Das erste Profi-Tor für seinen Jugendverein zu schießen, ist immer etwas Besonderes. Vor allem, wenn es auch noch in einem großen, wichtigen Spiel fällt. Einer, der am eigenen Leib erfahren hat, wie schnell Träume im Fußball manchmal wahr werden, ist Alejo Sarco. Der 18 Jahre alte Argentinier erlebte seinen magischen Moment im Mai, als er mit Vélez Sarsfield im Finale des nationalen Ligapokals stand und seine Farben nach rund einer Stunde mit 0:1 zurücklagen.
Alonsos Neuer: Viel Talent, viel Drama
In der 62. Minute wurde Sarco eingewechselt, keine 60 Sekunden später markierte er den Ausgleich zum 1:1. Sein Treffer war es, der Sarsfield in die Verlängerung und ins folgende Elfmeterschießen manövrierte. Dort zog der Klub zwar den Kürzeren und musste sich Estudiantes de La Plata geschlagen geben, doch allein das Debüt des Youngsters sollte eigentlich mehr als nur eine schöne Randnotiz sein. Schließlich lebt der Klub aus Buenos Aires seit jeher vom Status als Ausbildungsverein und ist darauf angewiesen, Eigengewächse für teures Geld zu verkaufen.
Auch bei Sarco war das der schlüssige Plan, der in diesem Winter hätte aufgehen sollen. Dann wechselt der junge Stürmer, eines der größten Talente der Mannschaft, nach Deutschland zu Bayer Leverkusen. Das berichten verschiedene Medien übereinstimmend. Nur gibt es diesmal einen zentralen Haken. Einen, der die Verantwortlichen in Vélez so auf die Palme brachte, dass Sarcos erster Treffer in den Farben seiner Jugendmannschaft auch sein letzter war. Anderthalb Monate nach dem Ligapokal veröffentlichte Sarsfield eine brisante Mitteilung, die einem Eklat gleichkam.
Sarco und Sarsfield überwerfen sich
„Der Klub verkündet, dass der Spieler Alejo Sarco aus dem Profikader gestrichen wurde. Der Vorstand hat diese Entscheidung getroffen, da der Spieler sich weigert, seinen Ende 2024 auslaufenden Vertrag zu verlängern“, schrieb der Verein damals. Man habe sich monatelang um eine Einigung bemüht, von der Spielerseite aber nur „Verzögerungen“ und „Ausflüchte“ erhalten. Sarcos Familie und sein Berater zogen es vor, das auslaufende Arbeitspapier nicht zu verlängern und auf einen ablösefreien Transfer zu setzen. Das erhöht ihrer Meinung nach die Chancen auf einen Wechsel nach Europa.
Grund genug für die Vereinsbosse, auf dieses Verhalten äußerst empfindlich zu reagieren. Neben der Suspendierung - Sarco stand bis heute keine einzige Sekunde mehr auf dem Platz - machten sie ihren Unmut mehr als deutlich und beklagten sich über „Undankbarkeit“ sowie „Dreistigkeit“ des Talents und seines Umfelds. Sarsfield aus wirtschaftlichen Spekulationen heraus einen derartigen Schaden zuzufügen, zeuge von einem „völligen Mangel an Dankbarkeit und Anerkennung für das, was der Verein für ihn getan hat“. Harte Worte einer bemerkenswerten Überwerfung.
Aus Sarsfields Sicht nicht zu Unrecht. Immerhin wurde Sacro bereits im Alter von 13 Jahren geholt, intensiv gefördert und sogar in einer vereinseigenen Pension untergebracht. Es war also augenscheinlich, dass der Klub aus der argentinischen Hauptstadt große Stücke auf den bulligen Stürmer hielt. Dort spielte er bereits mit 16 Jahren in der U23 und startete nach einer Eingewöhnungsphase 2023 richtig durch. Der Lohn: Im März 2024 durfte Sarco erstmals für die Profis auflaufen. Doch um zu erfahren, ob er seinem Ruf als großes Sturmtalent gerecht wird, müssen sie bald zur Werkself schauen.
„El Toro“: Sarcos vielsagender Spitzname
In Leverkusen wird man vom jungen Argentinier aber vorerst keine Wunderdinge erwarten. Seine bisherige Erfahrung im Profibereich beläuft sich auf gerade einmal neun Einsätze und 273 Spielminuten, hinzu kommt mehr als ein halbes Jahr ohne Profitraining. So soll Sarco hinter Victor Boniface und Patrik Schick langsam an den europäischen Fußball herangeführt und perspektivisch aufgebaut werden. Nächsten Sommer könnte er bei entsprechend gebrachten Leistungen dann in der Hierarchie weiter nach oben rücken, sollten Boniface oder Schick den Verein verlassen.
Sarcos Anlagen sind jedenfalls vielversprechend. Mit einer Größe von 1,79 Metern hat er als Mittelstürmer zwar nicht unbedingt Gardemaß, dennoch zeigt er sich sehr dynamisch und physisch stark. Sein Spitzname „El Toro“ (dt.: Der Stier), den er sich in seiner Jugendzeit bei Vélez verdiente, kommt eben nicht von ungefähr. Und auch sein gefährlicher linker Fuß brachte ihn schon früh ins Rampenlicht: Mit 16 Jahren unterschrieb er seinen ersten Vertrag bei Sarsfield und galt als so großes Talent. Von Javier Mascherano wurde er bereits in die argentinische U20-Nationalmannschaft berufen.
Mit in Europa noch weitgehend unbekannten Talenten aus Südamerika hat der Double-Sieger ohnehin oft gute Erfahrungen gemacht. Jüngstes Beispiel ist Piero Hincapie aus Ecuador, der 2021 als 19-Jähriger ins Rheinland kam und inzwischen aus dem Team von Xabi Alonso nicht mehr wegzudenken ist. Bei Sarco gibt es durchaus Parallelen. Wenn er im Januar bei Bayer anheuert, feiert auch er seinen 19. Geburtstag - insgeheim hoffen die Leverkusener natürlich auf einen ähnlich steilen Aufstieg. Und darauf, dass es nie zu einem solchen Vertragsdrama wie in seiner Heimat kommt.