Michael Ströll spielte selbst einst für Amateurklubs wie SpVgg Weiden, TSV Gersthofen oder die zweite Mannschaft des FC Augsburg. Wieso der Sprung in höhere Klassen nicht gelang? „Mir fehlte der hundertprozentige Fokus auf Fußball, um es zum Profi zu schaffen. Ich war damals nicht bereit in dem Stadium meines Lebens, alles dem Fußball unterzuordnen", sagt Ströll heute.
Das lernte ein BL-Boss von Tuchel
In seiner Zeit als aktiver Spieler in Augsburg trainierte Ströll auch unter Thomas Tuchel. „Von Tuchel habe ich gelernt, dass diese positive Besessenheit, um erfolgreich zu sein, in der Regel zum Ziel führt. Ich glaube auch, dass du bei aller Zielerreichung zwingend eine gewisse Gelassenheit brauchst. Du brauchst da eine gute Balance. Nur Verbissenheit wird dich eher nicht zum Ziel führen."
Ströll: Vom Praktikanten zum CEO
Mit dieser Haltung hat es Ströll vom Praktikanten zum CEO geschafft. Dafür braucht es vor allem Zielstrebigkeit. „Nach innen kann ich schon ungemütlich werden, weil ich im positiven Sinne auch ein besessener Mensch bin. Wenn ich Ziele vor Augen habe, wenn ich etwas erreichen will, dann versuche ich das auch mit aller Vehemenz und mit aller Kraft zu erreichen.“
Der 40-Jährige hat klare Vorstellungen, die er offensiv nach innen wie nach außen transportiert. „Als Geschäftsführer in Augsburg sind Ziele und Visionen unentbehrlich, wenn man sie erreichen will. Ich halte nichts davon, sich mit einem Minimum an Zielen zufriedenzugeben, weil man sich dadurch automatisch limitiert.“
Ströll ist überzeugt: „Der Standort Augsburg birgt noch viele Potenziale, die wir noch heben können und wollen. Das Graue-Maus-Image, das uns anheftet, kommt nicht von ungefähr. Dass wir auch wenig polarisiert haben und dass wir unsere Standpunkte öffentlich nicht klar genug geäußert haben, diese Visionen und Ambitionen auch unter dem Deckmantel gehalten haben. Das ist seit ein, zwei Jahren ein Prozess, in dem wir sind, um das mehr herauszustellen“, stellt der Familienvater klar.
Von zwei Personen hat sich Ströll vor allem etwas abgeschaut. Von Augsburg-Legende Walter Seinsch und vom ehemaligen Geschäftsführer Andreas Rettig, aktuell DFB-Sportdirektor. „Walter Seinsch ist einer der größten Visionäre, die ich kennenlernen durfte - mit einem unglaublichen Weitblick, für den ihn viele Leute damals ausgelacht haben, als er im Rosenau-Stadion vor 400 Leuten sagte, wir brauchen ein bundesligataugliches Stadion, um irgendwann mal Bundesliga zu spielen. Seinsch war sehr viel im Austausch mit den Fans. Er hat das sehr früh verinnerlicht, sich anzuhören, was die Sorgen, Nöte und Wünsche sind, ohne die Entscheidungshoheit aus der Hand zu geben. Aber das miteinfließen zu lassen in seine Überlegungen und am Ende die bestmögliche Entscheidung für den Klub und für die Fans zu treffen, das ist was, was ich mitgenommen habe. Bei Andreas Rettig ist es, für seine Überzeugungen einzustehen. Nach vorne zu gehen, sich nicht zu verstecken, sondern das, wovon man überzeugt ist, mit aller Vehemenz zu vertreten und dafür zu versuchen zu werben. Das habe ich von Andreas gelernt. Beides sind wichtige Einflusspersönlichkeiten für mich gewesen“, sagt Ströll.
TV-Gelder? „Müssen vernünftiges Maß finden“
So hat der 40-Jährige auch eine klare Linie bei der Diskussion um die Verteilung des TV-Geldes. „Da müssen wir ein vernünftiges Maß finden. Es ist völlig unstrittig, dass Bayern München, Borussia Dortmund und diese Vereine, die in den letzten Jahren nachweislich einen richtig guten Job gemacht haben und unsere Zugpferde sind, am meisten abbekommen vom Gesamtkuchen, aber das Verhältnis vom Ersten bis zum 36. ist da einfach zu diskutieren und ich bin auch der Meinung, dass sich Leistung im Verhältnis lohnen muss.“
Ströll will wieder mehr an die Fans heranrücken. „Wir sind der Meinung, dass wir das Rad überdreht haben, dass wir wieder schauen müssen, wo kommen wir eigentlich her und für wen machen wir das denn alles? Das haben wir auch im Investorenprozess eingebracht. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch stolz sein dürfen in Deutschland auf die Dinge, die wir haben. Wir müssen nicht von der Premier League und La Liga alle Modelle kopieren, investorengesteuert dann Entscheidungen treffen, die dann Logos ändern zum Teil oder Dinge aus anderen Ländern steuern.“
Im Moment sieht er seinen Klub auf einem guten Weg, dem Augsburger Weg. „Die erste Begrifflichkeit, die mir mit dem FCA einfällt, ist Zusammenhalt… Dieses Miteinander, nach innen auch sehr kontrovers, auch sehr kritisch miteinander umzugehen, aber nach außen eine Wagenburgmentalität zu vertreten und wirklich nur mit einer Stimme zu sprechen, das ist etwas, was uns sehr lange ausgezeichnet hat, was wir kurzzeitig mal verloren hatten, jetzt wieder sehr stark leben und ich glaube, davon wir profitieren wir alle“, sagt Ströll, der mit auch mit dem Trainer Jess Thorup aktuell höchst zufrieden ist. „Jess Thorup ist ein extrem empathischer Mensch, der seine Fußballspieler nicht nur als Spieler sieht, sondern als Menschen betrachtet und wissen will, wie es dem Mensch hinter dem Spieler geht.“
Mounir Zitouni (54) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte und Teams in punkto Leadership, Kommunikation und Teamentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (Kickers Offenbach, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat die Autobiographie von Dieter Müller geschrieben und im Buch „Teams erfolgreich führen“ (Metropolitan-Verlag, 2024) die Erkenntnisse aus den Gesprächen im Podcast LEADERTALK zum Thema Leadership zusammengefasst.