Es war die entscheidende Szene des Pokalkrachers zwischen dem FC Bayern und Bayer Leverkusen: Manuel Neuer stürmt in der 18. Minute aus seinem Kasten und räumt Jeremie Frimpong ungestüm ab. Die Folge: Rote Karte für den Münchner Keeper und eine Sperre von zwei Pokalspielen.
Extrawurst für Neuer?
Doch jetzt wehrt sich Neuer! Er hat Einspruch beim DFB-Sportgericht eingelegt und will – digital zugeschaltet – selbst aussagen. Dabei scheint es dem Torhüter nicht in erster Linie darum zu gehen, sich vor einer Sperre zu drücken.
Neuer geht es wohl um die Ehre
Denn erstens ist noch gar nicht klar, ob der 38-Jährige angesichts des herannahenden Karriereendes überhaupt noch ein Pokalspiel bestreiten wird – sein Vertrag beim FCB läuft schließlich nur noch bis Sommer 2025. Zweitens wäre ein Fehlen in den ersten beiden Runden gegen vermeintlich kleinere Gegner auch sportlich zu verkraften.
Neuer geht es um mehr: seine Ehre und seinen Stolz. Das deutete Bayerns Sportvorstand Max Eberl am Dienstagabend an. „Ich halte zwei Spiele Sperre für Manuel Neuer, der 850 Spiele lupenrein Fußball gespielt hat, für eine etwas zu harte Strafe. Deswegen fand ich das auch etwas überraschend, dass es so schnell verkündet wurde. Mit einem Spiel kann man, finde ich, auch rechnen“, erklärte der 51-Jährige auf Nachfrage von SPORT1.
Das klingt nach Extrawurst für eine lebende Legende. Eine Sicht, die ein wenig vermessen erscheinen mag. Nach dieser Logik könnte schließlich jeder eigentlich „brave“ Spieler einer Sperre entkommen.
DFB-Urteil lässt sprachliche Lücke
Doch der Rekordmeister und sein Torhüter haben vermutlich zu Recht ein wenig Hoffnung auf ein mildes Urteil. Bei der Verkündung der Sperre teilte der DFB mit: „Die Verhinderung einer offensichtlichen Torchance durch ein nicht schwerwiegendes Foul ohne anschließenden Torerfolg zieht nach ständiger DFB-Rechtsprechung üblicherweise eine Sperre von zwei Spielen nach sich“.
Eine Formulierung, die auf den ersten Blick deutlich wirkt, doch sie lässt Interpretationsspielraum. Bei genauerer Betrachtung machen die Richter in Frankfurt rein sprachlich zwei Schritte nach vorne und wieder einen zurück. Zwar spricht der DFB von „ständiger Rechtsprechung“, das Wörtchen „üblicherweise“ lässt aber eine Hintertür.
Unterschiedliche Betrachtungen
Neuer könnte zudem argumentieren, dass er keine echte Torchance verhindert habe. Schließlich waren noch weitere Bayern-Profis nahe am Geschehen – zum Beispiel Konrad Laimer. Der Österreicher sagte auf Frage von SPORT1: „Gefühlt war ich in der Nähe. Gefühlt hätte ich auch den Ball danach gehabt. Wir schauen mal, was rauskommt, aber man kann es ja probieren.“ Und Laimer ging schmunzelnd sogar einen Schritt weiter, indem er verkündete, zur Not auch als Zeuge für Neuer auszusagen.
So weit wird es vermutlich nicht kommen. In erster Linie zählen die TV-Bilder. Allerdings gibt es auch innerhalb der Schiedsrichter-Gilde unterschiedliche Auffassungen über den Fall. Mehrere Ex-Referees widersprachen sich jedenfalls nach der Partie in der jeweiligen Bewertung der Szene. Auch das könnte Neuer Hoffnung geben.
Jetzt liegt das Schicksal des Bayern-Torwarts vor allem in der Hand von Stephan Oberholz. Der 60-Jährige ist Vorsitzender des DFB-Sportgerichts und wird die Sitzung leiten.