Wenn Bayern-Fans in dieser Saison nach Spielen ihrer Mannschaft auf die Statistiken blicken, können sie sich auf eine Sache verlassen: Der Rekordmeister kann immer mehr Ballbesitz als der Gegner verbuchen. Vincent Kompanys Fußballidee ist streng darauf ausgerichtet. Sein Team soll dominieren und das Spiel gestalten.
Tuchel-Problem verfolgt Kompany
Das gelang den Münchnern auch am Samstagabend in Dortmund. 68 Prozent Ballbesitz sprechen eine deutliche Sprache. Während man in der ersten Hälfte noch Probleme hatte, strahlte man nach der Pause die gewünschte Überlegenheit aus. Der Lohn: Jamal Musialas Ausgleichstreffer in der 85. Minute.
Viel Dominanz, nicht genug Tore
Doch es fiel erneut auf, dass die Bayern gegen stärkere Gegner das Problem haben, ihre Dominanz auch in Tore umzumünzen. Es ist der Punkt, der Bayern noch zur Perfektion fehlt – auch gegen den BVB. Immerhin schoss man doppelt so häufig aufs Tor wie der Gegner. Ein Phänomen, das bereits bei Aston Villa, in der Bundesliga gegen Leverkusen oder besonders schmerzhaft bei der 1:4-Niederlage beim FC Barcelona zu beobachten war.
Nach solchen Spielen ist dann immer wieder die Rede davon, man habe es verpasst „sich zu belohnen“. Aber kann man das lernen? Kann man sich Vollstreckerfähigkeiten antrainieren?
„Indem man Tore macht. Wir hatten schon sehr, sehr viele Spiele am Anfang der Saison, in denen wir frühe Tore gemacht haben. Dann ist es einfacher für uns und für den Gegner noch schwieriger. Heute war das Spiel lange Zeit offen. In der Vergangenheit konnten wir viele Spiele einfach früher entscheiden und dann dominanter und selbstbewusster spielen. Das haben wir heute verpasst“, sagte Joshua Kimmich nach der Partie zu SPORT1.
Bayern will frühe Tore
Die Gleichung ist also ganz einfach: Ein frühes Tor macht den FC Bayern fast unschlagbar. Gelingt das nicht, kann es zäh werden – gerade gegen stärkere Gegner.
Das Problem ist nicht neu und die Münchner sind es noch nicht losgeworden. Bereits unter Thomas Tuchel erlebte der Rekordmeister immer wieder Partien, nach denen man mit Stolz auf die statistischen Werte verweisen konnte, der Blick auf die Anzeigetafel war aber ernüchternd.
Während der damalige Trainer in solchen Fällen gerne die sogenannten „expected goals“ anführte, sah es Thomas Müller pragmatischer: „Es gibt nur eine Statistik, die zählt. Und das ist die auf der Anzeigetafel.“
Tuchel-Weg für Kompany undenkbar
Das Problem der Chancenverwertung ist also nicht neu – und das trotz Harry Kane. Es haftet an Kompany genauso wie an seinem Vorgänger und ist in dieser so erfolgreichen Saison die vielleicht größte Baustelle.
Tuchel reagierte darauf, indem er Dominanz gegen Erfolg eintauschte. Die besten Spiele machten die Bayern unter ihm, wenn sie den Ballbesitz dem Gegner überließen. „Pragmatischer Ansatz“, taufte der 50-Jährige diese Herangehensweise.
Für Kompany scheint eine solche Umstellung undenkbar – auch weil die Vorzeichen mittlerweile andere sind. Die Bayern hecheln der Konkurrenz nicht hinterher, sondern grüßen von der Tabellenspitze. Ein Remis bei den heimstarken Dortmundern ist kein Beinbruch.
Eberl lobt das Team
So sieht es auch Jamal Musiala: „Wir haben viele Chancen kreiert und die richtige Mentalität gezeigt. Leider hat es nicht für einen Sieg gereicht, aber solche Spiele kommen vor“, sagte der Youngster bei Sky.
Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund gaben sich schweren Herzens auch zufrieden mit der Partie. Eigentlich habe man sich mehr vorgenommen, doch nach diesem Spielverlauf sei man mit dem Ergebnis einverstanden.
„Wenn du so viele Torchancen nicht nutzt, kannst du irgendwann ein stückweit resignieren. Das haben die Spieler aber nicht gemacht. Es ist viel Charakterstärke und Moral gezeigt worden“, so Eberl.
Für das Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen am Dienstag (ab 20:45 Uhr im LIVETICKER) haben die Bayern allerdings ein Problem: Ein Unentschieden ist im K.o.-System natürlich nicht möglich. Der Ausgang der Partie, bei der das Team ohne den verletzten Kane auskommen muss, dürfte zudem bei der Bewertung der Hinrunde eine gehörige Rolle spielen.
Ein Ausscheiden würde die Zufriedenheit an der Säbener Straße deutlich mindern – schließlich wäre dann der erste Titel bereits futsch und auch das Selbstvertrauen angekratzt.