicht nach dem Ball sondern nur nach Kleindienst“, erklärte Stieler. Zudem sei nicht auszuschließen gewesen, dass Kleindienst noch an den Ball gekommen wäre.
BVB-Trainer Sahin sauer über den Eingriff des VAR
Sahin hatte da eine ganz andere Meinung. „Das ist keine klare Fehlentscheidung. In der Premier League und in der Champions League gibt es diese Zweikämpfe die ganze Zeit. Ich sage nicht, dass man keinen Elfmeter geben kann. Aber dass der VAR da eingreift, finde ich nicht richtig“, schäumte Sahin auf SPORT1-Nachfrage. Der BVB-Coach schilderte nach der Partie Stieler seine Sichtweise und seinen Unmut. Doch der Referee hielt mit seinen Argumenten dagegen.
Hätte sich Groß in dieser Situation nicht auch einfach cleverer verhalten müssen?
„Körperlich ist es schon mal ein miss match. Fußball ist ein Sport, wo wir unsere Arme natürlich benutzen dürfen, wo wir blocken und verteidigen wollen. Er reißt ihn ja nicht runter“, führte Sahin weiter aus.
BVB-Profi Groß fassungslos: „Ein ganz normaler Zweikampf“
Auch Groß selbst konnte die Elfmeter-Entscheidung nicht nachvollziehen: „Wenn er ihn im Spiel gibt, dann stehe ich trotzdem hier und sage: Das war keiner. Aber die Tatsache, dass der Video-Schiedsrichter eingreift, ist für mich Wahnsinn, das ist verrückt. Ich glaube, dass wir beide bei allen Standardsituationen sehr körperbetont rangegangen sind. Das ist eine Situation, wo er auch mit beiden Händen dran ist. Ich ziehe nicht am Trikot oder so. Das ist ein ganz normaler Zweikampf“, sagte Groß
Während Groß noch am Mikro sprach, legte Tim Kleindienst beim Gang in die Kabine Widerspruch ein und meinte zu den Fohlen-Betreuern: „Ein ganz klarer Elfmeter.“
Kehl wütet, Schlotterbeck widerspricht Matthäus
Fast niemand redete nach der Partie über das Spiel, über ausgelassene Chancen oder die fehlende Durchschlagskraft. Der Puls bei den Dortmundern war aufgrund der Elfmeter-Entscheidung hoch.
Während Sebastian Kehl den anwesenden Journalisten erklärte, dass es „nie und nimmer“ ein Strafstoß gewesen wäre und „erst recht keine klare Fehlentscheidung“ vorläge, widersprach Nico Schlotterbeck live im TV Sky-Experte Lothar Matthäus, der die VAR-Entscheidung gegen Dortmund nachvollziehbar fand.
BVB hat in zwei Situationen Glück
Dabei hatte Stieler auch einige knifflige Entscheidungen zugunsten des BVB entschieden. Gerade in der ersten Hälfte gab es zwei brenzlige Situationen, in denen der ein oder andere Gladbacher gerne einen Strafstoß gehabt hätte. Erst stieg Ramy Bensebaini seinem Gegenspieler Joe Scally fernab des Geschehens auf den Fuß und brachte ihn zu Fall. Wenige Augenblicke später touchierte der Ball nach einem Volley-Abschluss von Rocco Reitz die Hand von Serhou Guirassy. Die Aktion erinnerte an die Aktion des Spaniers Marc Cucurella im EM-Viertelfinale gegen Deutschland, die die UEFA nachträglich als Fehlentscheidung und strafwürdig bewertete. In beiden Situationen blieb ein Pfiff aus. Der VAR checkte zwar die Situation von Guirassy, schickte Stieler aber nicht an den Bildschirm.
„Das mit Serhou [Guirassy; Anm. d. Red.] ist definitiv kein Elfmeter. Das mit Ramy ist ein schlechter Witz, wenn man da einen Elfmeter will. Das ist ein Unfall“, meinte Sahin.
Groß ist vor allem die scheinbare Willkürlichkeit der Entscheidungen und der Handlungsspielraum ein Dorn im Auge: „Die [Schiedsrichter; Anm. d. Red.] sitzen da am längeren Hebel. Manchmal greifen sie ein, wenn sie nicht eingreifen sollen. Manchmal greifen sie nicht ein, wenn sie sollten. Es ist halt keine Konstanz drin.“
Schlechte Schiedsrichter-Leistung? Seoane kontert Sahin
Interessant war das Aufeinandertreffen der beiden Trainer auf der anschließenden Pressekonferenz. „Ich gehe mal davon aus, dass Gerardo das anders sehen wird als ich. Das ist auch völlig normal“, begann Sahin seine Argumentation, angesprochen auf die Elfmeter-Szene und das vermeintliche Handspiel von Guirassy.
„Ich weiß nicht, wo er mit der Hand da hinsoll und die zweite Szene ist für mich keine krasse Fehlentscheidung, dass der Video-Schiedsrichter da eingreifen muss“, wiederholte sich der BVB Trainer.
Seoane atmete nach Sahins Statement kurz ein und konterte, ohne eine Miene zu verziehen: „Insgesamt eine souveräne Leistung vom Schiedsrichter. Es gibt immer noch einen Ermessensspielraum des Schiedsrichters, den muss man akzeptieren. Ich kann mit den Entscheidungen leben.“
Die Reaktion von Sahin auf den Seitenhieb seines Trainerkollegen sagte mehr als tausend Worte: Sahin guckte weg und musste tief ein- und ausatmen.
BVB-Pechsträhnen halten an
Fast schon nebenbei ist erwähnt: Zwei Pechsträhnen des BVB halten an.
Der BVB wartet weiterhin auf den ersten Auswärtssieg in dieser Bundesliga-Saison (zwei Punkte). Außerdem verschärft das erneute Verletzungspech die Personallage. Sowohl Maximilian Beier als auch Niklas Süle mussten vorzeitig ausgewechselt werden. Sahin äußerte sich gegenüber SPORT1 verzweifelt: „Bei Niki sah es nicht gut aus.“